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Jugendkultur in der DDR: Von Bomberjacken und Frisuren

Es gab die Blueser, die Waver, die Punks und die Popper: Die beiden Autoren André Kubiczek und Alexander Kühne sprachen in Kleinmachnow über Jugendkultur in der DDR.

Von Helena Davenport

Kleinmachnow - Wer als Teenager zu DDR-Zeiten das wollte, was eigentlich alle Teenager wollen – sich abgrenzen, besonders sein, sich finden – der musste mutig sein. Es gab die Blueser, die Waver, die Punks und die Popper. Und ganz viele dazwischen. Unterscheidungsmerkmal war insbesondere die Frisur. Die einen hatten lange Haare, andere abrasierte oder schwarz gefärbte. Ein weiteres Merkmal: „Die Waver, die hatten die besten Mädchen“, sagte der Autor André Kubiczek am Dienstagabend im Kleinmachnower Bürgersaal vor lachenden Schülern der Maxim-Gorki-Gesamtschule. Und deswegen sei auch er selbst Waver gewesen.

„Pop-Rebellion im Nirgendwo“ lautete der Titel der Veranstaltung zu alternativen Jugendkulturen in der DDR. Die Schüler aus den Klassen zehn bis 13 konnten mittels Laserpointern zwischen verschiedenen Filmausschnitten wählen. Die Mehrheit entschied. Zu den jeweiligen Themenbereichen lieferten die Autoren Alexander Kühne – in den 80ern Popper – und André Kubiczek eigene Erfahrungsberichte. Moderiert wurde die Show von Tobias Hülswitt, ebenfalls Autor, allerdings gebürtiger Wessi. Initiator der Reihe, die bereits in Berlin, Leipzig und Magdeburg gastierte und von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur gefördert wird, ist Regisseur Gunther Kreis.

„Das ist doch der beste Geschichtsunterricht, wenn jemand von eigenen Erfahrungen spricht.“

„Das Thema ist sehr wichtig, weil die Jugend die gesellschaftliche Aufgabe hat, zu rebellieren“, betonte Ulrike Hennicke, Studienrätin der Gesamtschule für das Fach Geschichte. Das Aufbegehren sei wichtig für den eigenen Abnabelungsprozess während der Identitätsfindung. Hennicke kennt Kühne aus ihrer eigenen Jugendzeit. Für die Lehrerin ist das „Extrem“, das Kühne getarnt als FDJ-Jugendclub im Brandenburger Örtchen Lugau gründete, auch Teil der eigenen Geschichte. In seinem Buch „Düsterbusch City Lights“ beschreibt Kühne, wie der Club ab 1985 sogar Punks aus Berlin anzog. Sandow, The Art oder Feeling B traten hier auf. Auch um Geschichte greifbarer zu machen, hat Hennicke die Show zu ihren Schülern nach Kleinmachnow geholt: „Das ist doch der beste Geschichtsunterricht, wenn jemand von eigenen Erfahrungen spricht.“

Der erste von den Schülern ausgewählte Themenbereich trug den Titel „Scheiß Staat“. Ganz unterschiedliche Ausgangspositionen wurden vorgestellt. Eine Protagonistin kommt aus einem spießigen Elternhaus, in dem man überzeugt ist, besser zu sein, und Ostfernsehen, das ja alle gucken, strikt ablehnt. Der Vater einer anderen Protagonistin ist Kabarettist, der gern Grenzen austestet, aber nicht generell gegen den Sozialismus ist, sondern eher gegen die Humorlosigkeit in der DDR. Kühne berichtete hierzu von seiner Mutter, die überzeugte Sozialistin war. Und Hennicke erzählte, wie ihre Mutter ihr eine „Eins-a-Bomberjacke“ aus Scheuerlappen nähte.

Geschichte erlebt eben jeder anders und sie ist niemals schwarz-weiß.

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