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Potsdam-Mittelmark: Jeder Keks zählt

Wie CDU-Wahlkämpferin Saskia Ludwig beim Besuch im Gymnasium Werder übers Ziel hinausschoss

Werder (Havel) - Es könnte wieder knapp werden bei der Landtagswahl am Sonntag für Saskia Ludwig im Wahlkreis. Die CDU-Kreisvorsitzende ist in den vergangenen Wochen entsprechend omnipräsent: Sie führt Besuchergruppen aus Werder durch den Landtag, pflanzt Lebensbäume für Neugeborene in Golm, ist bei Firmenjubiläen und Dorffesten dabei. Und natürlich bei Podiumsdiskussionen. Am gestrigen Mittwoch am Werderaner Gymnasium unterlief ihr ein Lapsus, der einer erfahrenen Landtagsabgeordneten besser nicht passieren sollte.

Ihr Mitarbeiter Tim Schröder verteilte braune Kekse an die Schüler, darauf die Initialen „SL“ aus Zuckerguss. Die Brownies waren in Folien verpackt, darauf ein Aufkleber: „Ihre Saskia Ludwig / 14.09. / Ihre Stimme zählt.“ Ludwig und Schröder hatten auch noch Wahlkampf-T-Shirts an. Das Problem: Wahlwerbung an Schulen ist verboten. „Das wusste ich nicht“, sagte Ludwig gestern auf Anfrage. Und schickte hinterher: Sie habe die Kekse nicht als Werbung verstanden, sondern als Aufforderung, wählen zu gehen.

„Da steht nichts Politisches drauf, wir haben auch kein Programm verteilt“, betonte sie. Tim Schröder ergänzte, die Kekse seien von einer morgendlichen Straßenaktion übrig gewesen, Schüler hätten danach gefragt, da habe er sie verteilt. „Wenn das Wahlwerbung gewesen wäre, hätte ,Wählen Sie Saskia Ludwig’ draufgestanden.“

Zwar hat das Bildungsministerium im März – unter Protesten von Eltern- und Lehrerverbänden – eine Bestimmung gelockert, wonach Politiker sechs Wochen vor der Wahl überhaupt keine Schulen betreten durften. Oppositionsparteien hatten sich gegenüber den Regierungsparteien im Nachteil gefühlt, weil Minister unter verschiedenen Vorwänden die Sperrfrist ignorierten. Nun dürfen das alle.

In Sachen Wahlwerbung wurden aber keine neuen Spielräume eröffnet, wie der Sprecher des Bildungsministeriums, Stephan Breiding, gestern auf PNN-Anfrage betonte. Schulen seien geschützte Räume. „Sowohl das Tragen eines Wahlwerbe-Shirts als auch die Verteilung von Süßigkeiten mit eindeutigem Bezug zur Person, zur Partei und zum Wahltermin sind unzulässig.“ Die Regelung bestehe auch, um zu verhindern, dass Parteien an Schulen ein „Wettrüsten inszenieren“.

Das hätte sich im Ernst-Haeckel-Gymnasium wohl gelohnt, zumal es die erste Landtagswahl ist, an der schon 16- und 17-Jährige teilnehmen können. Zu der Runde waren über 100 Schüler dabei, ein Politikkurs von Zwölftklässlern hatte sie vorbereitet. Zwei Bürgermeister- und drei Landtagskandidaten saßen im Podium. Die CDU-Aktivitäten vor Beginn der Diskussion wurden auch vom politischen Gegner beäugt.

„Jetzt ist eingetreten, was die Kritiker befürchtet hatten“, kommentierte der Grünen-Landtagskandidat Nils Naber die Keks-Aktion. Die CDU-Landtagsabgeordnete habe dem Anliegen, Schüler an Wahlen und politische Prozesse heranzuführen, einen Bärendienst erwiesen. Das gehe zulasten politischer Inhalte. „Frau Ludwig kannte die Bedenken aus der Landtagsdebatte“, so Naber.

Der Chef der Lehrergewerkschaft GEW, Günther Fuchs, will den Vorgang im Landesschulbeirat besprechen. „Man muss genau hinschauen, was da jetzt passiert“, sagte er mit Verweis auf die gelockerten Regeln, die die GEW schon im Februar kritisiert hatte, den PNN. Wahlkampf habe im Unterricht nichts zu suchen, wie Fuchs schon damals warnte. Wenige Tage vor der Wahl sieht er eine Grenze überschritten, Schüler würden vor der Wahl instrumentalisiert. „Davon, dass die Kekse auch noch braun waren, möchte ich gar nicht sprechen.“

SPD-Landtagskandidat Mike Schubert hielt sich auf Anfrage mit allzu harscher Kritik zurück, sagte aber, dass der Vorgang für sich spreche. Er wunderte sich mehr noch über einen anderen Punkt: Saskia Ludwig sei schon früh im Gymnasium eingetroffen, er habe nur durch einen Anruf von der Teilnahme seiner Mitbewerberin erfahren und sei kurzfristig zur Schule gekommen. „An sich sollten da nur die Bürgermeisterkandidaten auftreten“, so Schubert. Ludwig dazu: „Ich habe mich sehr gefreut über die Einladung der Schüler im Gegensatz zu den Kollegen, die keine hatten.“ Noch ein Problem: Schulen müssen bei solchen Runden laut einer Verwaltungsvorschrift die Ausgewogenheit beachten, wie es gestern aus dem Bildungsministerium hieß.

Die SPD ist aber auch nicht ohne: Werders Gymnasiasten hatten sich gestern Morgen etwas gewundert, weil Juso-Leute vor der Veranstaltung vor der Schule SPD-Kondome verteilt hatten. In der Diskussion war das Anlass, kurz zum Thema Geburtenrate und Demografie abzuschweifen. Außerhalb des Schulgeländes sind Wahlkampfstände zwar nicht verboten. CDU-Wahlkämpfer Tim Schröder fand die Kondome dennoch viel schlimmer als die Kekse.

Laut SPD ein Missverständnis: Nach Angaben Schuberts war das Gymnasium eine von zwei Stationen der Jusos an diesem Tag, die zweite war das Oberstufenzentrum. „Die Kondome sollten an sich an die älteren OSZ-Schüler verteilt werden, vor dem Gymnasium Gummibärchen.“ Da sei von den Jusos übers Ziel hinausgeschossen worden. Und auch die Junge Union war nicht untätig: Mit Kreide und Schablone wurde auf dem Gehweg vor der Schule ein Wahlkampfslogan gesprüht. Anderswo gibt es Bannmeilen, um das zu verhindern.

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