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Kleinmachnow: Drei Himmelsleitern für den Kirchbau

Ein Kunstwerk aus Stoff erzählt Kleinmachnower Geschichten. Erstmals wird es Ostersonntag im neuen Gemeindehaus gezeigt.

Kleinmachnow - Emma Maria Lange war die Erste, die mit einer braunen Leinentasche und einem flaschengrünen Wollstoff kam. Wie noch viele Kleinmachnower nach ihr hatte die inzwischen verstorbene Bildhauerin im Februar 2016 auf dem weißen Sofa im Atelier der befreundeten Kleinmachnower Künstlerin Anke Mühlig Platz genommen und ihre Geschichte zu den gestifteten Stoffen erzählt. „Es wäre interessant zu wissen, was sie heute sagen würde“, meint Anke Mühlig.

Inzwischen sind nicht nur die Stoffe der Bildhauerin in winzige Puzzleteile zerschnitten und zu einem einzigartigen Kunstwerk zusammengenäht. In mühevoller Kleinarbeit hat ein neunköpfiges Näherinnen-Team in den letzten sieben Monaten unter Anleitung der Textilkünstlerin Mühlig drei farbige Himmelsleitern geschaffen, die in der kommenden Woche im Dachfirst des neuen Kirchbaus im Alten Dorf installiert werden sollen. Erstmals präsentiert werden sie dann am Ostersonntag zur Einweihung des neuen Gemeindezentrums. „Ich habe das Gefühl, die Leute sind schon jetzt ganz eng mit dem Ort verbunden, obwohl sie noch nie dort waren“, glaubt Mühlig. Über 90 Interviews mit Kleinmachnowern hat die Textilkünstlerin in den vergangenen zwei Jahren geführt, persönliche Stoffe und ihre Geschichten zusammengetragen. Die Idee dazu hatte Pfarrerin Elke Rosenthal. Mit dem Kunstprojekt sollte den Kleinmachnowern der Abschied aus dem alten Gemeindezentrum im Jägerstieg erleichtert werden. „Die neue Kirche wurde lange ersehnt und doch fällt es vielen schwer, loszulassen“, erklärt Anke Mühlig. Mit dem eigens für das neue Gemeindezentrum initiierten Kunstprojekt werden viele persönliche Lebensgeschichten der Kleinmachnower mit an den neuen Ort gebracht. „Es ist ein Stück Familien- und Ortsgeschichte, aber auch ein wertvolles Zeitdokument geworden“, sagt die 60-jährige Projektleiterin.

So hatte etwa eine aus den 1950er-Jahren stammende Leinentasche die Kleinmachnower Künstlerin Emma Maria Lange ein Leben lang begleitet. Wie sie der Freundin noch auf deren Couch erzählte, hatte die zu DDR-Zeiten als Puppen-Mutter bekannt gewordene Bildhauerin die Tasche zuletzt mit Utensilien für einen unverhofften Krankenhausaufenthalt bepackt, bevor sie sich entschied, sie dem Kirchenprojekt zu schenken. Gärtner Josef Schöwel rangierte eine alte Gärtnerhose aus, andere gaben ihre Brautkleider oder lieb gewonnene Tischdecken. Auch ein Einkaufsnetz, Kinder-Fellschühchen und ein Teddymantel seien dabei gewesen. Holger Hübner, seinerzeit Redenschreiber des damaligen Regierenden Bürgermeisters von Berlin Walter Momper, hatte lange Zeit einen roten Leinenstreifen aufbewahrt und später dem Kleinmachnower Heimatverein überlassen, der es nun der Kirche übergab. Das rote Leinenband diente einst als vorderste Grenzmarkierung an der Berliner Mauer. Hübner fand es am Abend des 11. Dezember 1989, jenem Tag, an dem auch der Grenzübergang zwischen dem südwestlichen Berliner Bezirk Zehlendorf und dem Villenvorort Kleinmachnow nach Jahren der Trennung geöffnet worden war, so Mühlig.

Über 370 Stunden haben die Näherinnen damit zugebracht, die farblich vorsortierten und in viele ein bis zehn Zentimeter lange Stücke zerschnittenen Stoffteile zu roten, blauen und grünen Stoffbögen zusammenzunähen. Teils mit ihren eigens mitgebrachten Nähmaschinen, teils aber auch mit der Hand. „Ich hatte keine Idee davon, wie unterschiedlich die Stoffe sein werden“, sagt Anke Mühlig. Ihre eigenen Stunden, die sie mit dem Kunstprojekt verbrachte, hat sie nicht gezählt. Auch sei es mit der Einweihung der Kirche noch nicht zu Ende gebracht. Die Fotos, die zu Beginn von den gespendeten Stoffen gemacht worden waren, sollen gemeinsam mit den zugehörigen Geschichten in einem Buch veröffentlicht werden, erklärt sie. Wie das Kunstwerk sei auch das Manuskript dazu erstmals zur Einweihung des Kirchbaus vor Ort einzusehen. 

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