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Potsdam-Mittelmark: Klare Sache

Peter Reichelt hat die Geschichte des Stahnsdorfer Klärwerks und der Rieselfelder aufgeschrieben

Kleinmachnow/Stahnsdorf - Wenn zu Hause der Stöpsel aus der Wanne gezogen wird, fließen etwa 150 Liter ins Abwassernetz. Im Klärwerk Stahnsdorf kommt täglich eine Menge an, die rund 270 000 Badewannen entspricht, was nahezu 40 000 Kubikmetern gleichkommt. In der letzten Woche waren es aufgrund des Tauwetters sogar 100 000 Kubikmeter Abwasser. Doch dazu ist die Anlage ausgelegt, die zum Berliner Wasserbetrieb gehört. Wasser kann so durch das gesamte Berliner Abwassernetz geschickt werden kann, erfuhren rund 30 interessierte Zuhörer am Donnerstagabend vom Stahnsdorfer Heimatfreund Peter Reichelt, der gemeinsam mit Helmut Schultz im Kleinmachnower Industriemuseum über das Klärwerk Stahnsdorf berichtete.

Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Teltowkanals war die Veranstaltung Auftakt einer Vortragsreihe der regionalen Heimatvereine. Reichelt, der selbst im Stahnsdorfer Klärwerk arbeitet, hat sich intensiv mit der Historie der 1931 errichteten Anlage beschäftigt, die seinerzeit die modernste Europas war und als Aushängeschild deutscher Ingenieurkunst galt. Der Klinkerbau des Maschinenhauses, der schon aus der Ferne sichtbar war, hatte zwei Eingänge: einen Haupteingang für Ingenieure und einen Nebeneingang für Maschinisten. Schon damals wurden die einzelnen Becken für einen Parallelbetrieb ausgerichtet. Es gab Belüftungsbecken, Nachkläranlagen und Schlammpumpen, um das Wasser zu reinigen und wieder über den Teltowkanal dem Wasserkreislauf zuzuführen. Nach der Modernisierung der Anlage in den letzten Jahren durchläuft das Abwasser auch heute noch mehrere Stufen von der Grobreinigung über die mechanische bis zur biologischen Reinigungsstufe. Wenn das Wasser das Klärwerk verlässt, ist es sauberer als die Gewässer, in die es geleitet wird. Das regte an nachzufragen, warum ein Teil des Wassers nicht in die freie Landschaft geleitet werde? Denn der Grundwasserspiegel sei in den letzten Jahren gesunken und für Georg Heinze vom Kleinmachnower Heimatverein ist vorstellbar, dass sich das Rad der Bäkemühle wieder drehen könnte, wenn die Leitung etwas angezapft würde. Auch die Parforceheide könnte davon profitieren, meinten einige Zuhörer. Doch Helmut Schultz verwies auf gesetzliche Vorschriften, die das nicht gestatten. So würden in Brandenburgs Abwässern zunehmend Wirkstoffe von Medikamenten nachgewiesen, beispielsweise Sexualhormone aus Verhütungsmitteln. Ein weiterer Grund sind die Schwermetalle im Erdreich, die sich durch die Rieselfelderwirtschaft angelagert haben. Deshalb gibt es auch den einstmals bei Kleingärtnern beliebten Klärschlamm nicht mehr, der bei manchem an diesem Abend Erinnerungen an reiche Tomatenernten weckte.

1998 wurden die letzten Rieselfelder außer Betrieb genommen. Reichelt hat darüber ein Buch geschrieben, das in etwa zwei Monaten erscheinen wird. „Vergessene Landschaft Rieselfelder“ ist ein Abriss über die Historie des Stahnsdorfer Klärwerks, die bereits 1906 mit den Stahnsdorfer Tropfkammeranlagen auf den Lindbergen begann. Erinnert wird daran, dass das Klärwerk in DDR-Zeiten ein großer Devisenbringer war. Dabei beschränkt sich der Autor nicht nur auf den technologischen Ablauf, sondern erzählt gleichsam die Geschichte des Ortes, indem er auch aufklärt wie Struveshof und Markgrafshof zu ihren Namen kamen. Manch spannende Details recherchierte er, wie beispielsweise Zusammenhänge zwischen den Rieselfeldern und dem 20. Juli 1944. Das Buch enthält auch bisher unveröffentlichte Fotos vom Bau des Klärwerks, ebenso von Rieselwärtern in urigen Gummistiefeln. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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