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In den Fässern von Michael Schultz lagert noch Whisky der Vorjahre. Dieses Jahr wird es deutlich weniger geben, da aus dem Roggen Desinfektionsmittel wird.

© Kitty Kleist-Heinrich

Glindower Brennerei stellt Produktion um: Desinfektionsmittel statt Whisky

Tausend Liter hochprozentigen Alkohol hat Michael Schultz am Wochenende dem Katastrophenschutz des Landkreises übergeben. Sie werden als Desinfektionsmittel genutzt.

Von Enrico Bellin

Glindow - Medizinisches Produkt statt Gaumenschmeichler: Michael Schultz hat seine Produktion in der Glina-Destille in Elisabethhöhe wegen der Coronakrise umgestellt. Der hochprozentige Alkohol, der beim Brennen des auf dem Siedlerhof produzierten Roggens entsteht, wird nicht wie sonst von 80 auf 60 Prozent verdünnt und dann zum Reifen in die Holzfässer abgefüllt. Stattdessen soll der Alkohol jetzt die Desinfektionsmittelknappheit in Pflegeheimen und medizinischen Einrichtungen im Landkreis beenden. „Am Wochenende habe ich die ersten tausend Liter zum Katastrophenschutz des Landkreises geliefert“, sagte Schultz den PNN am Dienstag.

Alkohol ist als Desinfektionsmittel freigegeben

Nach einer Allgemeinverfügung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vom 20. März ist es derzeit zulässig, hochprozentigen Alkohol gemeinsam mit gereinigtem Wasser als Handdesinfektionsmittel „für berufsmäßige Verwender“ anzuwenden. Für Apotheker, die aus dem Alkohol andere Desinfektionsmittel herstellen wollen, entfällt zudem die Branntweinsteuer. An Privatpersonen darf der Alkohol allerdings nicht verkauft werden.


Wie der in den Beelitzer Heilstätten sitzende Katastrophenschutz den PNN bestätigte, sollte noch am Dienstag eine Prioritätenliste der mit dem Alkohol vom Siedlerhof zu beliefernden Einrichtungen erstellt werden. Am heutigen Mittwoch soll die Auslieferung beginnen. Der Verkaufspreis von Schultz liegt bei 13 bis 14 Euro pro Liter, was laut Katastrophenschutzmitarbeitern durchaus als angemessen gelten könne.

Bis zu 7000 Liter pro Woche sind möglich

Schultz habe sich kurz nach dem Erlass der Allgemeinverfügung alle nötigen Bescheinigungen beim Zoll besorgt, der Verkauf sei jetzt problemlos möglich. Aktuell könne er bis zu 5000 Liter 80-prozentigen Alkohol pro Woche produzieren, mit geringem Aufwand wie der teilweisen Lagerung in einem Lastwagen sei die Produktion auf 7000 Liter steigerbar.  Auch an einige Apotheken liefert Michael Schultz sein Destillat bereits, er wünsche sich aber mehr Bereitschaft zum Umdenken bei den Apothekern. Viele würden trotz der neuen Bestimmungen noch zögern, den Alkohol bei einer Whisky-Destille zu kaufen. 

Auch genug Flaschen lagern in Glindow

Dabei könnte Schultz nach eigener Aussage auch bei einem anderen Problem helfen: Wie berichtet fehlen derzeit auch Flaschen zum Abfüllen von Desinfektionsmitteln. Auf dem Siedlerhof liegen aber 30 000 Literflaschen, in die eigentlich Obstwein abgefüllt werden sollte. Zwar wird trotz der Absage des Baumblütenfestes der Obstwein im Hofladen verkauft, aber bei weitem nicht in den Mengen, die sonst über den Verkaufstisch gehen. Allerdings verfügen die Flaschen nicht über einen Pumpmechanismus.

Der Roggen sollte eigentlich zu Whisky werden

Die Produktion könne noch lange aufrechterhalten werden, sagt Michael Schultz: 50 Tonnen seines Champagnerroggens seien noch im Lager. Die Getreidesorte baut Schultz seit Jahren an, da sie zwar etwas weniger Ertrag als andere Sorten bringe, dafür aber widerstandsfähiger etwa gegen Trockenheit sei. Eigentlich sollte der Roggen in den nächsten Wochen zu Whisky verarbeitet werden. Angesichts der derzeitigen Situation hat sich der Brenner jedoch dafür entschieden, die Produktion umzustellen. „Leben retten ist doch mehr wert, als das am Ende noch eine Flasche mehr in der Vitrine steht“, kommentiert der Unternehmer. 
Damit spielt Michael Schultz auf die vielen Auszeichnungen an, die er in den vergangenen Jahren für seine Produkte erhalten hat, etwa bei der Fachmesse Destillata. Zuletzt erhielt Schultz auf der Grünen Woche den Marketingpreis des Verbandes Pro Agro für eine Glasflasche, in die sein Handabdruck eingearbeitet ist und die so die Handarbeit symbolisieren soll, die im Produkt steckt. Seit 2008 wird in Glindow Whisky produziert, zunächst in kleinerem Maßstab, später in einer eigenen Brennerei.

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