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Kai klagte lange über Bauchschmerzen, erst spät wurde das Nierenversagen festgestellt. 

© Andreas Klaer

Kais Nieren versagen: Sechsjähriger Junge aus Werder braucht Spenderniere

Seit einem Dreivierteljahr beherrschen Arztbesuche mit dem sechsjährigen Sohn das Leben einer Werderaner Familie. Helfen kann nur ein Spenderorgan.

Werder (Havel) - Kai hat Eidechsen gefangen. Zwei Stück. In einer Messingschale trägt der braungebrannte Sechsjährige sie durch sein Werderaner Zuhause. Manchmal kleben sie plötzlich an seinem T-Shirt. Er ist schüchtern und fröhlich, liebevoll und laut, mit den Eidechsen wie dem kleinen Bruder. „Vorsicht“, mahnt Kais Mutter, Nadine Herzsprung. Seit einem Dreivierteljahr beherrscht dieses Wort ihr Leben.

Dialyse und Arztbesuche statt Kindergartenalltag

In der Nacht auf den 17. November 2018 wurde bei Kai Nierenversagen festgestellt. Damit änderte sich alles: Im Zentrum der vierköpfigen Familie stehen nun nicht mehr Kindergarten, Gemüsebeete und der Ausbau des Dachbodens, sondern Dialyse, Trinkverbote, Arztbesuche. Und die Hoffnung auf ein Spenderorgan.

Die in Geltow stationierte Berufssoldatin ist ebenso durchtrainiert wie beherrscht; schwer vorstellbar, dass sie jemals in Panik gerät. 

Mutter Nadine Herzsprung, der Alltag der Familie hat sich seit der Diagnose radikal verändert.
Mutter Nadine Herzsprung, der Alltag der Familie hat sich seit der Diagnose radikal verändert.

© Andreas Klaer

Aber als Kai an jenem Freitagabend im Herbst 2018 auf ihren Schoß krabbelte und sagte, er habe Bauchschmerzen, sei müde und wolle schlafen, war das für die Mutter ein Alarmsignal. Da klagte er schon seit Monaten über Bauchschmerzen, ohne dass die Ärzte herausfanden, warum. Sie überließ dem Vater das einjährige Baby und fuhr mit Kai in die Notaufnahme des Bergmann-Klinikums nach Potsdam. Mit Blaulicht ging es von dort aus in die Berliner Charité. Alle fürchteten um Kais Leben. Die Harnstoffkonzentration in seinem Blut war hundert Mal höher als normal, seine Nieren mit dreieinhalb Zentimetern nur noch halb so groß wie die seines jetzt anderthalbjährigen Bruders. „Die Ärztin hatte solche Werte noch nie gesehen“, sagt die Mutter. Sie legten Kai einen Not-Zugang zur Blutwäsche in den Hals. Eine Woche lang blieb er auf der Intensiv-Station. 

Vater ließ sich aus Solidarität mit Kind Glatze schneiden

Kai krampfte infolge der Vergiftung – Beine, Arme, Körper, selbst das Gesicht. Die Ärzte spritzen Calcium dagegen, in den Fuß; diese Stelle sollte sich später so heftig entzünden, dass sie ausgeschabt werden musste. Mit einer Hauttransplantation vom Kopf überdeckten die Ärzte die Wunde. Aus Solidarität mit seinem Sohn ließ sich damals auch der Vater eine Glatze schneiden.

In einer weiteren Operation bekam Kai einen Dialyse-Zugang gelegt, ins Bauchfell. Seither trägt er einen wenige Zentimeter langen Schlauch über dem Bauchnabel. Jetzt ist er eingewachsen. Kai zeigt ihn nicht gerne, lieber trägt er die Eidechsen. Drei weitere Wochen brauchten die Ärzte, um den Jungen auf seine Medikamente einzustellen. Kai verbringt seine Nächte seither an einer Maschine, die mit Ständer und Beuteln fast einen Kubikmeter im Schlafzimmer einnimmt.

Woher kommt Kais Nierenversagen?

„Man weiß nicht, woher das Nierenversagen kommt“, sagt die Mutter. Sie, Kais Vater und der kleine Bruder sind gesund. Sicher ist, dass bis auf jene Ärzte in der Notaufnahme alle anderen Konsultierten die Warnsignale übersehen hatten: Das vom Wasser aufgeschwemmte Gesicht, die verhärteten Waden, die Ergebnisse des Blut- und Urintests, selbst die Organspiegelung per Ultraschall. „Ich hätte so etwas nicht für möglich gehalten“, sagt Nadine Herzsprung. Nun muss sie spätestens um sieben Uhr morgens Fenster und Türen schließen, zum Schutz vor Keimen. Mundschutz aufsetzen, Hände desinfizieren, ebenso Kais Bauch. Blutdruck messen. Kai von der Maschine abklemmen, die Schläuche keimfrei versiegeln. Über Nacht bekommt er acht Mal 700 Milliliter Glukoselösung. Sie bindet Harnstoff und Wasser. Fast 12 Stunden hängt Kai an der Maschine; pünktlich um 19 Uhr muss das beginnen, sonst kommen er und sein Bruder zu spät zur Kita. 

Nachts an die Maschine "gefesselt"

Einmal angeschlossen, kann Kai nur noch so weit vom Bett weg, wie der Schlauch reicht; vielleicht drei Meter. Bis zur Couch etwa, zum Fernsehen. Aber nicht in Küche, Bad, Garten. Nie. Wenn der Schlauch geknickt wird in der Nacht, jault die Maschine auf: „Dann muss ihn jemand entknoten“, sagt die Mutter. Drei bis sechs Mal, jede Nacht. Meist übernimmt das der Vater, der jetzt wieder in Vollzeit als Berufssoldat arbeitet, während die Mutter den anderthalbjährigen Mattis übernimmt.

Vor Kais Frühstück gibt’s Tabletten; weitere Medikamente bekommt er mit in die Kita, dazu hochkalorienhaltige Astronautenkost, weil er keinen Appetit mehr hat. Und seine Flasche mit 300 Milliliter Inhalt. Mehr als 800 Milliliter darf Kai nicht trinken am Tag, seine geliebten Gurken oder Joghurt müsste die Mutter herausrechnen. Sie wiegt Kai vor dem Frühstück und nach dem Abendessen, protokolliert die Ergebnisse. Die Narbe am Fuß braucht noch Pflege. Die Familie hätte das Recht auf eine Hilfe. „Aber wie soll ich die hier noch mit unterbringen?“ fragt die Mutter. Manchmal kommt eine Ehrenamtliche vom Verein Kinderhilfe vorbei, um der Familie beizuspringen.

Ein Stück leben für Kai opfern

Bessern würde sich Kais Lage nur mit einem Spenderorgan, denn die Bauchfelldialyse ist eine Lösung auf Zeit: Wenn das Gewebe vernarbt, muss Kai ein anderer Zugang gelegt werden. Dann könnte die Dialyse nur noch in der Charité stattfinden. Die Familie hat sich schon testen lassen, doch von ihnen kommt niemand in als Spender Frage. Jetzt hoffen sie auf Hilfe von außen: Jemanden, der - oder die - bereit ist, ein Stück seines Lebens für Kai zu geben. Seit einigen Monaten steht Kai auch auf der Liste für den Empfang eines Spenderorgans. Doch die durchschnittliche Wartezeit beträgt sechs Jahre. Dann wäre er zwölf - wenn alles gutgeht.

Wer der Familie helfen möchte, kann sich an den Vereins Kinderhilfe unter Tel.: 0151/23055507 oder Mail an katrin.luebbe@kinderhilfe-ev.de wenden.

Stefanie Schuster

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