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Ärzte haben bereits vor 100 Jahren Tuberkulose-Kranke in den Heilstätten behandelt.

© Förderverein Heiz-Kraft-Werk

Geschichte der Beelitzer Heilstätten: Wo die Lunge endlich Luft bekam

Die Beelitzer Heilstätten dienten in ihrer Geschichte als Sanatorium, Lazarett und Militärkrankenhaus. Ein Überblick.

Von Enrico Bellin

Beelitz- Als die Tuberkulose rund um die Wende zum 20. Jahrhundert in den engen und feuchten Hinterhöfen der Berliner Arbeiterviertel immer stärker um sich griff, entschloss sich die Berliner Landesversicherungsanstalt, vor den Toren der Hauptstadt in einem Wald bei Beelitz einen Sanatoriumskomplex für Lungenkranke zu errichten. Sie kaufte das 200 Hektar große Gelände und begann im Jahr 1898 mit dem Bau der Anlage, die 1902 eingeweiht wurde. Damals hatte die Anlage eine Kapazität von 600 Betten, die mit weiteren Neubauten verdoppelt wurde. Die Zahl der Häuser wuchs im Laufe der Zeit auf 60 an. Aus dem Aushub der Baustellen wurde nahe der Autobahn eine künstliche Hügellandschaft modelliert, die „Heilstätter Alpen“.

Die Heilstätten wurden nach damals modernsten medizinischen Erkenntnissen gebaut und so konzipiert, dass sie sich autark versorgen konnten. So übernahm das erste Fernheizkraftwerk Deutschlands, dessen sanierter Wasserturm heute ein Wahrzeichen von Beelitz ist, die Strom- und Wärmeversorgung des gesamten Areals. Die Fernwärmerohre zu den einzelnen Gebäuden verliefen in einem kilometerlangen Schachtsystem unter den Gehwegen und sorgten dafür, dass die Wege auch im Winter eisfrei blieben. Mehrere Gärten sowie eine hauseigene Großschlachterei für Tiere aus der Region stellten die Ernährung von Patienten und Ärzten sicher.

In den Weltkriegen als Kriegslazarett

Das Gelände wurde durch die Bahntrasse und die Landstraße in vier Sektoren unterteilt. Männer waren auf der rechten Straßenseite untergebracht, Frauen auf der linken. Ansteckende Krankheiten wie Tuberkulose wurden nördlich der Bahntrasse behandelt, nicht ansteckende südlich.

Während beider Weltkriege wurde das Sanatorium als Kriegslazarett umgenutzt, um verwundete Soldaten zu versorgen. Allein im Ersten Weltkrieg wurden dort fast 18.000 Soldaten behandelt, unter ihnen im Jahr 1916 auch der damalige Gefreite Adolf Hitler. Wie Postkarten belegen, waren die Patienten selbst während des Krieges so gut versorgt, dass sie ihren Besuchern Essen mit nach Hause geben konnten.

Noch während des Zweiten Weltkrieges wurde nach Plänen des Architekten Egon Eiermann ein Ausweichkrankenhaus für Potsdam südlich des Frauensanatoriums gebaut und 1942 eingeweiht. Nach dem Krieg wurde der Flachbau bis 1998 als Fachklinik für Lungenkrankheiten und Tuberkulose genutzt, heute befindet sich dort die Parkinsonklinik der Recura-Kliniken Beelitz.

Wladimir Putin war Patient

Von 1945 bis 1994 diente das Heilstätten- Areal als größtes Militärhospital der Sowjetunion außerhalb der russischen Grenzen, nur der Eiermann-Bau war für die deutschen Patienten zugänglich. Neben Bürgern der DDR wurden im Hospital auch Sowjets aus Polen oder der damaligen Tschechoslowakei behandelt, auch der damalige KGB-Mitarbeiter Wladimir Putin war in den Heilstätten Patient. Ende 1990 flüchtete der an Leberkrebs erkrankte Erich Honecker mit seiner Frau Margot in die Heilstätten, ehe er im März 1991 zunächst nach Moskau ausgeflogen wurde. Seit dem Abzug der Sowjets 1994 stehen zwei Sektoren der Heilstätten leer, in den anderen sind die Recura-Kliniken.

Lesen Sie weiter:

Die Schönheit des Verfalls -  Eine Reportage über die Beelitzer Heilstätten lesen Sie HIER.

Über den Ruinen schweben - Was zukünftig mit dem Gelände passieren soll lesen Sie HIER.

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