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Update

Käferland in Teltow: Giftiges Naphtalin: Kita muss abgerissen werden

Die Ursache für das Gift in den Räumen ist gefunden: Das neue Gutachten zeigt einen enormen Schaden. Entdeckt wurde das Naphtalin durch Zufall.

Von Eva Schmid

Teltow - Das wahre Ausmaß des Schadens wird jetzt erst bekannt: In der Teltower Kita „Käferland“ sind sehr hohe Gehalte von Naphthalin und Naphthalin ähnlichen Verbindungen gefunden worden. Der Schadstoff, der im Verdacht steht, Krebs zu erregen, wurde im Fußboden, in den Wänden und in der Decke der Kita nachgewiesen. Das hat ein jetzt veröffentlichtes Gutachten zur Bausubstanz des Stahnsdorfer Toxikologen Rainer Macholz ergeben. Jetzt soll die Kita womöglich abgerissen werden.

Das Gift wurde wie berichtet bereits im Februar entdeckt – per Zufall. Eine Mitarbeiterin des Teltower Kitaeigenbetriebs, die selten in der Kita „Käferland“ ist, hatte einen üblen Geruch im sogenannten Kinderrestaurant wahrgenommen. Eine erste Raumluftuntersuchung ergab, dass es sich möglicherweise um den Schadstoff Naphthalin handeln könnte. Die Stadtverwaltung holte einen Experten dazu, Macholz begann Proben zu entnehmen und zu analysieren. Im April kam dann das Ergebnis: Es handelte sich tatsächlich um den Giftstoff. Der erlaubte Grenzwert von 30 Mikrogramm wurde um fast das doppelte überschritten. Die Kita wurde sofort geschlossen, die 65 Kinder werden seither im Anne-Frank-Hort betreut.

Es sollen Probebohrungen durchgeführt werden

Jetzt steht die Ursache für das Gift fest: Der giftige Stoff tritt wie bereits vermutet aus Teerprodukten, die als Pappe oder Anstrich in den Wänden und Böden verarbeitet worden sind, aus. Mit dem Teer sollte das Eindringen von Feuchtigkeit verhindert werden. Laut Macholz wurden die Stoffe zum Teil noch bis in die 80er-Jahre verbaut, erst danach habe sich das Bewusstsein dafür entwickelt, dass darin auch gesundheitsschädliche Stoffe sind. Früher war Naphthalin zum Beispiel auch eines der Hauptbestandteile von Mottenkugeln.

Um Gewissheit zu haben, ließ der Toxikologe Macholz in der Teltower Kita Probebohrungen in den Wänden, im Boden und der Decke durchführen. Er entnahm 102 Proben, zum Teil wurden auch die Fasern aus der Bausubstanz untersucht. In 13 von 17 chemischen Analysen fand sich der Schadstoff. „Das erklärt auch die Schadstoffbelastung in den einzelnen Räumen“, so Macholz am Mittwoch. Betroffen sind der Anbau des Küchentrakts, Kellerräume und Sanitärräume im Erdgeschoss.

Hinweise auf ein Krebsrisiko gibt es bislang nicht

Der Stoff kann beim Einatmen zur Reizung der Nasenschleimhäute führen. Im Tierversuch verursacht Naphthalin laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung insbesondere Entzündungen in den Atemwegen.

Wurden die Tiere öfters Naphthalin ausgesetzt, so soll es bei niedrigen Konzentrationen zu lokalen Entzündungen und Schädigungen des oberen Atemtraktes gekommen sein. Als Folge der chronischen Entzündung kann es zur Entstehung von Tumoren kommen, so das Bundesinstitut für Risikoforschung. Jedoch gebe es bisher keine belastbaren Hinweise, dass das Gift beim Einatmen durch den Menschen eine mögliche krebserzeugende Wirkung habe. Daher werde der Stoff gemäß EU-Verordnung als „vermutlich“ Krebs erzeugend eingestuft, so das Bundesinstitut auf seiner Webseite.

Wie lange und intensiv Kinder und Erzieher der Teltower Kita dem Giftstoff ausgesetzt waren, könne nicht ermittelt werden, sagte Macholz auf Nachfrage. Die giftigen Dämpfe würden sich seit dem Tag des Einbaus ausbreiten – wie schnell sie jedoch durch Wände, Böden und Decken kriechen, sei schwer zu sagen. Macholz rät Betroffenen, nicht in Panik zu geraten. Zwar könne man in speziellen Laboren testen lassen, ob der Giftstoff im Körper zu finden ist. Doch die Aussagekraft des Ergebnisses sei schwierig, da man nicht zuordnen könne, woher das Naphthalin komme. Laut Macholz könnte es auch vom Rauchen oder Passivrauchen kommen oder „vielleicht sogar aus der eigenen Wohnung“. Denn Teerstoffe wurden lange Zeit, sowohl im Osten und Westen des Landes in Baumaterialien verarbeitet.

Statt Sanierung ist jetzt ein Abriss vorgesehen

Für Teltower Eltern und Mitarbeiter des Kitaeigenbetriebs gibt es immerhin eine gute Nachricht: Der Giftstoff wurde bisher nur in der Kita „Käferland“ nachgewiesen, die Stadt hatte wie berichtet zwei Einrichtungen, die Kita „Schatzkiste“ und der Hort der Anne-Frank-Schule vorsorglich untersuchen lassen, da die beiden Gebäude etwa zu der selben Zeit wie die Giftkita gebaut wurden. In den zwei Einrichtungen wurde nichts gefunden.

Da das Ausmaß des Schadens in der Kita „Käferland“ besonders groß ist, will die Verwaltung den Stadtverordneten einen Abriss und Neubau an gleicher Stelle vorschlagen. Ursprünglich sollte die Kita saniert werden. Wie viel die Stadt für das Vorhaben investieren müsste, konnte Stadtsprecher Jürgen Stich am Mittwoch noch nicht abschätzen. Klar sei aber, dass ein Neubau größer gebaut werde, Stich sprach von 90 bis 95 Plätzen. Er betonte, dass mit einem Neubau der Standort „qualitativ enorm aufgewertet“ werden würde. Das Stadtparlament wird vermutlich erst im November über das Vorhaben entscheiden.

Die Kinder und Eltern der betroffenen Einrichtungen müssen sich wohl noch mehrere Jahre gedulden: „Wir wissen, dass dies für alle Seiten eine Herausforderung ist, sind aber davon überzeugt, dass wir sie gemeinsam schultern werden“, so die Chefin des Kitaeigenbetriebs Solveig Haller. Derzeit sind die ersten und zweiten Klassen des Hortes im sogenannten Flachbau, der Platz für 100 Kinder hat. In der Anne-Frank-Schule selbst kommen die Hortkinder ab der 3. Klasse unter. Dort kann am Nachmittag auch die Mensa mitgenutzt werden, so Haller. Auch im „Legohaus“ sei trotz der Belegung mit den Kita-Kindern noch Platz für Hortkinder.

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