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Im Amt bestätigt. Wolfgang Blasig (SPD) bleibt bis zum Jahr 2025 Landrat. Er will den Kreis unter die Top 40 in Deutschland heben.

© Manfred Thomas

Interview mit Landrat Wolfgang Blasig: „Die Stammbahn kommt in meiner Amtszeit“

Einen Tag nach seiner Wiederwahl zum Landrat spricht Wolfgang Blasig im PNN-Interview über nötige Änderungen im Landkreis in den kommenden acht Jahren. Verbessert werden sollen etwa die Verkehrsanbindung, die Schulsituation und die Zusammenarbeit mit Potsdam.

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Herr Blasig, Gratulation zum Wahlerfolg. 35 029 Mittelmärker haben ihre Stimme am Sonntag Ihnen gegeben. Das sind ausreichend viele für eine Direktwahl – aber doch nur 19,6 Prozent der Wahlberechtigten. Reicht das, um das Modell Direktwahl erfolgreich zu machen?

Ich halte dieses Wahlsystem für schwierig und ungelenk. Die erste Wahl am 25. September hat ein sehr deutliches Ergebnis gezeigt, auch mit einer für Landratswahlen ordentlichen Wahlbeteiligung. Dass es kein fertiges Ergebnis war, ist einem großen Teil der Wählerschaft nicht gegenwärtig gewesen. Insofern wundere ich mich nicht über den geringeren Zuspruch bei der Stichwahl. Das zeigt die Schwierigkeiten dieses Systems: Ein Quorum beim ersten und zweiten Wahlgang und am Ende liegt die Entscheidung beim Kreistag, das finde ich nicht in Ordnung. Ich hätte nichts dagegen, wenn das System verändert und reformiert wird. In welcher Form, das muss der Gesetzgeber entscheiden.

Sie versprechen in Ihrem Wahlprogramm einiges, was man beispielsweise im benachbarten Potsdam kategorisch zur Landesaufgabe erklärt – ein Kitabudget für zusätzliche Bildungsangebote zum Beispiel, oder auch mehr Personal in Kitas mit Flüchtlingskindern. Will und soll das Ihr Landkreis bezahlen?

Das ist ein Thema, wo alle Räder ineinandergreifen müssen – sowohl Landespolitik als auch Kreispolitik. Dass ein Landkreis dieses Problem allein löst – da gehe ich mit Potsdam mit –, das ist unmöglich. Ein Landkreis wie Potsdam-Mittelmark kann es sich aber durchaus leisten, Unterstützung zu geben, wenn es die dementsprechenden Landes- und Bundesprogramme gibt, auch über das gesetzliche Maß hinausgehend. Der Kreistag entscheidet schließlich, ob man dafür Haushaltsmittel einsetzen möchte.

Sie wollen sich auch für die schrittweise Reduzierung der Kitagebühren bis auf Null einsetzen. Damit können Sie ja auf dem SPD-Landesparteitag am Samstag gleich anfangen ...

Es gibt Initiativen vom Land selbst, sich langsam in diese Richtung zu bewegen. Auf Landesebene wird die Musik bestellt und gemacht. Ein Landkreis setzt um. Solche Forderungen gibt es natürlich in Potsdam-Mittelmark und die sind auch vernünftig. Aber dass eine Reduzierung der Kitagebühren in den nächsten Jahren kommt, wage ich zu bezweifeln. Im Moment ist für mich das Wichtigste, dass die Betreuungsqualität besser und stabiler wird.

Eines Ihrer Ziele ist es auch, Potsdam-Mittelmark unter die besten 40 der 295 Kreise Deutschlands zu bringen. Was bedeutet das?

Das bedeutet, das dynamische Wirtschaftswachstum weiter aufrechtzuerhalten, der Arbeitsmarkt soll sich hin zur Vollbeschäftigung entwickeln. Es bezieht sich auf die Lebens- und Wohnqualität, dazu zählt auch schneller und verlässlicher öffentlicher Personennahverkehr. Bisher sind Landkreise um München und Frankfurt herum an der Spitze. Metropolennah, gut erreichbar und mit Wirtschaftskraft gesegnet – das sind auch meine Visionen für Potsdam-Mittelmark.

Auf welchem Platz steht der Kreis bisher?

Bei der Wirtschaftsdynamik und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt deutlich unter den besten 70. Je nach Ranking befinden wir uns im vorderen Drittel. Ich möchte aber gerne zur Spitzengruppe aufschließen.

Sie wollen in der Wirtschaftsförderung verstärkt mit Potsdam zusammenarbeiten. Was klappt da schon – und was nicht?

Die Potsdamer Sicht ist manchmal an der Stadtgrenze zu Ende. Aber gerade im Bereich der Wirtschaftsförderung haben wir Schnittmengen. Wenn man zum Beispiel Nuthetal betrachtet, gibt es ein gemeinsames Gewerbegebiet mit Potsdam. Wir haben sehr enge wirtschaftliche Beziehungen mit der Landeshauptstadt, allein durch das Pendeln der vielen Arbeitnehmer. Bisher sind wir auf einem sehr guten Weg, müssen aber noch an allen Stellen intensivieren.

Zwischen Potsdam und Potsdam-Mittelmark knirscht es auch, zuletzt vor allem in Verkehrsfragen. Sie wollen eine gemeinsame Lösung mit Potsdam für die wachsenden Verkehrsströme zwischen der Landeshauptstadt und den Umlandgemeinden. Was ist das Problem, warum kommen Sie da nur so langsam weiter?

Es gibt viele Grenzen, zum Beispiel hat die Zeppelinstraße ihre objektiven Grenzen. Und Potsdam ist auch unter Druck, was die Luftqualität betrifft. Um von der Konfrontation „Eure Verkehre, unsere Verkehre“ oder „Eure Straße, unsere Straße“ wegzukommen, ist es oft ein langer Weg. Selbst wenn Verwalter sich schnell einig werden, müssen Stadtverordnete und Kreistagsmitglieder begreifen, dass man in einem Boot sitzt. Klar ist, dass man keine Lösung findet getreu dem Motto: Wasch mich, aber mach mich bitte nicht nass. Vernünftige Lösungen bedeuten, dass beide Kommunen kompromissbereit sein müssen. Sonst kriegen wir das nicht hin.

Was sind die konkreten Streitpunkte?

Es gibt immer Reibereien, wenn es ums Geld geht. Potsdam leidet teilweise unter dem Brandenburger Schulgesetz, das die freie Schulwahl in der Sekundarstufe vorsieht. Potsdam muss deutlich mehr Schulen errichten und das kostet Geld. Wir tun das Gleiche, auch wir errichten Schulen, die viel Geld kosten. Das sind Diskussionen, die man miteinander führt. In direkter Konfrontation sind wir nicht.

Sie wollen eine neue Bahnverbindung von Potsdam nach Berlin-Mitte mit Anschlüssen in Stahnsdorf und Kleinmachnow. Also die Stammbahn. Werden Sie das in Ihrer Amtszeit noch erleben?

Die Forderung nach der Stammbahn ist schon sehr alt und jetzt scheint es so zu sein, dass eine Tür offen ist. Das Land wird Ende des Jahres zu einer Prioritätenliste kommen. Wenn sich darauf die Stammbahn befindet, dann glaube ich daran, dass ich den Ausbau während meiner Amtszeit noch erlebe.

Auch schön zu lesen in Ihrem Wahlprogramm: Sie wollen eine zukunftsfähige und nachhaltige Landwirtschaft in einer lebendigen Kulturlandschaft. Was heißt das konkret? Und wie weit entfernt davon ist PM?

Sie zitieren aus dem Landesprogramm, was der Unterbezirk der SPD entwickelt hat. Mein Kurzprogramm ist da deutlich knackiger und weniger blumiger. Aber zurück zur Frage: Wenn man sich alleine schon die Spargelproduktion anschaut, dann sind wir in einem Wachstumsfeld. Dafür müssen einerseits gewisse Industrialisierungen in der Landwirtschaft umgesetzt werden, andererseits wollen wir unsere Kulturlandschaft, die schon seit Jahrhunderten existiert, erhalten. Es geht darum, einen ausgewogenen Wachstum der Landwirtschaft zuzulassen – nicht zulasten der Natur und Diversität. Das ist ein Kunststückchen, zumal im Hohen Fläming das Wasser knapp ist.

Eines der großen Wahlkampfthemen ist der Ausgleich zwischen den wachsenden Kommunen wie Stahnsdorf, Teltow, Kleinmachnow, Schwielowsee und Werder (Havel) und den Randregionen der Mittelmark gewesen. Wie werden Sie ihn angehen?

Es ist ein verfassungsmäßiger Grundsatz, dass ein Landrat für gleichwertige – nicht gleiche – Lebensverhältnisse zu sorgen hat. Insofern ist jeder Kreishaushalt schon Ausdruck dessen. Aber wir tun in Potsdam-Mittelmark noch mehr, um diesen Ausgleich zu unterstützen. Der ländliche Raum braucht insbesondere eine exzellente Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz, an Bus und Bahn. Das ist der Hauptwachstumsmotor, den man anwerfen muss.

Sie wollen den „Dorfkümmerer“ unterstützen. Was steckt dahinter?

Die Idee des Dorfkümmerers ist eine relativ alte, es geht um Menschen, die wie ein Ortsteilbürgermeister agieren. Wenn es gelingt, in einer funktionierenden dörflichen Gemeinschaft Menschen zu finden, die genau diese Funktion ausfüllen wollen, dann will ich sie dabei mit einer Aufwandsentschädigung und Hardware unterstützen. Es gibt im Kreis schon Beispiele dafür, unter anderem in Lütte, einem Ortsteil von Bad Belzig. Wenn ich den „Dorfkümmerer“ unterstütze, dann macht das vielleicht Schule.

Sie versprechen einen Ausbau der medizinischen Versorgung, gerade auch im ländlichen Raum – wie soll das gehen?

Wir haben im Moment noch eine sehr gute Situation. In Brandenburg an der Havel, in Potsdam, in Wittenberge und Luckenwalde gibt es Krankenhäuser. Wir haben auch selbst noch Einrichtungen in Kloster Lehnin, Bad Belzig und in Treuenbrietzen. Wir haben damit eine Dichte an festen Häusern, von denen andere Landkreise nur träumen können. Das Problem wird sein, ob wir künftig noch genügend Fachärzte oder niedergelassene Ärzte finden, die im ländlichen Raum bleiben wollen. Potsdam-Mittelmark hat aber die Möglichkeiten und das Know-how, um in der Telemedizin in den nächsten acht Jahren deutliche Fortschritte zu machen. In diesem Bereich deutschlandweit führend zu werden, das ist meine Vision.

Außerdem setzen Sie auf Onlineverfahren in der Verwaltung. Was wird der Bürger in PM in acht Jahren alles online erledigen können? Und vor allem: Wird er überall schnelles Netz haben?

Das Netz ist das große Problem. Wir unternehmen alles, um Bundesprogramme umfassend umzusetzen. Und werden auch mit eigenen kreislichen Mitteln nicht sparen. Denn schnelles Netz ist die Voraussetzung für eine erreichbare Verwaltung. Ich hoffe sehr, dass wir mit der elektronischen Unterschrift weiterkommen und viele weitere Verwaltungsverfahren online abwickeln können.

Zum Beispiel?

Das geht bis hin zu der Idee, dass man in absehbarer Zeit sein beantragtes Nummernschild über den 3D-Drucker ausdrucken kann. Das wäre doch mal was!

Ihr Vorgänger als Präsident des Landkreistages, der heutige Innenminister Schröter, hat sich häufig beschwert, dass der Landkreis zwar für die Schulgebäude- und Standorte zuständig ist, aber nicht für das Personal und den Inhalt, den wiederum das Land verantwortet. Würden Sie das auch gern ändern?

Nein. Wir haben ein sehr ambitioniertes Bildungsministerium, dort setzt man bei der Software der Schule, den Lehrern an. Da soll ein großes Programm entstehen. Es ist sehr schwierig, genügend gute Lehrer zu finden. Wenn man selbst zuständig wäre, würde ein fürchterlicher Wettkampf zwischen den Kreisen entstehen. Daher halte ich von der Idee nicht viel.

Apropos Schulstandort: Wo wird der Neubau der dringend benötigten Gesamtschule in der Region Teltow entstehen?

Nach meiner Vorstellung werden wir am Ende in der Region drei Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe haben. Die bereits bestehende in Kleinmachnow, eine weitere unter Trägerschaft der Hoffbauer-Stiftung und eine weitere wird mit Teltow und dem Landkreis zusammen in Teltow entstehen.

Und wo genau?

Wir haben verschiedene Grundstücke untersucht. Jetzt sind wir dabei, im Haushalt die Voraussetzungen zu schaffen, in die Planung zu gehen. Ein Grundstück ist gegenüber dem Teltower Oberstufenzentrum, das wäre machbar. Die Stadt hat nun klare Kante gezeigt, wir können loslegen.

Wie halten Sie es mit der AfD?

Es gibt Menschen, die sich zu der AfD aus sehr unterschiedlichen Gründen hingezogen fühlen. Sie sind enttäuscht oder fühlen sich von den Entwicklungen abgehängt. Das sind Menschen, auf die muss man zugehen. Vertreter der AfD, die unverhohlen nationalistisch, teilweise rassistisch agieren, sind für mich keine Gesprächspartner.

Und was wird aus der bisherigen gemeinsamen Kreistagskoalition mit der CDU und den Freien Bürgern und Bauern (FBB)? Im Vorfeld der Wahl haben Sie ja Gespräche mit der Linken geführt.

Ich habe die ganze Aufregung nicht verstanden. Die Koalitionsfrage wurde nie durch die SPD gestellt. Die Linke ist auf die SPD zugegangen und hat gesagt, dass man sich in der Stichwahl eine Unterstützung vorstellen kann. Es ging nicht darum, einen Koalitionsfaden zu knüpfen. Es war einfach ein Gespräch und ein Missverständnis der CDU. Wir haben eine stabile, erfolgreiche Koalition. Die wird sich auf jeden Fall bis zur nächsten Kreistagswahl halten – und ich kann mir vorstellen, dass es so auch weitergehen kann.

Wie sehen Sie die Kritik an der umstrittenen Kreisreform der Landesregierung?

Das, was jetzt vorgestellt wurde, ist das Leitbild, das der Landtag mit knapper Mehrheit beschlossen hat. Es gibt aber einiges, das nicht ganz konform mit dem Beschluss geht. Mit Blick auf Potsdam-Mittelmark ist das zum Beispiel die Beschneidung des Amtes Beetzsee. Da kommt auch Kritik vom mittelmärkischen Landrat. Aber als Vorsitzender des Landkreistages bin ich immer dafür, dass zu einer umfassenden Gebietsreform auch eine umfassende Funktionalreform kommt.

Die CDU fordert, dass die Kreise nur kooperieren – ginge das überhaupt, aus Ihrer Erfahrung?

Kooperationen hat es bisher gegeben, aber keinesfalls in dem Maße, wie es wünschenswert gewesen wäre. Meine letzte Amtsperiode hat gezeigt, wie schwer es ist, zu einer verlässlichen Kooperation zu kommen. Da sind wir mit Potsdam deutlich weiter gewesen als mit Brandenburg an der Havel.

Wie sehen Sie den Super-Kreis aus Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald, der neben Potsdam-Mittelmark entstehen soll? Macht er PM nicht alle Spitzenpositionen kaputt?

Wenn die Zusammenlegung dazu führt, dass dort ein reicher, dynamischer Kreis mit wenig Arbeitslosen entsteht, dann freue ich mich für meine Nachbarn. Da denke ich brandenburgweit. Ich bin natürlich gerne die Nummer eins, aber wenn andere so gut werden oder noch besser, dann freut mich das.

Ihre Leidenschaft ist die Malerei. Wann werden Sie wieder zu Pinsel und Leinwand greifen?

Im Moment habe ich in meinem Keller eine 100 Quadratmeter weiße Leinwand, die mich anstarrt und einen Beruf, der mich körperlich und emotional sehr ausfüllt.

Die Fragen stellten Sabine Schicketanz und Eva Schmid

ZUR PERSON: Wolfgang Blasig wurde am 31. März 1954 in der damaligen UdSSR geboren. Mit seinen Eltern, die als Spezialisten im Ausland arbeiten mussten, kehrte er 1957 nach Deutschland in die damalige DDR zurück. Blasig studierte Physik in Dresden und arbeitete anschließend bis 1990 als Elektroingenieur in Teltow. Nach anderen kommunalen Ämtern wurde er 1993 zum Bürgermeister von Kleinmachnow gewählt. Im Jahr 2008 wurde Blasig dann zum ersten Mal zum Landrat in Potsdam-Mittelmark gewählt. Er ist verheiratet, evangelisch und hat drei Kinder.

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