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Geschichtsaufarbeitung in Petzow: Geschichte neben dem Schloss

Seit 15 Jahren arbeitet der Petzower Heimatverein die Geschichte des Ortes auf und hilft bei historischen Rekonstruktionen. Dabei konnte der Verein bereits zwei Großprojekte stemmen.

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Ein Dorf als Werbeausstellung: Wer durch die Petzower Zelterstraße von der Kirche zum Schlosspark läuft, sieht Ziegelhäuser verschiedener Art, vom kleinen Spritzenhäuschen für die Feuerwehr über flache Bauernhäuser mit hohen Giebeln bis hin zum ausladenden Taubenturm. „Ziegeleibesitzer von Kaehne hat hier einst alle Bauernhäuser abreißen lassen und mit Steinen aus seiner Manufaktur neu bauen lassen, um zu zeigen, was mit seinen Materialien alles möglich ist“, sagt Karl-Heinz Friedrich, der Vorsitzende des Petzower Heimatvereins, begeistert. In diesem Monat feiert der Verein sein 15-jähriges Bestehen.

17 heimatgeschichtlich interessierte Menschen haben den Verein im Jahr 2002 gegründet, inzwischen ist er auf 38 Mitglieder angewachsen. Und die sind schlagkräftig: Zwei Großprojekte konnte der Verein bisher schon stemmen. „Das finanziell größte Projekt war sicher die Orgel für die Schinkelkirche“, sagt Friedrich. Schon vor der Vereinsgründung haben sich einige Mitglieder dafür eingesetzt, eine Orgel in die dem Landkreis gehörende Kirche zu bringen, die ein beliebter Ausstellungsort ist. „Wir wollten, dass dort auch Konzerte durchgeführt werden können“, so der 67-Jährige, der 1999 von Potsdam nach Petzow gezogen ist und vor seiner Pensionierung im Bundesarchiv gearbeitet hat. Zehn Jahre lang hat der Verein Spenden gesammelt, wurden Förderanträge gestellt. Bis die 170 000 Euro schließlich zusammen waren und die Orgel zu Pfingsten 2011 eingeweiht werden konnte.

1945 wurden Staffelgiebeltürme an der Toreinfahrt abgetragen - vermutlich für den Hausbau

Bei den Staffelgiebeltürmen, die eine Toreinfahrt zwischen der Kirche und dem Schloss säumen, war der Verein sogar selbst Bauherr. 1945 wurden die originalen Türme abgetragen, die Ziegel wurden wahrscheinlich für den Hausbau benötigt. Ortsvorsteher Bernd Hanicke hatte noch ein Bild der Türme. Ein Architekt hat danach und nach den Abmaßen der damaligen Ziegel die sechseinhalb Meter hohen Schmucktürme rekonstruiert. zwischen 2014 und 2016 wurden sie gebaut, mit 20 000 Euro Spendengeldern und mehr als 50 000 Euro der Stadt Werder (Havel). Doch nicht nur baulich hat der Verein in eineinhalb Jahrzehnten den Ort mitgeprägt. Das Waschhaus im Schlosspark – der wegen der Sturmschäden des Herbstes noch immer nicht betreten werden darf – ist zu einem belebten Heimatmuseum geworden, das ab April wieder jeden Sonntag geöffnet haben soll.

Dort gibt es auch kostenlos die „Schriften des Heimatverein Petzow e. V.“, heimatgeschichtliche Beiträge der Hobby-Historiker. Karl-Heinz Friedrich selbst hat in den vergangenen Jahren wie berichtet zwei Bücher veröffentlicht, „Die Kaehnes in Petzow“ und „Petzow – relativ absolut“. Auf Vorschlag von Ortsvorsteher Hanicke will der Heimatverein ab dem kommenden Jahr aber wieder im Ortsbild sichtbare Spuren hinterlassen: Ein vier Meter hohes Kirchenkreuz im Schlosspark.

„Nach dem Krieg sollte ja ohnehin alles weg, was mit dem König oder den alten Gutsherren irgendwie in Verbindung stand“

Wie berichtet baut Investor Klaus Kosakowski, der auch im Heimatverein ist, derzeit die alte Schule neben dem Parkeingang als Café um. „Bei der Grundstückserschließung ist man dann auf den Sockel des Kreuzes gestoßen, der in der Erde vergraben war“, so Friedrich.

Das Kreuz, das auf einem Platz zwischen Gutshaus und Petzower Haussee stand, markierte den Standort der früheren Petzower Fachwerkkirche. Sie wurde abgerissen, als von Kaehnes Musterort unter Planung von Lenné und Schinkel Anfang des 19. Jahrhunderts umgestalteten wurde. „Damals wurden in ganz Preußen viele Kirchen abgerissen. Einem königlichen Erlass zufolge musste an ihrer Stelle aber immer ein Kreuz oder ein Mahnmal errichtet werden, um den Ort vor ,Profanation’ zu schützen“, sagt der Vereinsvorsitzende.

Im Gegensatz zum Sockel wurde das Kreuz, was auf ihm thronte und auf Grund der Sockelmaße auf vier Meter Höhe geschätzt wird, nicht aufgefunden. Womöglich wurde es ebenfalls nach dem Zweiten Weltkrieg als Baumaterial verwendet. Augenscheinlich hatten die Petzower das auch mit dem Sockel vor, ein großer Riss an der Seite und abgeplatzte Ecken zeugen davon. „Nach dem Krieg sollte ja ohnehin alles weg, was mit dem König oder den alten Gutsherren irgendwie in Verbindung stand“, sagt Friedrich.

Was es kosten wird, ein neues Kreuz – möglichst wie einst aus Pirnaer Sandstein – aufstellen zu lassen, ist Karl-Heinz Friedrich zufolge derzeit unklar. 2018 sollen die Untersuchungen dazu starten. Danach will der Verein erneut Spenden und Fördermittel einwerben, um einen Teil der Ortsgeschichte zu rekonstruieren.

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