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Testradler. Mario Grocholski hat sich bei Julian Affeldt für mehrere Wochen ein Elektrofahrrad ausgeliehen und einige seiner 17 Kilometer langen Arbeitswege damit absolviert. Dafür habe sich das Rad bewährt, 30 Kilometer seien aber zu lang.

© Henry Klix

Potsdam-Mittelmark: Kleinmachnow unter Strom

Leihaktion für Elektroräder wird gut angenommen und womöglich erweitert

Kleinmachnow - Mario Grocholski stand auf der Fahrt zur Arbeit im Stau. Da erinnerte er sich, dass er die Kleinmachnower Lokale Agenda 21 kontaktieren wollte. Von einer Nachbarin hatte er von einem ungewöhnlichen und in Deutschland offenbar einmaligen Angebot der Umweltaktivisten erfahren: Sie verleihen, und das völlig kostenlos, Elektro-Fahrräder. Grocholski rief noch vom Auto aus den Initiator der Aktion, Julian Affeldt an. Es ging ja ohnehin nicht vor und nicht zurück. Im April war Grocholski dann der Erste, der in diesem Jahr das Angebot nutzte – und am Stau vorbeiradelte.

Julian Affeldt ist in der Agendagruppe „Energie und Klimaschutz“ aktiv und hatte die Idee, mit dem Kostenlos-Verleih für das neue Fahrradzeitalter zu werben. Schon vor sechs Jahren habe es eine sehr erfolgreiche Aktion im Ort gegeben, bei der Autofahrer für einen Tag auf ein Pedelec umsteigen konnten. „Aus diesen Erfahrungen ist dann das neue Projekt entstanden“, sagt der 46-jährige Physiklehrer.

Seit dem vergangenen Sommer können Interessenten für bis zu zwei Wochen eines der beiden Pedelecs ausprobieren, die die Agenda-Gruppe für diesen Zweck aus ihrem Budget angeschafft hat – eines schwarz, das andere weiß. Zwei Dutzend Leute hätten schon davon Gebrauch gemacht. „Am Ende des vergangenen Jahres hatte jedes der beiden Räder gut 1000 Kilometer auf dem Tacho“, sagt Affeldt.

Mario Grocholski hat die Möglichkeit dankbar genutzt. Ausgiebig hat der 42-Jährige im Frühjahr das schwarze Pedelec getestet, ist von den Vorteilen inzwischen überzeugt. Als Rettungssanitäter arbeitet der Kleinmachnower sowohl bei der Feuerwehr Berlin-Charlottenburg als auch beim Unfallkrankenhaus Marzahn für die Flugrettung. Wechselnde Arbeitszeiten und Orte gehören also zum Alltag.

Für die 30 Kilometer bis Marzahn habe sich das Pedelec zwar nicht unbedingt bewährt. Die 17 Kilometer bis Charlottenburg seien aber eine Strecke, auf der die Pedalunterstützung durch den Elektromotor ihre Wirkung entfalte. „Es geht nicht viel schneller als mit dem normalen Fahrrad, aber man kommt entspannter ans Ziel“, sagt Grocholski.

Das Angebot hat sich herumgesprochen in Kleinmachnow, die Bestell-Liste für die beiden Pedelecs ist gut gefüllt, sagt Julian Affeldt. „Die Fahrräder werden wohl in diesem Jahr doppelt so viel Strecke machen wie im vergangenen Jahr.“ Zumal sie von einem abgelegeneren Standort jetzt ganz zentral ins Seniorenzentrum Senvital am Rathausmarkt gezogen sind. Dort wird die Ausleihe abgewickelt.

Auch eine ganze Reihe ihrer Mitarbeiter würden sich dafür interessieren, sagt Senvital-Leiterin Nicole Schulz. Gerade für Kollegen, die in Potsdam oder Zehlendorf wohnen, sei das Pedelec eine Alternative zu anderen Verkehrsmitteln. Schichtarbeiter seien etwa nicht mehr so auf die lückenhaften Busfahrpläne angewiesen. Autopendler könnten ihre Nerven schonen, die zunehmend auch bei der Parkplatzsuche am Rathausmarkt strapaziert würden.

Zu den Senvital-Mitarbeitern, die das Angebot demnächst nutzen wollen, gehört Isabell Friedrich. Sie wohnt in Zehlendorf und kommt mit dem Rad zur Arbeit. Bei Julian Affeldt erfuhr sie vorab schon mal, dass die Räder diebstahlversichert sind, an Bäumen oder Laternenpfählen angeschlossen werden sollten. Zum In-den-Keller-Tragen seien die Räder manchem vielleicht zu schwer. Affeldt empfiehlt zudem, einen Helm aufzusetzen, vorgeschrieben ist das nicht.

Isabell Friedrich ist gespannt, ob sie es mit dem Pedelec schneller als in den 20 Minuten, die sie mit dem normalen Fahrrad braucht, zur Arbeit schafft und wie sich die Tretunterstützung im Alltag bewährt. Dass sie sich danach ein Pedelec kauft, will sie nicht ausschließen – und sie wäre nicht die Erste, die sich nach der Ausleihe dafür entscheidet. Mario Hermann vom Kleinmachnower Fahrradladen Specht beobachtet, dass sich immer öfter Menschen für den Kauf eines Elektrofahrrads interessieren.

„Anfangs hat sich nicht mal jemand getraut, Probe zu fahren, obwohl das ja auch bei uns kostenlos ist. In diesem Jahr hat sich das geändert und ich habe schon ein halbes Dutzend Pedelecs verkauft“, sagt er. Die Neugier an der neuen Technik wachse, und die Aktion von Julian Affeld habe sicher ihren Teil dazu beigetragen, meint Herrmann.

Affeldt sieht noch Potenzial für diese bequeme und einfache Fortbewegungsform. „Aber die Leute lernen Elektroräder erst richtig kennen, wenn sie sie für ein paar Tage in verschiedenen Situationen ausprobieren können.“ Die halbe Stunde, die Fahrradläden ihre Testräder bereitstellten, reichten dafür nicht. Viele benötigten mehr Zeit, die neue Technik mal kennenzulernen – und da komme eben die Agenda-Aktion ins Spiel.

Pedelecs von heute seien nicht mehr die von vor drei Jahren. „Die Entwicklung ist weitergegangen.“ Gleiche Akkus lieferten jetzt 25 Prozent mehr Strom, die Unterstützung sei feiner auf die Trittfrequenz des Radlers abgestimmt als bei den ersten Pedelecs. „Man wird nicht mehr so in das Tempo getrieben“, erklärt Affeldt. Was die Preisentwicklung angeht, sei es aber dabei geblieben, dass man mit 2500 Euro teuren Markenrädern besser beraten ist als mit günstigen No-Names.

Parallel zur Lokalen Agenda hat auch das Kleinmachnower Rathaus der neuen Fortbewegungsart auf die Sprünge geholfen: Vor einem Jahr sind für das Grünflächenamt zwei neue Pedelecs angeschafft worden: Für zwei Mitarbeiterinnen, die für Baumschauen und die Kontrolle der Grünanlagen viel unterwegs sind. Mit den Elektrorädern seien gute Erfahrungen gemacht worden, sagt Gemeindesprecherin Martina Bellack. Die Mitarbeiterinnen verzichteten öfter auf das Auto, ohne ihre Mobilität einzuschränken. „Noch dazu entfällt die lästige Parkplatzsuche mit ihren oft zahlreichen Zwischenstopps“, so Bellack.

Die Lokale Agenda denkt derweil darüber nach, Kleinmachnow zum Pedelec-Ort auszubauen. Wird die Ausleihaktion weiter so gut angenommen, will Affeld mit seinen Agenda-Kollegen ein Bikesharing in der Teltower Region aufbauen. Leihstationen für Räder und Pedelecs am Rathausmarkt, am Freibad und an Schulen könnten eine gute Ergänzung zum Nahverkehr werden. „Die Erfahrungen aus dem laufenden Projekt könnten wir dazu nutzen“, so Affeldt. Henry Klix

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