zum Hauptinhalt
Gestörte Ruhe. Auf einem Privatgrundstück in der Klausener Straße befindet sich das Grab der bekannten Frauenrechtlerin Lily Braun. Ob es dort bleibt, ist ungewiss.

© S. Schuster

Grab von Lily Braun in Kleinmachnow in Gefahr: Kein Geist mehr für das Grab im Garten

Das Grab der bekannten Frauenrechtlerin Lily Braun befindet sich auf ihrem einstigen Anwesen in Kleinmachnow, sie verstarb vor 100 Jahren. Der neue Eigentümer des Privatgrundstücks will die Ruhestätte aber nicht pflegen. Nun soll es zum Denkmal erklärt werden.

Kleinmachnow - Mitten auf der Wiese im Garten einer neugebauten Villa steht im Schatten einer alten Eiche ein imposanter Grabstein. Die efeu-umrankte Seite des Steins kehrt einer mannshohen Hecke den Rücken, Antlitz und Inschrift sind dem strahlend weißen Neubau zugewandt. Vor 100 Jahren fand hier, auf ihrem einstigen Anwesen, die Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin Lily Braun (1865–1916) ihre letzte Ruhe.

Heute allerdings befindet sich ihr Grab in Privatbesitz und nach Angaben des Heimatvereins inzwischen in erheblicher Gefahr. Vor etwa einem Jahrzehnt hatte der heutige Eigentümer das Grundstück mitsamt dem Grab erworben. Inzwischen soll ihm die Pflege der Ruhestätte aber derart zur Last geworden sein, dass er sie nicht mehr länger erhalten mag, sagt Heimatforscher Axel Müller. Der Heimatverein arbeitet gerade an einer Publikation über den Waldfriedhof, die sich bedeutenden Kleinmachnower Persönlichkeiten widmen soll, erzählt er. Auch die besondere und fernab vom Friedhof gelegene Grabstätte von Lily Braun soll Teil der Broschüre sein. Müller hofft, das Grab zu retten, indem es die zuständige Behörde zum Denkmal erklärt. Das ehemalige Landhaus in unmittelbarer Nachbarschaft ist bereits denkmalgeschützt, das Grab bislang nicht.

Lily Braun wurde auf ihrem Privatgrundstück in Kleinmachnow beigesetzt

Um 1910 waren die Eheleute Lily und Heinrich Braun von Berlin nach Kleinmachnow gekommen, nachdem sich beide auf einem 1904 parzellierten, weitläufigen Grundstück am Erlenweg eine Villa erbauen ließen. Nur sechs Jahre später starb Lily Braun infolge eines Schlaganfalls. Die damals 51-Jährige soll auf dem Weg zum Postamt zusammengebrochen sein, wo sie einen Brief ihres Sohnes von der Front erwartete.

Nach ihrem Tod war Lily Braun eingeäschert und auf ihrem Kleinmachnower Privatgrundstück zunächst in einer Urne beigesetzt worden, weiß Müller. Auch ihr Sohn, der zwei Jahre später an der französischen Front fiel, habe auf dem Anwesen im Erlenweg 29 seine letzte Ruhe gefunden. Der heute noch zu bewundernde, imposante Grabstein, den der Berliner Bildhauer Hugo Lederer (1871–1940) entwarf, soll erst 1926 unter der dicken Eiche aufgestellt worden sein, hat der Heimatkundler recherchiert. Wie alte Abbildungen belegten, waren die Urnen zunächst auf der Grabplatte aufgebracht, seien später aber spurlos verschwunden, sagt er.

Nach der Wende hatte der Berliner Immobilienkaufmann Christian Meyer große Teile der Villenkolonie erworben. Auch das einstige Anwesen Lily Brauns mit dem Landhaus und dem Reliefgrabstein wechselte Mitte der 1990er-Jahre in den Besitz des umtriebigen Unternehmers, der sich in Kleinmachnow nicht nur Freunde machte. Über Jahre stritt er um die Ansprüche jüdischer Erben und die Rückgabe von rund 1000 Grundstücken der Kleinmachnower Sommerfeld-Siedlung und verdiente vor allem an Vergleichen mit den Eigentümern (PNN berichteten).

Vereinbarungen zur Grabpflege seien informell getroffen worden

Zu DDR-Zeiten in Volkseigentum überführt, wurde das Braunsche Anwesen nach der Wende zunächst von einer amerikanischen Stiftung verwaltet, von der es Christian Meyer später übernahm. Vereinbarungen zur Grabpflege seien rein „informell“ getroffen worden, eine Verpflichtung, das Grab zu erhalten und zu pflegen, gab es seitens der Stiftung aber nicht, sagte Meyer den PNN. Am Rande des Braunschen Grundstücks, in dem teils verwilderten Garten, habe das Grab Müller zufolge zunächst auch kaum gestört. Doch Meyer teilte das mehr als 2700 Quadratmeter große Areal und verkaufte die einzelnen Flurstücke. Das etwa 640 Quadratmeter große Teilstück mit dem Landhaus fiel dem Landkreis Potsdam-Mittelmark zu, der die inzwischen in der Villa ansässige Förderschule „Albert Schweitzer“ in seine Trägerschaft übernahm.

Auf einer der verkauften Bauparzellen links des Landhauses entstand zur Jahrtausendwende ein erstes modernes Wohngebäude. Die dahinterliegende Fläche mit dem Grab, die sich entlang der Klausener Straße bis hin zum Eichenweg erstreckt, sollte indes nie bebaut werden, sagt Müller. Dann kam es doch anders. Nur wenige Meter vor dem Grabstein wuchs 2005 auf dem von Meyer veräußerten Grundstück schließlich doch ein mehrgeschossiges Wohnhaus in die Höhe, das nun gemeinsam mit einer großen Hecke das Grab umschließt.

Jetzt macht der Heimatverein mobil

Mehr als ein Jahrzehnt hegten und pflegten die Grundstückseigentümer das verbliebene Relikt. Mit dem früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker (1920–2015) und seiner Frau Marianne, die eine Großnichte der verstorbenen Frauenrechtlerin gewesen war, fand sich vor einigen Jahren sogar höchst prominenter Besuch am Grab ein. Nachdem bekannt geworden war, dass der Eigentümer, der für die PNN bislang nicht zu erreichen war, die Pflege der Ruhestätte künftig nicht mehr übernehmen will, macht der Heimatverein mobil. Axel Müller informierte die Gemeindevertreter und bat die Kleinmachnower Verwaltung um Hilfe, auch die Denkmalbehörde schaltete sich ein. Nur, wenn die Fläche mit dem Grab als denkmalgeschütztes Areal gewidmet wird, kann es dauerhaft gesichert werden, sagt Müller. Das Landesamt für Denkmalpflege als zuständige Fachbehörde sei inzwischen vor Ort gewesen, teilt der Sprecher des Landkreises Potsdam-Mittelmark, Kai-Uwe Schwinzert, mit. Die Entscheidung zur Aufnahme in die Denkmalliste stehe seinen Angaben zufolge aber noch aus.

Zur Startseite