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Dr. Gralf Popken, Medizinischer Geschäftsführer des Bergmann Klinikum Bad Belzig.

© Andreas Klaer

Interview | Chef des Bad Belzig Klinikums: "Auf italienische Verhältnisse vorbereitet"

Gralf Popken ist Geschäftsführer des Belziger Bergmann-Klinikums und Chefarzt in Potsdam. Im PNN-Interview spricht er über Maßnahmen gegen die Pandemie und Hilfe aus der Bevölkerung.

Von Enrico Bellin

Herr Popken, am Potsdamer Standort des Bergmann-Klinikums ist der Aufbau einer speziellen Corona-Intensivstation mit 52 Betten geplant, insgesamt gibt es dann dort 100 Intensivbetten für Covid 19-Patienten. Ist Ähnliches auch für Ihr Klinikum in Bad Belzig vorgesehen?
Wir werden Corona-Patienten zentral am Potsdamer Standort versorgen. Die Belziger werden ihre Patienten nach Potsdam schicken, dienen im Gegenzug aber der Entlastung des dortigen Standortes von anderen Patienten. Wir haben in Bad Belzig ein Kompetenzzentrum für Beatmungsmedizin, das wir dazu nutzen werden, nicht mit dem Virus infizierte Beatmungs-Patienten zu versorgen.

Ist es nicht kontraproduktiv, mit einem ansteckenden Virus infizierte Menschen quer durch Brandenburg zu fahren?
Von der Infektionsseite her möglicherweise, wir werden da mit Bedacht vorgehen. Es ist aber viel sinnvoller, die Kompetenz an einem Standort zu bündeln. In Potsdam haben wir die Beatmungsmedizin, die Intensivmedizin und die Infektiologie. Es ist derzeit nicht vorgesehen, Corona-Patienten in Bad Belzig zu versorgen. Wir wissen aber alle nicht, was künftig passiert. Wir sind in der Kreisstadt gut aufgestellt und für alles gerüstet.

Wie kann man sich solch einen Transport vorstellen?
Das hängt vom Zustand des Patienten ab. Er kann im normalen Krankentransport, per Notarztwagen oder Hubschrauber verlegt werden. Anschließend werden die Wagen von speziellen Teams desinfiziert. Wir wissen aber, dass die Viren auf vielen Oberflächen nicht lange überleben.

Am Donnerstagabend gab es in der Mittelmark 20 Infektionen – alle mit leichtem Verlauf, alle Patienten sind zu Hause. Kann man abschätzen, wann es erste Patienten gibt, die auf die Intensivstation müssen?
Man sagt ja Ärzten zu, sie tragen einen weißen Kittel und einen Heiligenschein. Aber: Wir wissen das nicht. Wir sind auf italienische Verhältnisse vorbereitet, sind aber sehr froh, wenn es darunter liegt. Wir hoffen, das durch die getroffenen präventiven Maßnahmen erreichen zu können. Wenn das Szenario anders wird, werden wir uns stündlich darauf einstellen. Derzeit gibt es zwei Mal täglich Lagebesprechungen, wo wir ad hoc auf Veränderungen reagieren können. 


Ab wann sind die 52 zusätzlichen Plätze in Potsdam einsatzbereit?
Gestaffelt ab Ende nächster Woche. Die Technik ist da, die Räume werden jetzt eingerichtet. Mittwoch und Donnerstag sind die Räume freigezogen worden, jetzt werden Leitungen verlegt. Wir rechnen nicht damit, dass es vor Mitte nächster Woche ernst wird – wir verfügen in Potsdam ja bereits über 50 Intensivbetten. 

Müssen Potsdamer Patienten ohne Coronainfektion künftig nach Bad Belzig, wenn die Räume hier für die Intensivbetreuung benötigt werden?
Wir haben mehrere Szenarien, wonach sowohl Entlastungen im intensivmedizinischen als auch im normalen Bereich durch die Klinik in Bad Belzig erfolgen, wenn es notwendig ist. Aber wir sind in Potsdam ein Haus mit tausend Betten, aktuell am Freitag haben wir rund 250 freie Betten in Potsdam. Der Regulärbetrieb wird derzeit angeglichen und wir schaffen Kapazitäten, um optimal für einen sprunghaften Anstieg gewappnet zu sein.

Das heißt im Klartext: Eingriffe, die jetzt nicht nötig sind, werden nicht oder in anderen Kliniken vorgenommen?
Richtig. Wir versuchen jetzt in der Vorphase der Pandemie, onkologische Patienten, deren Erkrankung sich ausweiten könnte, noch entsprechend zu behandeln, bevor wir die Kapazitäten für Corona-Patienten brauchen könnten.

Seit Mittwoch haben Belziger Hausärzte eine Station eingerichtet, an der Abstriche entnommen werden. Sie bringen die Tests ins Labor. Gab es einen großen Ansturm?
Es werden sehr viele Tests durchgeführt. Aber es gibt Engpässe bei den Testkits wie auch bei deren Auswertung.

Wer soll sich testen lassen?
Wir empfehlen, sich bei Atemwegserkrankungen in Kombination mit Fieber oder Fieber in Kombination mit Kontakt zu einem nachgewiesenermaßen infizierten Menschen oder Rückkehrern aus Risikogebieten testen zu lassen. 

Gibt es unterschiedliche Reaktionen auf die Pandemie im Metropolraum und im ländlicher gelegenen Bad Belzig?
Das kann ich schlecht einschätzen, ich bin ja meist im Klinikum in Potsdam. Die Mitarbeiter sind aber super motiviert, die Ausfallquoten liegen sogar eher unter dem Normalbereich. Und die Bevölkerung in Bad Belzig unterstützt das Krankenhaus. Gestern wurden 400 Handschuhe gespendet, weil es dort einen Engpass gab. Ein Belziger hatte sie auf Amazon bestellt. 

Wie ist die Situation bei den Mitarbeitern? Nicht jeder kann seine Kinder in die Notbetreuung schicken. Und Krankenschwestern können schlecht ins Homeoffice wechseln.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Mitarbeiter gut versorgt sind und uns selbst auch mit den Kitaträgern darum gekümmert. Die 330 Mitarbeiter im medizinischen Dienst in Bad Belzig erscheinen auch zur Arbeit.

Wie viele Betten mit Beatmungsmöglichkeiten gibt es in Bad Belzig?
Wir haben im Moment 20 Beatmungsplätze und könnten auf 30 hochfahren, falls wir den Potsdamer Standort entlasten müssen.

Könnte man in der Kreisstadt auch Corona-Patienten behandeln, falls die Potsdamer Intensivplätze nicht ausreichen?
Sie können sicher sein, dass wir immer Plan B und C haben! 

Sie koordinieren Ihre Häuser, die Absprachen mit den Kliniken in Treuenbrietzen und Kloster Lehnin erfolgen über das Gesundheitsamt. Wie ist aber der Kontakt zu Kliniken in Sachsen-Anhalt? Wer in Wiesenburg lebt, will im Ernstfall vielleicht lieber in ein Krankenhaus in Wittenberg als im doppelt so weit entfernten Potsdam.Wir haben natürlich Informationen von Vorgehensweisen anderer Kliniken, Krankenhäuser sind vernetzt. Direkte Absprachen treffen wir aktuell noch nicht. Es gibt aber logistische Hilfen untereinander. Jeder kann entscheiden, in welches Krankenhaus er will.
 

ZUR PERSON: Gralf Popken, 56, ist seit Januar dieses Jahres Medizinischer Geschäftsführer der Ernst-von-Bergmann-Klinik Bad Belzig. Zudem ist er Chefarzt der Urologiestation in Potsdam. Er ist Mitglied mehrerer nationaler und internationaler medizinischer Fachgremien. Als Mitglied der Medizinisch Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft hat er zudem zahlreiche Fachbücher veröffentlicht.

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