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Kinderbetreuung: Windelchaos in Potsdam-Mittelmark: Rathaus-Mitarbeiter mit Latein am Ende

Statt der Eltern sollen jetzt Kita-Träger im Kreis Potsdam-Mittelmark Windeln beschaffen. Das sorgt für viel Verwirrung - vor allem in Rathäusern.

Von Eva Schmid

Das tägliche Geschäft der Jüngsten hält nicht nur Eltern und Erzieher auf Trab. Seit einigen Wochen überlegen Verwaltungsmitarbeiter der mittelmärkischen Kommunen, wie viele Windeln ein Kleinkind pro Tag verbraucht, wo man palettenweise Windeln lagern kann und ob die günstigste Windel auch die beste ist.

Seit Januar dieses Jahres müssen die Träger von Kindertagesstätten Windeln, Feuchttücher und Sonnencreme bereitstellen. So will es der Kreis. Der verweist auf das Kitagesetz des Landes. Doch in dem ist der so genannte Versorgungsauftrag gar nicht derart explizit festgelegt. Lediglich in einem Kommentar zum Gesetz wird die Pflicht, Pflegeprodukte wie Windeln bereitzustellen, den Trägern zugeschrieben.

Eine Auslegung, die der Kreis sich nun zu eigen macht. Und damit landesweit bisher noch alleine dasteht: „Wir betreten damit Neuland“, sagt Kreissprecher Kai-Uwe Schwinzert, der durchblicken lässt, dass auch innerhalb der Kreisverwaltung noch viele Fragen offen sind. Auslöser für das derzeitige Chaos ist eine Anfrage eines freien Trägers an den Kreis gewesen. Der wollte explizit wissen, wer die Windeln besorgen muss. Um welchen Träger es sich handelte, konnte der Kreissprecher am Montag auf Anfrage nicht sagen. Die Verwaltung in Bad Belzig hat sich daraufhin beim Land informiert, die Kita-Träger eingeladen und die Umsetzung zum neuen Jahr angekündigt.

Rathausmitarbeiter müssen jetzt einschätzen, wieviele Windeln Kleinkinder verbrauchen

Das Ergebnis: In den Rathäusern herrscht Verwirrung, zum Teil sogar Unverständnis. Denn nun müssen Verwaltungsmitarbeiter – deren Kinder meist schon sehr lange trocken sind – einschätzen, wie viele Windeln ein Kleinkind verbraucht. In Teltow zum Beispiel geht man von sechs bis acht Windeln pro Kind und Tag aus. Nuthetal hat bereits erste Zahlen geliefert: Für die zwei kommunalen Einrichtungen könnten rund 15 000 Euro an Mehrkosten anfallen. Kommunen wie Werder (Havel) oder Teltow, die zwischen sechs bis acht Eigenbetriebe haben, müssen demnach mit dem Drei- oder Vierfachen rechnen. Das Geld werden die Kommunen über die Kitagebühr auf die Eltern umlegen.

Neben der Anzahl der Windeln ist völlig unklar, welche Marken und Größen die Träger vorhalten sollen. „Es kann nur eine Marke und Größe sein, wir können ja kein Versandhaus aufbauen, wo dann die Eltern Windelmarke und Größe vorbuchen können“, so Nuthetals Rathauschefin Ute Hustig (Linke). Das sei schlichtweg nicht zu leisten. Aus Werder wiederum heißt es, dass man als Kommune angehalten sei, die Leistung auszuschreiben, um dann das günstigste Angebot auszuwählen. Aber was, wenn die Windeln vom Discounter so manchem Kind einen roten Po bescheren?

Mit Diskussionen von Eltern sei zu rechnen, so Werders 1. Beigeordneter Christian Große (CDU), und zwar dann, „wenn die Erwartungen der Eltern auf unsere Möglichkeiten stoßen“.

Ein weiteres Problem: Wo sollen die vielen Windeln gelagert werden? So manche Einrichtung platzt auch ohne großes Windellager bereits aus allen Nähten, viele Kitas arbeiten mit Ausnahmegenehmigungen, um mehr Kinder als vorgeschrieben betreuen zu können. Also dann doch ein zentrales Lager mitten im Ort oder gar in der Verwaltung?

Hinzu kommen hämische Blicke von Eltern, deren Kinder schon trocken sind. Zahlen sie weiterhin die Windelzulage, auch wenn ihr Kind gar keine mehr braucht? Fragen wie diese treiben Verwaltung und Kita-Leitungen um.

„Das Kitagesetz sieht ein hohes Mitspracherecht der Eltern vor“

Der zuständige Fachbereich des Kreises will nach dieser Verwirrung ein Stück weit zurückrudern. In den nächsten Tagen sollen die Träger ein Schreiben bekommen: Es sei zulässig, Pflegeprodukte in die Gebühren einfließen zu lassen. Es bestehe aber keine Verpflichtung. Auch dem Kreis ist offenbar klar geworden, dass er sich auf einem schmalen Grat bewegt. Beschwerden oder gar Klagen vor dem Verwaltungsgericht wären vorprogrammiert gewesen.

Jetzt könne jede Einrichtung in Abstimmung mit den Eltern bestimmen, wie sie es künftig handhaben will. „Das Kitagesetz sieht ein hohes Mitspracherecht der Eltern vor“, so Kreissprecher Schwinzert. Er geht davon aus, dass sich die Eltern in den Einrichtungen einig werden. Ob so das angerichtete Chaos eingedämmt werden kann?

Die Kreisverwaltung jedenfalls scheint nach dem „klärenden“ Schreiben mit sich im Reinen zu sein. Dass die Träger bereits Ausschreibungen organisieren und sich so den Kopf zerbrechen, sei nicht gewollt gewesen. Da liege wohl ein Missverständnis vor, heißt es aus Bad Belzig. Es solle sich kein Träger verpflichtet fühlen, Windeln zu kaufen – er kann, muss das aber nicht machen. Denn das Gesetz schreibt ja nichts vor.

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Ärger über Kitagebühren:

Das in die Jahre gekommene brandenburgische Kita-Gesetz lässt auch bei der Berechnung der Kitagebühren große Spielräume. So wird nach Beschwerden von Eltern derzeit in Potsdam eine neue Kita-Satzung erarbeitet, die für mehr Klarheit sorgen soll. Das Grundproblem: Das Landesgesetz wird von den Kommunen unterschiedlich ausgelegt – etwa bei der Frage, wie hoch der Höchstsatz bei den sozial gestaffelten Gebühren sein kann und welche Kitakosten damit auf die Eltern umgelegt werden können. Durch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts BerlinBrandenburg sind gleich mehrere rechtswidrige Kitasatzungen gekippt worden. Die fälligen Rückzahlungen könnten in Brandenburg leicht einen dreistelligen Millionenbetrag erreichen.

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