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Ausgetanzt? Die Künstlerin Frau Schmidt-Theilig (links) und die Musikerin Silva Finger wollen den alten Bäkesaal auf dem Teltomatgelände in der Ruhlsdorfer Straße vor dem Abriss retten. In dem 300 Quadratmeter großen Saal und dem Bunker im Keller könnten Jugendliche ungestört feiern, finden sie.

© Andreas Klaer

Jugend demonstriert für legale Parties: Feiern wie früher

Technopartys im Teltower Bäkesaal? Zwei Künstlerinnen sind dafür. Die Politik sieht das skeptisch

Von Eva Schmid

Teltow - Es riecht leicht muffig, bunte Deckenleuchten strahlen einem entgegen, an der Decke braune Wandkacheln. Der Charme der 70er-Jahre weht einem entgegen, wenn man den Bäkesaal, den alten Veranstaltungssaal auf dem Teltomatgelände in Teltow betritt. Hier wurde früher viel gefeiert, neben dem Saal eine ausladende Terrasse. Jugendweihen, Hochzeiten, Rentnernachmittag fanden hier statt. Der Bäketaler Karnevalsverein schunkelte alljährlich in dem Festsaal, in den Neunzigern gab es legendäre Discoabende. Jetzt droht der Abriss. „Dabei ist es ein Ort, der sich gerade für Jugendliche super zum Feiern anbieten würde“, sagt Silva Finger, die Mieterin des Saals.

Versteckt und umzingelt von Baugeräten, Lagerhallen und Bürogebäuden liegt die einstige Werkskantine auf dem Gelände an der Ruhlsdorfer Straße, das der Papenburg AG gehört. Finger hat den rund 300 Quadratmeter großen Saal temporär gemietet, ihr Mietvertrag läuft aus, zum Ende des Monats muss sie raus. Was dann mit dem alten DDR-Saal passiert, ist ungewiss. Von Papenburgs zuständigem Immobilienverwalter war zunächst nichts Genaueres zu erfahren. Wann und ob abgerissen wird, sei derzeit noch unklar, sagt Mario Werner den PNN.

Zwei alte Lautsprecher an der Terrasse zeugen davon, wie die Mitarbeiter des VEB Teltomats, das Baumaschinen fertigte, über das gesamte Werksgelände an der Ruhlsdorferstraße zu Tisch gerufen wurden. Abends und am Wochenende wurde der Speisesaaal für Kulturveranstaltungen jeder Art genutzt. „Ich habe hier als Kind so oft Geige gespielt“, sagt die Musikerin Silva Finger. Als temporäre Mieterin nutzte sie den Saal zum Üben, für kleinere Feste, als Lagerraum für befreundete Künstler. Eine von ihnen ist die Stahnsdorferin Frauke Schmidt-Theilig. Auch sie will wie Silva Finger den Saal erhalten, daraus mehr machen und appelliert an die Teltower Politik und Verwaltung. „Auch die Jugend braucht einen Hafen“, sagt sie mit Blick auf Teltows derzeit größtes Bauprojekt. Warum werde dafür so viel Geld ausgebeben – für die Jugend, die in der Region nach einem Raum zum Feiern suche, aber nicht, fragt sich Schmidt-Theilig.

Die beiden Frauen laufen durch den Festsaal. Als Antwort auf die Frage, ob laute Technopartys nicht die Anwohner stören könnten, schütteln sie den Kopf. Die müssten weit genug weg sein, „zudem könnte auch der 400 Quadratmeter große Luftschutzbunker im Keller genutzt werden“, schlägt Schmidt-Theilig vor. Viele kleine verschachtelte Räume befinden sich unter dem Festsaal, unzählige Aktenordner liegen darin. Würde man das Chaos beseitigen, die Räume herrichten, könnten sie auch gut als Bandprobenräume dienen, schlägt Schmidt-Theilig vor. Man merkt ihr an, dass sie den vielen Platz am Rande von Teltow nicht ungenutzt lassen möchte. Vor allem nicht in einem Moment, in dem es in allen drei Kommunen durch den regen Zuzug immer mehr an Freiraum mangelt.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Der Saal wird seit über mehr als zehn Jahren nicht mehr genutzt. Der Grund: Vor Jahren hatte die untere Bauaufsicht des Landkreises bauliche Mängel festgestellt. Der Sicherheitsstandard entspräche nicht mehr den Vorschriften, hieß es damals. Die damaligen Mieter, der Bäketaler Karnevalsverein, hätte, um den Saal weiterhin nutzen zu dürfen,  Auflagen in Höhe von einst rund 150 000 Euro erfüllen müssen. Es mangelte vor allem am Brandschutz, sowie an Rettungswegen.

Die Mängel gingen sogar soweit, dass der Saal baupolizeilich gesperrt wurde. Das jedoch war eher eine Verkettung unglücklicher Umstände. Der Karnevalsverein forderte für den Saal Bestandsschutz. Die Behörden sahen das anders. Für sie handelte es sich bei der Nutzung des Vereins, der in dem alten Speisesaal Feste feierte, um eine Umnutzung. Das sei auch der Grund, warum die Vereinsaktivitäten nicht als Altnutzung angesehen werden könnten, so die damalige Begründung. Daher würden auch die neuen Sicherheitsstandards zum Tragen kommen. Womöglich hätte der Kreis bei ein bis zwei Veranstaltungen pro Jahr ein Auge zudrücken können, „aber bei Diskotheken am laufenden Band möchte im Katastrophenfall keiner die Verantwortung übernehmen“, kommentierte Kreissprecherin Andrea Metzler einst die Lage. Auch die Papenburg AG als Besitzer sieht heute noch eine öffentliche Nutzung auf einem privaten Gewerbegelände als schwierig an. Womöglich fürchten sie Müll der Feiernden oder Schäden an ihren Baumaschinen, die auf dem Areal herumstehen.

In der Teltower Verwaltung hingegen verstehe man zwar das Anliegen, den historischen Saal retten zu wollen. „Aber es ist doch sehr fraglich, ob die Stadt da Geld reinstecken sollte, wenn der Bau einer Mehrzweckhalle im Raume steht“, so Stadtsprecher Jürgen Stich. Seit Längerem gibt es Überlegungen, dass die drei Kommunen, Teltow, Stahnsdorf und Kleinmachnow eine gemeinsame Halle errichten könnten. Auch chinesische Investoren hatten bereits signalisiert, in Teltow eine große Halle bauen zu wollen. „Die Planungen für beide Projekte stehen aber noch in den Sternen“, so Stich.

Um das Anliegen der Jugendlichen, den Wunsch nach einem Raum zum Feiern, will sich auch der Teltower Linke Reinhard Frank bemühen. Er sei für alle geeigneten Vorschläge offen, so Frank gegenüber den PNN. Erst jüngst habe er gehört, dass möglicherweise ein ehemaliges Versorgungsgelände der Bundeswehr, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Teltomat- areal, eine Option sein könnte. Frank wolle nun prüfen, was vor Ort möglich sei. Für den Bäkesaal sieht er kaum Chancen.

Die Tanzdemo geht weiter

Um nicht mehr illegale Technopartys in der Region feiern zu müssen, wollen Jugendliche erneut auf die Straße gehen. Die nächste Tanzdemo findet nach Informationen des Demoanmelders, Marco Oede, am 7. Juli von 16 bis 20 Uhr am Gemeindezentrum in Stahnsdorf statt. Demonstriert werden soll für einen Ort, an dem Jugendliche ausgelassen und legal feiern dürfen. Es soll sich dabei vor allem um unkommerzielle Partys handeln, bei denen kein hohes Eintrittsgeld fällig wird. Viele Jugendliche aus der Region beklagen, dass sie, wenn sie feiern gehen wollen, einiges bezahlen müssten. So sei etwa der Clubeintritt in Berlin nicht gerade günstig, eine weitere Schwierigkeit für viele Nachtschwärmer: der Nachhauseweg. Auch Eltern von Jugendlichen aus der Region würden es lieber sehen, dass ihre Kinder vor Ort feiern. Zur ersten Tanzdemo am vergangenen Samstag am Teltower S-Bahnhof kamen rund 100 Teilnehmer. Der Protest stieß auf großes Medieninteresse.

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