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Potsdam-Mittelmark: Keine Angst vor dem Riesen

Der neue Rewe-Markt im Blütenviertel hat sich etabliert – und trotz der Konkurrenz wollen Caputher Einzelhändler weitermachen

Von Eva Schmid

Schwielowsee - Sie sagt es ungern, aber es brennt ihr unter den Nägeln: „Wenn es so weitergeht, muss ich im Januar zumachen“, sagt Marianne Bossog. Sie betreibt seit Jahrzehnten einen kleinen Blumenladen in der Straße der Einheit in Caputh. Nein, es ist nicht die Konkurrenz des neuen Supermarktes, der das drohende Ende bedeute. Im Gegenteil: „Der Laden läuft gut, ich brauche dringend Personal.“ Auch das Geschäft neben dem Blumenladen, ein Bioladen, wird derzeit umgebaut. Der Verkaufsraum soll vergrößert werden, das Sortiment wachsen. Die Angst vieler Einzelhändler vor dem Supermarktriesen in der Caputher Mitte hat sich bisher als unberechtigt erwiesen.

Vor rund vier Monaten hat der Rewe-Markt im Blütenviertel eröffnet. Der Werderaner Inhaber David Pohle bietet auf 1850 Quadratmetern rund 16 000 Artikel an. Pohle hat das, was andere in Caputh auch haben: Blumen, Biolebensmittel, ein großes Brotsortiment, Fleischwaren – selbst der örtlichen Sparkasse macht er Konkurrenz. Geld kann man, wie in anderen Rewe-Filialen auch, an der Supermarktkasse abheben.

„Das Geschäft läuft gut, ich bin zufrieden“, sagt der 32-jährige Marktleiter. Im Sommer seien viele Touristen der umliegenden Campingplätze vorbeigekommen, der Winter werde ruhiger, sagt Pohl. Dank einer Postleitzahlenerhebung unter seinen Kunden weiß er, dass auch Michendorfer und Wilhelmshorster zu ihm kommen würden – aus Werder hingegen fast niemand.

In Caputh kommt das Riesensortiment gut an: „25 Jahre nach dem Mauerfall wurde es Zeit, dass wir so einen Supermarkt bekommen“, sagt ein Anwohner, der mit dem Rad seine Einkäufe erledigt. Mehrmals die Woche kaufe er im neuen Supermarkt ein. Auch eine Frau aus Potsdam, die mit ihrer Familie erst seit einem Jahr in Caputh lebt, ist froh über den gut ausgestatteten Lebensmittelladen: „Wir Städter sind ein großes Angebot gewohnt und ziemlich verwöhnt.“ Obwohl sie in der Landeshauptstadt arbeite, gehe sie in Caputh einkaufen. Der Rewe sei nah, der Parkplatz groß – das passt alles sehr gut, sagt sie und geht durch die Schiebetür am Supermarkteingang. „Hier ist auch das Personal höflich und hilfsbereit“, sagt eine weitere Caputherin. Auf dem Parkplatz sehe sie bei ihren Einkäufen viele bekannte Gesichter aus dem Ort.

Die Konkurrenz bekommt vor allem der zweite Lebensmittelmarkt, der Edeka in der Friedrich-Ebert-Straße, zu spüren: „Man merkt, dass weniger Kunden kommen“, sagt die Inhaberin des Ladens, Dagmar Opitz. Sie schätzt, dass der Rewe-Markt ihr ein Drittel des Umsatzes weggenommen habe. Ihre Kunden würden sowohl bei ihr als auch im Rewe einkaufen. Dennoch setzt sie weiterhin auf ihre Stammkunden, die Altvorderen Capuths. „Die kennen mich noch von früher.“ Damals war sie in genau der gleichen Situation wie heute – nur dass der Edeka-Markt, den sie jetzt übernommen hat, ihr großer Konkurrent war. Sie wolle noch vier Jahre weitermachen, so lange laufe ihr Mietvertrag noch. Um über die Runden zu kommen, muss Opitz sparen: „An Personal und bei den Ladenöffnungszeiten kürzen wir.“

Dass ein großer Vollsortimenter auf Dauer die kleinen Läden im Ort verdrängen wird, bestreitet Christine Minkley vom Handelsverband Berlin-Brandenburg. „Es ist sicherlich sehr schwer für die kleinen Einzelhändler, jeder ihrer Fehler wird durch die Konkurrenz richtig bestraft.“ Große Supermärkte könnten dank Technik genau nachvollziehen, welche Waren verkauft wurden. „So können Ladenhüter oder Lebensmittel mit Mindesthaltbarkeitsdatum vorausschauender abverkauft werden“, sagt Minkley. Den kleinen Einzelhändlern gibt sie den Tipp, auf individuelle Leistungen zu setzen, ein spezielles Sortiment zu bieten und die Konkurrenz zu beobachten.

Genau das machen die zwei Ladenbesitzerinnen gegenüber der Caputher Albert-Einstein-Grundschule auch: „Das Einkaufserlebnis in einem kleinen Laden ist ein ganz anderes“, sagt die Besitzerin des Bio-Jam-Ladens Cornelia Steger. Im Rewe-Markt müssten Kunden, die vorwiegend zu Bio-Lebensmitteln greifen würden, lange suchen, in ihrem Laden sei das nicht der Fall. „Außerdem habe ich Produkte von kleinen Produzenten und nicht von großen Konzernen.“ Im Sommer hatte sie kurz überlegt, ob sie den Laden aufgeben solle. Dann hat sie sich für einen Neustart im umgebauten Laden entschieden. Der Hausbesitzer lasse derzeit das Gebäude renovieren, sie hofft, im November wieder zu eröffnen.

Im Blumenladen nebenan laufen derweil die Bestellungen ein. Erst kürzlich habe ein zweiter Blumenladen im Ort zugemacht. „Das kommt uns zugute“, sagt Marianne Bossog. Ihre Kunden könne sie nur mit Qualität und ihrem Fachwissen überzeugen. „Die haben sich bei mir über den Rewe und seine halb vertrockneten Rosenstöcke, die er verkauft, beschwert.“ Auch viele der Blumensträuße würden im Rewe so lange stehen, dass die Blüten beim Kauf halb verblüht seien. Zusammen mit der Bioladenbesitzerin will Bossog weitermachen – zwei kleine Läden würden mehr Kunden anziehen.

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