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Es grünt. Die Bäume auf der Brandfläche bei Fichtenwalde überleben.

© Andreas Klaer

Kein "Karate-Forst"-Einsatz 2020: Die Natur hat das Schädlingsproblem selbst geregelt

In Brandenburgs Wäldern wird 2020 kein „Karate Forst“ versprüht. Wie sieht der Wald ein Jahr nach dem Einsatz aus? Es gibt (kleine) Unterschiede zwischen besprühten und nicht besprühten Bäumen.

Von Enrico Bellin

Beelitz/Treuenbrietzen - Die Aufregung war groß im vergangenen Jahr: Tausende Hektar Wald bei Fichtenwalde und Borkwalde sollten mit dem Gift „Karate Forst“ besprüht werden, um einen Kahlfraß durch die Raupen des Nonnen-Schmetterlings zu verhindern. Der Einsatz wurde erst gerichtlich gestoppt, als schon 7500 Hektar Fläche besprüht wurden. Doch wie hat sich der Wald seither entwickelt? Welche Schäden gab es wirklich im nicht behandelten Wald?

Im April-Amtsblatt hatte der Landesforstbetrieb nun verkündet, 700 Hektar Wald in der Mittelmark mit „Karate Forst“ zu behandeln, was Naturschützer und Initiativen bereits in Aufregung versetzt hat, da das Gift alle Insekten abtötet, nicht nur die Schädlinge. Kurz vor Ostern aber hatte das Umweltministerium in Potsdam dann bekanntgegeben, dass dies doch nicht nötig sei. Im Winter habe sich noch eine große Population der Kiefernspinne, einer ebenfalls Kiefernnadeln fressenden Raupenart, gezeigt, die jetzt aber deutlich zurückgegangen sei, so dass der Einsatz des Giftes nicht genehmigt werde.

Gegen diesen möglichen Einsatz hatte der Naturschutzbund Nabu Brandenburg bereits seinen Anwalt eingeschaltet, wie der Vorsitzende Friedhelm Schmitz- Jersch den PNN sagt. 2019 hatte der Nabu erfolgreich geklagt. Der Einsatz im vergangenen Jahr habe wenig gebracht, sagt Schmitz-Jersch: Statt vom Landesbetrieb Forst angekündigten 90 Prozent Nadelverlust in nicht besprühten Wäldern habe es nur zehn bis 30 Prozent gegeben. „Jetzt sieht man keinen Unterschied mehr zwischen besprühten und nicht besprühten Flächen“, so der Nabu-Landeschef.

Deutlich grüner

Das sieht das Umweltministerium des Landes ganz anders: „In den Bereichen, wo gegen die Nonne Pflanzenschutzmaßnahmen stattgefunden haben, sind die Kiefernwälder deutlich grüner“, so Ministeriumssprecherin Frauke Zelt. Im nicht behandelten Bereich hätte es im Sommer 2019 größere Schäden gegeben, die Bäume hätten sich aber teilweise regenerieren können.

Der Beelitzer Stadtförster Martin Schmitt bestätigt die Unterschiede zwischen mit „Karate Forst“ behandelten und unbehandelten Wäldern: Nicht behandelte Bäume hätten derzeit höchstens halb so viele Nadeln wie behandelte. Es sei zwar „nicht förderlich“ gewesen, dass die Landesforst einen Kahlschlag prophezeit hat, der dann nicht eingetreten ist. Doch habe man schlicht Glück gehabt: Durch den warmen Sommer seien die Raupen der Nonne abgestorben. „Es war eine fantastische Entwicklung, die Natur hat das Problem selbst geregelt“, sagt Schmitt den PNN. Auch andere Schädlinge wie der Kiefernspinner hätten die Temperaturen zumindest in den Wäldern um Beelitz nicht überlebt. Wie die Bäume die Trockenheit überstanden haben, lässt sich indes noch nicht abschließend sagen. Dafür müsse man noch zwei Monate abwarten.

Karl Tempel, der 80 Hektar Wald rund um Beelitz besitzt, hält seine Bäume derzeit für „absolut vital“. Die Möglichkeit einer erneuten Sprühaktion in mittelmärkischen Kiefernwäldern, die der Landesbetrieb Forst für die nächsten Jahre weiter prüfen will, hält er für grundfalsch. „Mit einem Gifteinsatz sollen nur die waldbaulichen Fehler der Vergangenheit korrigiert werden, stattdessen müssten Laubbäume gepflanzt werden.“ Er selbst habe rund 30 Prozent seines Waldes schon zu Mischwald umgewandelt, zuletzt wurden im Winter auf drei Hektar Fläche Laubbäume gepflanzt. 20 Baumarten würden jetzt auf seinen Flächen wachsen – eine Vielzahl, die Schädlingen das Vermehren deutlich erschwere, da diese meist auf eine Baumart spezialisiert sind.

Traubeneichen, Buchen, Robinien und Eschen

Günstig sei das nicht. Für drei Hektar Waldumbau müsse man als privater Waldbesitzer etwa 10.000 Euro ausgeben, in der Hoffnung, 80 Prozent davon vom Land erstattet zu bekommen. Aufgrund hoher Auflagen – etwa der, jeden neuen Laubbaum mit einem Bambusstab zu kennzeichnen – klappe das nicht immer. „Und trotz der Kosten muss man für Mischwald, der erst nach Jahrzehnten Ertrag einbringt, die gleichen Abgaben zahlen wie für Kiefernmonokulturen, die natürlich schneller wachsen“, so Tempel. Er sieht die Politik gefordert, hier zu handeln.

60.000 Bäume hat seit Februar auch Martin Schmitt in den Wäldern um Beelitz gepflanzt. Vornehmlich Traubeneichen, aber auch Buchen, Robinien oder Eschen. Die Chancen, dass die Bäume tatsächlich anwachsen, stünden nicht schlecht. Zwar ist der Unterboden trocken, die obere Erdschicht, in der die jungen Bäume wurzeln, war aber besonders zur Pflanzzeit feucht.

Maßnahmen gegen Waldbrand

Gute Chancen sieht Schmitt auch für die Fläche an der A9 bei Fichtenwalde, auf der 2018 der Waldbrand wütete. Wie berichtet hatte Schmitt dort auf 35 Hektar Fläche Kiefern gepflanzt, durch die Auflockerung des Bodens dafür sind auch viele Birken, Pappeln und Robinien gewachsen, deren Samen noch im Boden waren. Zwar hätten nur etwa 30 Prozent der Kiefern den Winter überstanden. Bei den Laubbäumen sehe das aber anders aus, da sie ihre Wurzeln vor Ort ausgebildet haben. Wie viele überlebt haben, könne er in einigen Wochen abschätzen.

Um Brände einzudämmen, sind wie berichtet im Vorjahr fünf Löschbrunnen im Beelitzer Revier angelegt worden. Für fünf andere laufen Schmitt zufolge derzeit die Anträge. Auch die Waldwege seien geglättet worden, so dass Feuerwehren darauf fahren können. 

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