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Zeitzeugen. Die Kreuze stehen an mehr oder weniger originalen Standorten, zentral oder abgelegen. Das Kleinmachnower Sühnekreuz (Bild) hat seinen Platz am Eingang zum Kirchhof gefunden.

© hkx

Kleinmachnow: Schauplätze des Verbrechens

In Brandenburg stehen noch etwa 70 sogenannte Sühnekreuze, eines davon in Kleinmachnow. Eine bemerkenswerte Ausstellung dort geht der schaurigen Geschichte der Sandsteinrelikte nach.

Kleinmachnow - Das schlichte Kreuz soll einmal an der Landstraße gestanden haben. Später wurde es in eine Scheunenwand des Hakeschen Gutes eingemauert. Inzwischen steht es am Eingang der Kleinmachnower Kirche, gleich hinter der Friedhofsmauer, ein Arm ist abgebrochen. Grob gehauen ist es, fast unscheinbar, das Kleinmachnower Sandsteinkreuz. Und ein bisschen geheimnisvoll.

Ein Mord soll damit gesühnt worden sein. Ein Herr von Hake, königlicher Mundschenk, soll seine Frau beim Liebesspiel mit Junker Lenz von Schlabendorf erwischt haben. Auf offener Straße stach er ihm daraufhin den Degen ins Herz. Sporen und Degen des Verstorbenen waren danach angeblich jahrelang in der Kirche aufgehängt, die bekanntlich von den von Hakes selbst errichtet wurde. Ob das alles stimmt, ist nicht bewiesen.

Sie gehören zu den ältesten Flurdenkmalen Deutschlands

Dass es durchaus so gewesen könnte, zeigt eine bemerkenswerte Wanderausstellung des Archäologischen Landesmuseums Brandenburg, die derzeit in der Kleinmachnower Kirche zu sehen ist. Sie geht der Geschichte der Gedenk- und Sühnekreuze nach, wie sie besonders in Ost- und Süddeutschland zu finden sind. Allein in Brandenburg stehen immer noch etwa 70 in Dorfkernen, an Landstraßen oder Feldrändern. Grob aus einem Stück gehauen, mehr oder weniger lädiert, zählen sie zu den ältesten erhaltenen Flurdenkmalen Deutschlands.

Den Relikten haftet etwas Rätselhaftes, Geheimnisvolles an, dem Steinmehl wurden bisweilen magische Kräfte nachgesagt. Viele der Kreuze sind – wie das Kleinmachnower – mit Legenden verbunden. Von der Erinnerung an Bruderfehden ist darin die Rede, von frühen Versammlungsstätten der Christen, von Toten im Sumpf, Grenzmarkierungen oder Soldatengräbern aus dem 30-jährigen Krieg. Die Ausstellung klärt auf, dass es sich häufig um noch viel ältere Gedenk- und Sühnekreuze handelte, letztere aus dem 14. bis 16. Jahrhundert. Sie wurden demnach am Ort des Verbrechens oder belebten Wegkreuzungen aufgestellt, wo Passanten für das Seelenheil der Verstorbenen beten konnten.

Der Fotograf Detlef Sommer hat über viele Jahre den Formenreichtum und Erhaltungszustand der Steinkreuze Brandenburgs dokumentiert. Ausstellungskuratorin Sandra Lehninger verdichtete die Bilder mit historischen Hintergründen und weiterem Material zu einer Schau, die danach schreit, belletristisch weitergesponnen zu werden. Die Legenden zu den Kreuzen sind oft, aber nicht immer erfunden. Die tatsächlichen Geschehnisse sind im Nebel des 30-jährigen Krieges bisweilen verlorengegangen. Eingeschlagene Gravuren verraten Archäologen etwas darüber, warum ein Kreuz an diesem oder jenem Platz steht oder stand. Manchmal wurden Mordwerkzeuge eingemeißelt, manchmal Handwerkszeichen des Verstorbenen.

Sühneverträge zur Wiedergutmachung

Bei Totschlag oder Racheakten wurden vom Spätmittelalter bis in die frühe Neuzeit hinein Sühneverträge aufgesetzt, in denen sich die Täter zur Aufstellung der Kreuze und zur Wiedergutmachung an den Hinterbliebenen Verpflichten mussten – auch um langen Blutfehden vorzubeugen, wie sie noch an der Tagesordnung waren. Im Lübbener Stadtbuch ist davon die Rede, das zwei des Totschlags Angeklagte im Jahr 1449 verpflichtet wurden, 100 Seelenmessen für das Opfer lesen zu lassen, zwei Pfund Wachs zu stiften und an den Bruder des Getöteten 15 Groschen zu entrichten. Außerdem mussten sie ein Kreuz für das Opfer setzen. So mag auch der Kleinmachnower Gutsherr mit dem Sandsteinkreuz an der Zehlendorfer Landstraße einem härteren Schicksal entgangen sein.

Die Kreuze stehen an mehr oder weniger originalen Standorten, zentral oder abgelegen. In Mühlberg war man erst in den 1990er-Jahren bei Kabelarbeiten auf ein Sühnekreuz gestoßen, das jetzt im Kloster Marienstern in der sächsischen Oberlausitz steht. Manchmal weisen nur noch Flurnamen wie „Am Steinkreuz“ auf Standorte hin. Bei Garrenchen wurde ein 1,40 Meter hohes Steinkreuz in Kleeblattform vor fünf Jahren gestohlen, ein Loch in der Erde ist geblieben.

Es gab wohl einmal deutlich mehr dieser grob gehauenen Relikte, die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen. Viele der Kreuze sind amputiert oder verwittert, Gravuren nur schemenhaft erkennbar. Das Kleinmachnower Kreuz wurde durch Pickenschlag beschädigt, andere wurden angefahren, von Landmaschinen, russischen Militärfahrzeugen, Schneepflügen oder Reisenden. Das Münchhausener zerbrach bei einem solchen Zusammenstoß 1977 in zwei Teile. Das Kopfteil war lange verschwunden, 2005 stand das Kreuz zusammengesetzt und restauriert wieder an seinem Platz. Niemand weiß, wer das war.

Parallelen zu den heutigen Unfallkreuzen

Das Mysterium besteht bis heute. Die Ausstellung zieht die Parallele zu den Kreuzen, die an Schauplätzen tödlicher Verkehrsunfälle aufgestellt werden. Womöglich waren auch die alten Steinkreuze noch lange von Angehörigen mit Blumen geschmückt worden, das Kleinmachnower Kreuz hat ein kleines Näpfchen im Kopf eingraviert – vielleicht für eine Kerze.

Schon vor drei Jahren war die Ausstellung mit dem Titel „Sagenhafte Steinkreuze“ erstmals im Archäologischen Landesmuseum im Paulikloster in Brandenburg (Havel) zu sehen, seitdem tourt sie mit großem Erfolg durchs Land, wie es aus dem Museum heißt. Bis Mitte August ist sie in Kleinmachnow zu sehen, weitere Stationen sind schon gebucht.

So groß ist das Interesse, dass sich das Landesmuseum entschloss, eine kleine, 100-seitige Publikation zu den Kreuzen hinterherzuschicken, in der auch für das Kleinmachnower Kreuz alle bekannten Details und Dokumente inklusive Literaturverzeichnis aufgeführt sind. Der Verweis auf Theodor Fontane, der die Degenstoßlegende in seiner Wanderung erzählt, fehlt natürlich nicht. 

Bis 15. August in der Dorfkirche Kleinmachnow, Zehlendorfer Damm. Geöffnet sonntags von 14 bis 17 Uhr oder nach Vereinbarung unter Tel. (033203) 228 44

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