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Jubiläum in Beelitz: Im Feiern vereint

Ein kleiner Ort, mitten im Wald, in dem Ost und West aufeinandertreffen: Fichtenwalde. Jetzt wird der Beelitzer Ortsteil 110 Jahre alt.

Von Eva Schmid

Fichtenwalde - Die Wende kam, und mit ihr die Bagger und die Wessis. Bäume wurden geschreddert, Häuser gebaut, es krachte, nicht nur beim Abholzen. Jetzt, gut zwei Jahrzehnte später, ist man sich näher gekommen in Fichtenwalde. Und feiert gemeinsam den 110. Geburtstag der Gemeinde, feiert einen Ort, der geprägt wurde von Siedlern und von Berlinern. Einen Ort, der ohne den Zuzug aus dem Westen in seiner heutigen Form womöglich gar nicht mehr bestehen würde.

Nachdenklich schaut Ortsvorsteher Thilo Köhn aus dem Fenster seiner Blockhütte. Überall Kiefern, es knarzt hier und da. Ansonsten herrscht Ruhe. Köhn gehört zu den Altvorderen im Ort, er kennt Fichtenwalde noch, als es hier kaum etwas gab. Neben ihm sitzt Petra Rimböck. Sie zog 1992 her, da gab es schon recht viel, Rimböck fühlte sich aber dennoch wie die Siedler von einst. Alles war anders als an ihrem bisherigen Wohnort in Zehlendorf. Es gab im Winter vereiste Sandpisten, eine Klingel an der Kita, böse Blicke der Erzieher, wenn man zu spät kam. „Da prallten zwei Kulturen aufeinander“, erinnert sich Rimböck an die damalige Zeit. In Berlin hätten in den 1980er- Jahren die Kinderläden offen gestanden, da wehte ein anderer Wind. Es waren Leute wie Rimböck, die dort, wo die Fichtenwalder einst ihre Pilze sammelten, moderne, teure Häuser bauten. Das führte zunächst zu Widerstand. Köhn versuchte damals zu vermitteln. Aber das war nicht leicht, wenn „zwei Drittel Zugezogene auf ein Drittel Einheimische“ treffen, erzählt er. In einem Jahrzehnt verdreifachte sich die Einwohnerzahl von 900 auf heute 3000 Bewohner.

Die Zeit nach der Wende nennt Köhn die zweite Siedlungswelle. Die erste begann 1908. Da lockten zwei Berliner Unternehmer unter dem Motto „Raus in die Fichten“ erholungssuchende Städter aufs Land. Die ersten Siedler aus Berlin kamen mit dem Zug, in Beelitz-Heilstätten stiegen sie aus, dann ging es zu Fuß weiter. Wenig später eröffnete der erste Kolonialwarenladen. Mitten in der Pampa, auf dem Beelitzer Sander, einem eiszeitlichen Sandhügel. Dort wurde neben Bier allerlei Nützliches angeboten: Mörtel, Ziegel, Schrauben. Das erste Steinhaus wurde 1910 fertiggestellt, 1929 erhielt die Siedlung den Namen Fichtenwalde – obwohl sie nur von Kiefern umgeben ist. 1950 wurde die Gemeinde selbstständig.

Es waren Beamte, Angestellte und die mittlere Arbeiterschicht, die sich dort ansiedelte. Das blieb auch so beim Zuzug nach der Wende. Fichtenwalde gilt als wohlhabender Ort. Anpacken jedoch mussten die Siedler schon immer: „In Fichtenwalde ist man gewohnt, vieles selbst in die Hand zu nehmen.“ In den 1920er-Jahren gab es weder Wasser noch Strom noch eine Busverbindung zum Bahnhof. Die Gründerväter bauten das Telefonnetz aus, bauten eine Schule und eine Kirche.

Der Ort war herausgeputzt, das machte Eindruck. „Es war wie in einer Musterstadt“, erinnert sich Petra Rimböck an ihre ersten Besuche in den 90er-Jahren. Die gute Anbindung über den öffentlichen Nahverkehr wie über die Autobahn nach Berlin sei für viele ein Grund gewesen, rauszuziehen.

Ganz so rosig sieht es Ortsvorsteher Köhn nicht. 17 Jahre lange habe man auf eine neue Sporthalle gewartet, viel Protest hätte es zudem gegeben, als der Ortsbeirat ein neues Ortszentrum plante, ein Neubaugebiet zwischen den zwei Hauptstraßen. Die Belastungsprobe durch den Zuzug sei heute überstanden: „Ohne den Zuzug nach der Wende wäre Fichtenwalde heute so gut wie tot“, sagt Köhn.

Mittlerweile hat der kleine Ort eine ausgebaute Grundschule, eine große Kita, zwei Einkaufszentren – keine schlechte Bilanz, findet Köhn. Er schaut zu Petra Rimböck und lächelt, da sei noch was, was man auch geschafft habe. Etwas von immateriellem Wert: Über die Jahre sei es gelungen, Ost und West zusammenzubekommen. Die Kluft zu überwinden, „unserem Ort eine Identität zu geben“, sagt Köhn. Gelungen sei das durch gemeinsames Feiern. Mittlerweile hat Fichtenwalde ein Festkomitee, deren Sprecherin Petra Rimböck ist.

Gemeinsam feiern, das schweißt zusammen: „Es geht darum, dass sich die Bewohner hier einbringen, dass Fichtenwalde nicht nur einer Schlafstadt gleicht, deren Bewohnern das Gemeindeleben gleichgültig ist“, sagt Rimböck. Es seien auch die Geschichten rund um die Feste, die noch Jahre später die Runde machen – sie seien ein Bindeglied, das die unterschiedlichen Bewohner zusammenhalte.

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