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Wie hier 2018 können Kinder mit erkrankten Geschwistern in der ersten Juliwoche in Glindow entspannen.

© Andreas Klaer

Glindower Verein muss Ferienfreizeit finanzieren: Baumblüten-Aus bedroht Kinderprojekt

Seit Jahren organisiert der Verein Zuckerbaum eine Ferienwoche in Glindow, in der Geschwister schwer kranker Kinder ihre Sorgen vergessen können. Doch jetzt fehlt das Geld.

Von Enrico Bellin

Glindow - Unbeschwertes Kinderlachen über der Glindower Obstwiese und Einnahmen für den Verein, der Geschwistern von schwerkranken Kindern schöne Stunden bereiten möchte: So war der Alltag von Karin Wisener in den vergangenen acht Jahren in den Tagen um den 1. Mai. 45 Kinder in knapp 40 Familien aus der Region betreut der Verein Zuckerbaum, die Arbeit läuft auch in Zeiten der Coronakrise weiter. Doch durch den Ausfall des Baumblütenfestes fehlen dem Verein Tausende Euro.

14 Kinder sind für Juli schon angemeldet

„Allein für unsere auch in diesem Jahr geplante Ferienfreizeit in der ersten Juliwoche auf der Wiese fehlen derzeit 4000 Euro“, sagt Wisener, die Vorsitzende des Zuckerbaum e.V., zu dessen festem Stamm etwa 25 ehrenamtliche Helfer und eine Vollzeitmitarbeiterin zählen. 14 Kinder im Alter von fünf bis 16 Jahren sind bereits angemeldet. Kinder, die im Alltag oft zurückstecken müssen, da die schwerkranken Geschwister in den Familien viel Aufmerksamkeit und intensive Betreuung fordern. „Die Anfragen der Familien kommen seit Wochen, ob die Ferienfreizeit wieder stattfindet. Die Kinder freuen sich sehr darauf“, so Wisener. 

Karin Wiserner ist ausgebildete Familienbegleiterin und die Vorsitzende des Vereins Zuckerbaum.
Karin Wiserner ist ausgebildete Familienbegleiterin und die Vorsitzende des Vereins Zuckerbaum.

© Andreas Klaer

Für viele Familien sei es unmöglich, in Urlaub zu fahren. Die Woche auf der Glindower Wiese am Obstpanoramaweg ist eine der wenigen Momente des Jahres, in denen die Kinder einfach sie selbst sein können, ohne auf andere Rücksicht zu nehmen. Natürlich sei die Durchführung eine Gratwanderung: Einerseits herrscht frohe Erwartung, andererseits sorgen sich die Familien um das Ansteckungsrisiko. Besonders bei den Jüngsten, die auch mal getröstet und in den Arm genommen werden wollen, ist das Einhalten des Mindestabstandes schließlich nicht möglich. 

Für Eltern wäre eine Infektion katastrophal

Die Sorge, dass sich das gesunde Kind auf der Wiese mit Covid 19 infiziert und das ohnehin kranke Geschwisterkind ansteckt, ist groß. „Und auch eine Erkrankung der Eltern wäre in vielen Fällen eine Katastrophe“, so die Vereinsgründerin und ausgebildete Familienbegleiterin Wisener. Ein Elternteil sei ohnehin in den meisten Fällen zuhause und nur mit der Versorgung der Kinder schon völlig ausgelastet, ein Ausfall kaum zu verkraften.

Wisener hofft, in den nächsten Wochen eine klare Ansage von Bund oder Land zu erhalten. Andere Ferienprojekte stünden schließlich vor dem gleichen Problem. Die Vorbereitung der Woche, die in Kooperation mit der Kinderhilfe Potsdam stattfindet, läuft derweil: Am Vormittag sind pädagogische Projekte geplant, nachmittags sollen die Kinder sich einen Platz auf der Wiese suchen, auf dem sie aus Karton oder Stoffen kleiner Häuser bauen können. 

Kinder sollen selbst Raum beanspruchen dürfen

„Die Idee dahinter ist, den Kindern zu zeigen, dass sie auch selbst Raum beanspruchen dürfen“, so Karin Wisener. Die Kinder können sich aussuchen, ob sie allein in ihrem Häuschen wohnen oder mit Freunden „eine WG“ gründen wollen, denn die meisten Teilnehmer kennen sich: Rund 80 Prozent der Kinder kommen jedes Jahr. Auch Ausflüge für die älteren sind geplant.

Unter Blüten konnten Gäste in den Vorjahren Obstwein und Kuchen genießen. Der Erlös ging an den Verein.
Unter Blüten konnten Gäste in den Vorjahren Obstwein und Kuchen genießen. Der Erlös ging an den Verein.

© Enrico Bellin

In den Vorjahren konnten die Kinder auf der Zuckerbaum-Wiese auch das Baumblütenfest erleben: Gutscheine für die betreuten Familien wurden verteilt, da oft das Geld im Haushalt knapp ist. Jetzt gibt es eine andere Lösung: Familien, die einen unbeschwerten Nachmittag unter den blühenden Obstbäumen verbringen wollen, können sich beim Verein melden. Wisener zufolge bringt der Verein dann einen Picknickkorb nach Glindow und sagt den Familien den aktuellen Zahlencode für das Schloss des Tores zur Wiese, sodass jeder Haushalt etwas Entspannung hat.

Die Kinder verlieren die Welt außerhalb der Familie

Denn die sei besonders jetzt nötig: „Die Belastung der Familien potenziert sich. Auch für die gesunden Geschwister ändert sich alles.“ Wisener zufolge haben viele Kinder eine Welt innerhalb der Familie, in der sich vieles um die Krankheit der Geschwister dreht, und die Schule oder Kita als eine Welt außerhalb – und diese fehlt jetzt völlig. Momentan würde die feste Mitarbeiterin deutlich mehr Briefe beantworten und Anrufe entgegennehmen als sonst, als Seelentröster und Vermittler bei Problemen. „Zudem rufen wir auch aktiv unsere Familien an und fragen, ob alles in Ordnung ist“, so die Vereinsvorsitzende. Schließlich soll der Kontakt nicht verloren gehen.

Vor Ostern wurden Pakete verschickt

Als kleinen Trost hat der Verein vor Ostern Pakete mit Spielen und Bastelmaterial an die Familien, die in der Mittelmark, Potsdam, Brandenburg und Berlin wohnen, verschickt. Wisener zufolge ist das super angekommen: „Die meisten Pakete bei diesen Familien enthalten sonst ja medizinische Sachen.“ Weitere ähnliche Aktionen sind geplant.

Auch dafür braucht der Verein aber Geld. Denn neben den Kosten für die Ferienfreizeit laufen auch Patenschaften weiter: Für 45 Kinder zahlt Zuckerbaum die Beiträge für Schülernachhilfe, Vereinsmitgliedschaften oder Musikunterricht. Das sind jeweils Beträge zwischen 20 und 120 Euro im Monat. Auch dafür waren sonst die Einnahmen des Baumblütenfestes wichtig.

Das Baumblütenfest diente auch der Bekanntheit

Doch das Fest hatte für die Ehrenamtler, die neben der Kinderhilfe auch eine Kooperation mit der Björn-Schulz-Stiftung haben, noch eine andere Funktion: Werbung. Viele Festbesucher haben erst auf der Wiese von der Vereinsarbeit erfahren. Eine betroffene Familie kam so zum Zuckerbaum. Und: „Eine Werderaner Familie hatte uns beim Fest kennengelernt und oft unterstützt. Jetzt hat sie selbst ein erkranktes Kind und bekommt unsere Hilfe“, sagt Karin Wisener.

Spendenkonto: IBAN: DE22 1002 0890 0023 8708 78, BIC: HYVEDEMM488

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