zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Kirschblüten statt Stacheldraht

Ein japanisches Frühlingsfest erinnert seit acht Jahren zwischen Teltow und Berlin an den Mauerfall

Von Matthias Matern

Teltow - Mehr als 3000 Gäste erwarten Markus Mohn und Detlef Fanter am morgigen Sonntag auf dem Mauerweg zwischen Teltow und dem Berliner Stadtteil Lichterfelde. Eigentlich kein Grund nervös zu sein. Bereits zum achten Mal laden die Umweltinitiative Teltower Platte und die Bürgerinitiative Teltow zum traditionellen japanischen Kirschblütenfest Hanami auf den ehemaligen Grenzstreifen zwischen der DDR und der Westberliner Enklave. Doch in diesem Jahr hat die Veranstaltung für den einstigen Westberliner Mohn und Fanter aus Teltow eine ganz besondere Bedeutung. Wäre vor 20 Jahren nicht die Mauer gefallen, hätten sie sich nicht kennengelernt, gäbe es auch kein Kirschblütenfest.

„Für die Japaner steht das Hanami für das Wiedererwachen nach dem Frühling“, erzählt Detelf Fanter von der Bürgerinitiative Teltow. Es sei aber vor allem symbolisch zu verstehen, meint der 63-jährige Teltower. Auf die Geschichte der Region bezogen, könnte man also sagen, mit dem Kischblütenfest werde jährlich das Wiederaufleben alter, natürlicher Beziehungen zwischen Berlin und dem Brandenburger Umland gefeiert. „Allerdings verstehen wir das Hanami vor allem als ein Fest für die Völkerverständigung an sich“, sagt Fanter.

Wie dem auch sei, einen guten Grund, sich jedes Jahr Ende April auf dem Mauerweg zu treffen, gibt es in jedem Fall. Dann stehen zwischen Lichterfelder Allee und dem Ostpreußendamm bis zur Osdorfer Straße 1400 japanische Zierkirschen in Blüte. Zu verdanken haben Berlin und Brandenburg den leuchtend rosa-weißen Wald der Freude der japanischen Bevölkerung über das Ende der deutsch-deutschen Teilung. Damals, als Reaktion auf den Tag, als die Mauer fiel, organisierte der japanische Fernsehgesellschaft TV Asahi spontan einen Spendenaufruf an ihre Landsleute. Geld sollte gesammelt werden, um den ehemaligen Todesstreifen mit Kirschbäumen in einen blühenden Garten zu verwandeln. Mehr als eine Million Euro kamen umgerechnet zusammen. Insgesamt rund 10 000 Bäume konnten so in und um Berlin in die Erde gebracht werden. Die ersten Setzlinge wurden bereits 1990 an der Glienicker Brücke zwischen Potsdam und Berlin-Wannsee gepflanzt.

Als die Pflanzaktion in Teltow begann, haben sich Markus Mohn und Detlef Fanter das erste Mal getroffen, beide mit dem Spaten in der Hand und dem Ziel, die ehemalige trennende Grenze zu begrünen. Eine Freundschaft entstand – und daraus 2001 das erste Kirschblütenfest. „Wir hatten keine Verwandschaft in der DDR und die Mauer war für mich eine Selbstverständlichkeit“, erinnert sich der heute 36-jährige Mohn an die Zeit vor der Wende. Etwa fünf Minuten mit dem Fahrrad entfernt habe er von der Grenze gewohnt. Detlef Fanter dagegen kannte das alte Berlin noch ohne Mauer, fuhr als Jugendlicher oft vom Friedrichshain „rüber“, um ins Kino zu gehen. „Außerdem lebte meine Tante in Kreuzberg“, erzählt er. In Teltow habe er später nur wenige Meter entfernt vom Truppenübungsplatz der Amerikaner auf der anderen Seite gewohnt. „Manchmal hatte man das Gefühl, die Panzer fahren direkt bei einem durch den Garten.“

Die Panzer und die Mauer sind Vergangenheit. Am Sonntag werden an gleicher Stelle Fahrräder stehen, Picknickdecken ausgebreitet liegen und Gäste aus Berlin, Teltow und von fern sich unter Kirschblüten an die Zeit der Teilung erinnern. Dazu wird der Chor der deutsch-japanischen Gesellschaft singen, Kulturvereine fernöstliche Lebensart vorstellen, Bratwurstduft sich mit Gerüchen japanischer Leckereien vermischen.

Im Internet unter:

www.bit-ev.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false