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Praxisübung mit Puppe. Ausbilderin Annett Wilhelm zeigt den Praktikanten Khattab Aldoori, Hafsa Mohammad und Teklit Habtu (v.l.n.r.), wie sie Senioren assistieren können, die sich nicht eigenständig aus dem Bett bewegen können.

© Andreas Klaer

Kleinmachnow: Selbstgemachtes Stoffherz als Dank

Bei einem Praktikum konnten 13 Geflüchtete in Kleinmachnow Erfahrungen in der Altenpflege sammeln.

Kleinmachnow - Die Jugendlichen fangen an zu kichern, als sie sich selbst auf der Leinwand sehen. In dem Film, den Christel Bässler, die Leiterin der Hoffbauer-Altenpflege-Schule, gerade gestartet hat, stellen sich die 17- bis 19-jährigen Geflüchteten zunächst vor. Danach zeigen kurze Filmsequenzen, wie sie für ihr zweiwöchiges Schnupperpraktikum in der Altenpflege zunächst in Rollenspielen verschiedene Tätigkeiten üben. Ein Jugendlicher schiebt einen Rollator vor sich her, ein anderer stützt ihn, eine weitere Praktikumsteilnehmerin ist dabei zu sehen, wie sie eine andere mit einem Löffel füttert.

„Es war von Anfang an viel Praxis im Spiel“, sagt Bässler. Einige Aufgaben, etwa das Ankleiden oder die Körperpflege durften die Praktikanten an Dummy-Puppen ausprobieren. Nach der Übungsphase konnten die Jugendlichen ihre erworbenen Kompetenzen schließlich in einer der Partnereinrichtungen anwenden. Dies waren die Altenpflegeheime der Lafim Dienste für Menschen im Alter, die Lavendelresidenz Teltow und das Pflegeheim auf Elsterwerder der Ernst von Bergmann Care.

Die Somalierin Hafsa Mohammad absolvierte ihr Praktikum in der Seniorenpflege der Ernst von Bergmann Care. Für die 19-Jährige, die in ihrem Heimatland nur sechs Schuljahre absolviert hat, war das Schnupperpraktikum eine erneute Bestätigung des Berufswunsches, den sie nun schon seit einer Weile hegt. „Ich möchte Krankenschwester werden“, sagt Mohammad selbstbewusst. Besonders hat sie die freundliche Art der älteren Menschen beeindruckt, die sie betreute. „Die Leute waren wirklich sehr süß und nett.“ Einer der von ihr gepflegten Senioren schenkte ihr zum Dank für ihre tatkräftige Hilfe sogar ein selbstgemachtes Stoffherz.

Das Schnupperpraktikum, das die zehn jungen Männer und drei jungen Frauen absolviert haben, ist Teil eines Modellprojekts, das das Brandenburger Arbeitsministerium angestoßen hat. Die berufspraktische Orientierung soll dazu beitragen, junge Geflüchtete, die sich im Berufsgrundbildungsjahr Plus an Brandenburger Oberstufenzentren befinden, für eine Ausbildung im Pflegebereich zu interessieren. In Frankfurt (Oder) gibt es ein ähnliches Projekt für Handwerksberufe.

Die teilnehmenden Geflüchteten leben im Durchschnitt seit ein bis zwei Jahren in Deutschland und lernen neben ihren übrigen Schulfächern intensiv Deutsch. „Gerade die Fachsprache in den einzelnen Berufen ist eine große Hürde, die sich aber am besten in der Praxis überwinden lässt“, so Arbeitsministerin Diana Golze (Linke).

Ein paar der Jugendlichen hätten vor Antritt ihre Praktikums Sorge gehabt, dass die älteren Menschen ablehnend auf sie reagieren könnten, sagt Ausbilderin Annett Wilhelm. „Das Gegenteil war aber der Fall.“ Viele der Praktikanten, die unter anderem aus Afghanistan und dem Irak stammen, hätten trotz ihrer längst noch nicht perfekten Sprachkenntnisse schnell ein persönliches Verhältnis zu den Senioren aufbauen können. Die Älteren hätten ihnen gern Geschichten aus ihrer Jugend erzählt und neben den alltäglichen Aufgaben sei auch viel gelacht worden.

Gerade bei körpernahen Hilfeleistungen konnten sich die Praktikanten aussuchen, ob und in welchem Umfang sie diese ausführen wollten. „Wenn ein junger Mann nur männlichen Senioren helfen wollte oder eine junge Frau nur weiblichen, war das natürlich überhaupt kein Problem“, sagt Wilhelm. Sie hofft, dass möglichst viele der Jugendlichen sich nach dem Praktikum für eine Berufslaufbahn in der Altenpflege erwärmen können. „Fachkräfte und Helfer werden in unserem Bereich schon jetzt und in den kommenden Jahren immer mehr händeringend gesucht“, sagt die Ausbilderin.

In einigen Fällen dürfte das tatsächlich eine Win-win-Situation sein. Viele der Praktikanten hätten sich sehr dankbar für die berufliche Chance gezeigt, die sich ihnen durch das Praktikum eröffnet, und deutlich mehr Engagement an den Tag gelegt, als deutsche Praktikanten es für gewöhnlich tun. So gingen ein paar von ihnen etwa weite Strecken zu Fuß, als vor einigen Wochen der Warnstreik im öffentlichen Nahverkehr Busse und Bahnen lahmlegte. „Die Jugendlichen spazierten teilweise von der Potsdamer Innenstadt bis nach Hermannswerder und Bornstedt, um ihre Arbeit trotz Streik aufnehmen zu können“, sagt Annett Wilhelm. Zudem hätten die Jugendlichen durch die Deutschkurse und teilweise durch Amtstermine eine zusätzliche Belastung neben ihrer täglichen Praktikumstätigkeit gehabt, seien aber trotzdem tapfer jeden Tag pünktlich erschienen.

Für ihr Praktikum bekamen die Jugendlichen jeweils ein Zeugnis mit persönlicher Beurteilung, das ihnen bei zukünftigen Bewerbungen helfen soll. Christel Bässler übergab die Urkunden persönlich und lobte auch den besonderen Einsatz der teilnehmenden Pflegeeinrichtungen.

Unter den Jugendlichen ist das Kichern inzwischen einer fast feierlichen Stimmung gewichen. Manche der Praktikanten bekommen bei der Zeugnisübergabe feuchte Augen, umarmen die Ausbilder ihrer Pflegeeinrichtungen zum Abschied und bedanken sich noch einmal für die Chance. Bei vielen ist offensichtlich, dass beide Seiten hoffen, sich bald wiederzusehen.

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