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Potsdam-Mittelmark: Kaum Chancen für mehr Pektin

Planungsrechtsexperte glaubt nicht, dass Werkserweiterung durchkommt / Selbst Bürgermeister skeptisch

Werder (Havel) - Hat die Erweiterung des Pektinwerks von „Herbstreith & Fox“ in Kemnitz eine Chance? Der Planungsrechtsexperte Thomas Lilienthal geht davon aus, dass das laufende Bebauungsplanverfahren für eine neue Obst-Tresteranlage und ein Geothermie-Kraftwerk von den Genehmigungsbehörden des Landes „nicht unbeanstandet“ bleiben wird. Lilienthal war selbst zehn Jahre lang Referent für Planungsrecht im Bauministerium, hat heute ein eigenes Planungs- und Beratungsbüro und hält Vorträge. „Nach den Maßstäben des Baugesetzbuches muss sich Herbstreith & Fox bewegen, wenn die Firma eine Werkserweiterung durchsetzen will“, so Lilienthal, der dabei besonders auf die Mindestabstände zwischen der benachbarten Kolonie Zern und den neuen Industrieflächen verweist.

In der Kolonie Zern sieht man die geplante Verdichtung des Werksgeländes skeptisch – und verweist auf freie Waldflächen dahinter. Mit den aktuell gewordenen Plänen sind die Bewohner zudem auch noch auf Änderungen im Werderaner Flächennutzungsplan gestoßen, der schon vor anderthalb Jahren wirksam wurde (PNN berichteten). Die im alten Flächennutzungsplan noch als Fläche für Wochenend-, Wohnhäuser und Erholung ausgewiesene Kolonie Zern wurde zu Grünfläche und Wald „herabgezont“, für die Gebäude gilt nur noch ein Bestandsschutz. Dafür wurde das Pektinwerk zum Industriegebiet erklärt. Dies sollte, so mutmaßen viele Kolonisten, womöglich den Weg zur Werkserweiterung ebnen.

Dem bestehenden Konflikt zwischen Industrie und Wohnen ist die Darstellung im Flächennutzungsplan jedenfalls nicht gerecht geworden, schreibt Thomas Lilienthal in einem Kurzgutachten, das er für den Kemnitzer Ortsbeirat erstellt hat. Zudem sei in den Unterlagen nicht nachvollziehbar, wieso eine Siedlung zur Grünfläche wird. Die Stadtverwaltung sei verpflichtet gewesen, „den Nutzungskonflikt aufzuzeigen und darzulegen, welche Konsequenzen hieraus entstehen“, wie es im Gutachten heißt. Das dies nicht passierte, könnte der Stadt im B-Planverfahren auf die Füße fallen.

Währenddessen hat Bürgermeister Werner Große (CDU) die damaligen Änderungen verteidigt: Zuvor sei das Pektinwerk im Flächennutzungsplan größtenteils ein „weißer Fleck“ gewesen. „Die Gemeinde Kemnitz hat einfach negiert, dass dort ein Industriegebiet besteht.“ Es habe auch kein Spielraum bestanden, um nach der Eingemeindung von Kemnitz den Siedlungsstatus der Kolonie Zern zu erhalten. „Das Umweltministerium hätte dann verlangt, einen 50 Meter breiten Uferstreifen zurückzubauen. Wir wollten die Leute nicht vertreiben.“ Mit dem Bestandsschutz könne alles bleiben wie es ist.

Laut Große biete das Bebauungsplanverfahren die Möglichkeit, bestehende Konflikte anzugehen. Auch er sieht die Gefahr, dass die Werkserweiterung beim Land nicht durchkommt. „Vielleicht sagt das Landesumweltamt, dass alles bleibt wie es ist.“ Um „den industriellen Kern“ in Werder zu entwickeln, sei man jedoch auf das Pektinwerk angewiesen, so Große in der jüngsten Hauptausschusssitzung, zu der rund 40 Kemnitzer erschienen waren. Die Billigung des Bebauungsplan-Vorentwurfs steht heute auf der Tagesordnung des Stadtparlaments (18.30 Uhr, Schützenhaus). Große hat dazu eine ausführliche Stellungnahme angekündigt.

Schon 2009 wurden 1,8 Millionen Euro in die „Erweiterung der Produktionskapazitäten“ in Werder investiert, wie es im jüngsten Jahresabschluss von Herbstreith & Fox heißt. Demnach sind 120 Mitarbeiter am Standort Werder beschäftigt, wo Pektin, Fruchtextrakte und Alkohol hergestellt werden. Der Umsatz lag 2009 bei 22,1 Millionen Euro, der Gewinn bei 1,2 Millionen.

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