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Hochbetrieb an Weihnachten: Auf Tour mit einem Paketboten

Im Laufschritt um den Schwielowsee 5500 Pakete pro Tag verteilt das Zustellzentrum Plötzin vor Weihnachten. Auf Tour mit Eike Zinke

Werder (Havel) - Halb zehn Uhr morgens. Unaufhörlich piepsen die Scanner, mit denen die Mitarbeiter in der großen Halle in Plötzin Paketcodes einlesen. Fahrer ziehen und schieben schwer beladene Rollwagen scheppernd zu ihren Transportern und verladen zahlreiche Päckchen, die sie an diesem Tag noch in Mittelmark und Havelland verteilen müssen. Zusteller Eike Zinke wartet noch auf einige Pakete, ohne die er nicht losfahren kann.

Weihnachtszeit heißt Hochbetrieb bei der M&A Transportgesellschaft mbH. Das Unternehmen hat seit rund einem Jahr seinen Sitz in Werder (Havel) und ist einer der 280 Servicepartner des Zustellers Hermes. In der Regel beschäftigt Geschäftsführer Mirco Klingner 50 bis 60 Mitarbeiter. Jetzt, in der Vorweihnachtszeit, sind es zehn Zusteller mehr. Die vielen Pakete werden jeden Morgen aus dem großen Hermes-Logistikcenter in Ketzin angeliefert. „Im Moment haben wir etwa 5500 Pakete am Tag. Dazu kommen die 3000 Retouren aus dem Paketshop, die wieder zurück nach Ketzin gehen“, erklärt Klingner. In der vergangenen Woche waren es sogar 10.000 an einem Tag, da die Jahreskataloge von Firmen, Vereinen und Institutionen verschickt wurden.

Zusteller Zinke muss heute rund 130 Päckchen und Pakete verteilen. Er arbeitet seit Juni in Plötzin. Eigentlich ist er in Magdeburg geboren, hat in Sachsen-Anhalt Mathematik studiert. Allerdings nicht zu Ende, erzählt der 59-Jährige.

Zinke fährt eine feste Route, die er auswendig, ganz ohne Navigationsgerät, abarbeiten kann – es geht durch Ferch, Caputh und Neuseddin. Während der Fahrt erzählt er, dass er 2007 oder 2008 als selbstständiger Subunternehmer zu Hermes kam. Nach dem abgebrochenen Studium hat er in einem Walzwerk in Burg gearbeitet, nach der Wende eine Umschulung zum Reisekaufmann gemacht. Wirklich gefallen, hat ihm das nicht: „Das Verkaufen ist nicht so mein Ding. Jemanden etwas aufquatschen passt nicht zu mir.“ Also lieber Pakete. Damit sich die Arbeit als selbstständiger Subunternehmer gelohnt hätte, hätte Zink sich aber vergrößern müssen. Das finanzielle Risiko wollte er nicht tragen, deshalb begann er als Angestellter bei Subunternehmen, schließlich bei M&A.

Pakete beim Nachbarn

Der erste Kunde wartet an diesem Morgen in Ferch. Zinke drückt auf die Klingel. Erfolglos. Niemand ist zu Hause. Er muss das Paket beim Nachbarn abgeben. Das passiert sehr häufig an diesem Tag und ist bei den meisten Touren Normalität, wie der 59-Jährige erzählt. „Das kommt oft vor. Zu oft. Ich habe Zeit, es bei zwei oder drei Nachbarn zu probieren, um das Paket abzugeben“, so Zinke. Danach hat der Kunde Pech und seine Zustellung kommt wieder mit in den Transporter. Hermes mache bis zu vier Zustellversuche. „Er ist der einzige Paketdienst in Deutschland, der das anbietet“, sagt Zinke. 9,50 Euro bekommt er die Stunde von seinem Arbeitgeber, zwischen 8.30 und 9 Uhr beginnt sein Arbeitstag, 45 Wochenstunden hat er mit M&A vereinbart. Die Lagerarbeiter in Plötzin starten morgens um fünf Uhr und sortieren die Pakete vor. Oft ist Zinke im Laufschritt unterwegs. Rund drei bis vier Minuten hat er im Schnitt Zeit pro Paket, etwa 20 pro Stunde verteilt er. Von manchen Kunden kommt der Zusteller mit neuen Päckchen zurück, manchmal bis unters Kinn bepackt. Oft muss er nur wenige Meter weit bis zum nächsten Haus fahren, springt kurz aus dem Wagen, nimmt die Pakete, manchmal gleich vier, fünf. Dann wieder zurück zum Transporter und weiter geht es. 45 Minuten Pause gibt es am Tag. Die kann jeder Fahrer einteilen, wie er möchte.

Es gibt kein Sommerloch mehr

Die Weihnachtszeit sei mittlerweile gar nicht mehr anders als die anderen Monate. Bis zu 120 Pakete pro Tag seien durchaus normal. „Früher gab es mal ein Sommerloch. Das gibt es jetzt nicht mehr.“ Das kommt vor allem durch mehr Internet-Bestellungen. Das halbe Auto ist mit Päckchen von Amazon gefüllt. Er versuche die Kunden zu bewegen, sogenannte Abstellgenehmigungen zu erteilen, sodass die Pakete zum Beispiel auf der Terrasse oder unterm Carport abgestellt werden dürfen, erzählt er. Doch viele Kunden möchten so eine Vereinbarung nicht. Zinke kennt sie gut, weiß wo gerade ein Baby geboren wurde, wo er den Eingang um die Ecke findet oder bei welchem Haus er nicht aufs Grundstück gehen sollte – wegen der Hunde. Bei einigen braucht er nur hupen und die Kunden kommen mit einem Lächeln an die Tür. „Die Lieferung passt“, sagt eine Stammkundin in Ferch. „Weil ich immer so nett und freundlich bin, nicht?“, scherzt Zinke. Nur selten gebe es unangenehme Begegnungen. Einmal wollte ein Kunde das Paket nicht annehmen, hatte es sich dann aber doch anders überlegt und sich vor Zinkes Wagen in den Weg gestellt und mit Schlägen und einer Anzeige gedroht. Anstrengend werde es bei den großen schweren Paketen: Viele Kunden würden es als selbstverständlich erachten, dass die Zusteller die Pakete bis in die oberste Etage tragen. Dennoch: Er mache seinen Job gerne. Auch wenn es bedeute, auch an den meisten Samstagen zu arbeiten. „Ich bin unterwegs und mir quatscht keiner rein.“ So sei er sein eigener Herr.

Und die meisten Kunden, findet Zinke, sind freundlich.

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