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Viel Zeit zu zweit. Franca Edeling und ihr Sohn Marlon warten seit Monaten auf einen Kita-Platz oder einen Platz bei einer Tagesmutter. Die 35-Jährige aus Werder hat seit Auslaufen des Elterngeldes keinerlei Einkünfte. Dass nicht mehr Eltern per Klage ihr Recht auf Betreuung durchsetzten, erstaunt sie.

© Martin Anton

Kita-Mangel in Werder: Teures Warten auf einen Kitaplatz

Franca Edeling aus Werder wollte eigentlich seit März wieder arbeiten. Aber noch immer wartet sie auf einen Kitaplatz für ihren Sohn. Jetzt klagt sie auf Schadenersatz.

Werder (Havel) - Ein Wort störte sie ganz besonders: Geduld. Als Franca Edeling in den PNN über den Kitaplatz-Mangel in Werder las, dass den betroffenen Eltern vom Sozialausschussvorsitzenden Gerhard Optiz (FDP) zur Geduld geraten wurde, reichte es ihr. „Wie soll man Geduld haben, wenn man kein Geld bekommt?“, fragt sich die zweifache Mutter aus Werder.

Wie berichtet fehlen in Werder (Havel) dieses Jahr 200 Kitaplätze. Edeling ist eine der Leidtragenden. Ihr Sohn Marlon ist 21 Monate alt. Bis Februar bekam seine Mutter Elterngeld. Seitdem hat sie keine Einkünfte. Ihre Elternzeit hat sie verlängert, weil sie keinen Kita-Platz für Marlon finden konnte. Ihr Arbeitgeber, eine Telefonica-Tochter in Potsdam, hat Verständnis. Geld bekommt sie dennoch nicht. Weil ihr Lebensgefährte arbeitet, funktioniert es trotzdem, muss sie keine staatliche Hilfe beantragen. Das komplette Gehalt der Mutter geht der Familie aber verloren. Und: „Es ist ein komisches Gefühl, finanziell abhängig zu sein“, sagt die 35-Jährige.

Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz in Werder besteht schon seit 2017

Rechtlich gesehen hat ihr Sohn seit März 2017 Anspruch auf einen Kitaplatz in Werder. Ursprünglich sollte Marlon wie einst sein Bruder in der Kita Zauberstein in Potsdam unterkommen. Aufgrund des „Geschwisterbonus’“ hatte Edeling auch schon eine mündliche Zusage. Dann kam aber doch die Absage: Plätze in Potsdam werden aufgrund der auch dort angespannten Situation zuerst an Potsdamer vergeben.

Trotz des gesetzlichen Anspruchs erntete Edeling in der zuständigen Stelle der Werderaner Stadtverwaltung nur müdes Lächeln, als sie nach der Absage aus Potsdam ihren Wunsch nach einem Kitaplatz dort kundtat. Die Mitarbeiter verwiesen auf die Ordner voller Bewerbungen, erzählt sie. „Sie stehen sehr weit unten auf der Warteliste“, hieß es. Eine Nachfrage beim Jugendamt des Landkreises Potsdam-Mittelmark brachte sie auch nicht weiter. Vielmehr riet man ihr, ihren gesetzlich garantierten Anspruch auf juristischem Weg durchzusetzen.

„Wenn man etwas erreichen will, muss man klagen“

Das tat Franca Edeling auch. Zunächst legte sie Verpflichtungsklage beim Verwaltungsgericht Potsdam ein. Diese wurde nach drei Monaten abgelehnt. Im September verklagte sie dann den Landkreis auf Schadenersatz für das entgangene Gehalt. Sie wundert sich, dass nicht mehr Eltern den rechtlichen Weg beschreiten. „Wenn man etwas erreichen will, muss man klagen“, sagt sie.

Ein bisschen was hat sich inzwischen getan. Die Kommunikation mit der Stadt sei besser geworden, sagt die gebürtige Potsdamerin, die seit knapp drei Jahren in Werder wohnt. Anfangs hätte es kaum Auskünfte gegeben. Auch jetzt sei es schwierig, konkrete Informationen zu bekommen. Etwa, ob es im kommenden Jahr mit dem Kitaplatz klappt. „Es heißt nur, es sehe ganz gut aus“, erklärt Edeling. Eine Zu- oder Absage gebe es aber wohl erst ein oder zwei Monate vor dem Beginn des Kitajahres im September.

Abgesehen von der Arbeit stört Edeling auch, dass ihr Sohn wenig Kontakt zu anderen Kindern hat

Immerhin zeichnet sich eine Zwischenlösung ab. Ab Januar, so hofft sie, könnte Marlon bei einer Tagesmutter in Werder unterkommen. Das hieße, Franca Edeling könnte ab März 2018 wieder arbeiten – wenn auch nicht in Vollzeit. Denn Tagesmütter sind üblicherweise zeitlich nicht so flexibel wie Kindertagesstätten. Trotzdem ist die Lösung besser als ein vorheriger Vorschlag: Ein Platz bei einer Tagesmutter in Nuthetal. „Aber ich wohne doch in Werder“, sagt die 35-Jährige verständnislos. So hätte sie ihren älteren Sohn zunächst an seiner Schule in Potsdam Bornstedt absetzen müssen, dann Marlon nach Nuthetal bringen und schießlich zurückfahren zur Arbeit nach Potsdam Zentrum Ost.

Neben dem Wunsch, selber wieder arbeiten zu gehen, ist Edeling noch aus einem anderen Grund an einer baldigen Betreuungslösung gelegen. „Marlon fehlt der Umgang mit anderen Kindern“, glaubt sie. Das gemeinsame Spielen und der Umgang mit den Erzieherinnen bringe gewissen Lerneffekte, ist sie sich sicher. Als Ausgleich besuchen sie andere Ort mit vielen Kindern, wie Spielgruppen und Indoor-Spielplätze.

Wenn Franca Edeling im März tatsächlich wieder zur Arbeit gehen kann, wird sie ein Jahr ohne Gehalt überbrückt haben. Ob sie für diesen Verlust entschädigt wird, ist noch unklar. Sie wartet auf eine richterliche Entscheidung, ebenso wie auf einen Kitaplatz. Sie wartet – gezwungenermaßen. Denn Geduld hat sie keine mehr. 

Martin Anton

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