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Geliebt in Kleinmachnow: Sarah Kuttner las in den Kammerspielen

Sarah Kuttner las in Kleinmachnows Kammerspielen aus ihrem neuen Buch "Hundert Grad Meer". Eine ehrliche Show, die Kuttner voll im Griff hatte. Das Publikum liebte sie dafür.

Kleinmachnow - Wo immer Sarah Kuttner aufkreuzt, ist die Bude voll. Das war bei Harald Schmidt und Stefan Raab im Fernsehen so, nicht minder in den Kammerspielen zu Kleinmachnow letzten Freitag, wo die TV-Moderatorin und Buch-Autorin eine vielzählige Lesereise startete.

Diese Frau des Jahrgangs 1979 und Tochter eines nicht unbekannten Radio-Mannes gleichen Namens ist einfach, ja was: sehenswert, vielleicht auch hörenswert, obwohl sie zugibt, geschwätzig und „sehr anstrengend“ zu sein. Dass sie in den Neuen Kammerspielen auf ein Publikum traf, an dem zuerst einmal sie ihre helle Freude hatte, nur nebenbei, das Parkett ist ja für jedes Schmeichelwort zu haben. Vor allem, wenn es ganz hartnäckig mit „Du“ und einer leicht gehobenen Fäkalsprache unterhalten wird. So sagte sie in einem Interview einmal, „viele finden mich wahnsinnig doof und scheiße“, was übersetzt bedeutet: Liebt mich doch, so wie ich bin! Dergestalt bemühte sie sich bei Viva und MTV, beim Playboy, was ihr Ärger mit Rapper Sido einbrachte.

Charme, Anekdoten und Schlagfertigkeit

Auch in Kleinmachnow legte sie sich kraft ihrer äußerst flinken Zunge sehr ins Zeug, alle Welt von sich zu überzeugen. Charme, Schlagfertigkeit, Wort-Paradoxa, Anekdoten, als TV-Moderatorin weiß man doch, wie’s geht. Natürlich war alles Show, natürlich hatte sie alles im Griff, besonders in den ersten zwanzig Minuten, welche der Selbstdarstellung dienten und hundert Prozent zu geneigter Publikumslaune führte. Der Hund an ihrer Seite (seinen Namen verriet sie nicht, er soll aber auf Klaus hören) enteilte erst am Ende der gut zweistündigen Lese-Veranstaltung. Wer hätte all die Worte solchen Liebeswerbens gezählt, jeder Promi will geliebt sein, dafür ist er ja da.

Eigentlich ging es ja um die Präsentation ihres neuen Romans „Hundert Grad Meer“, darin eine von Selbstzweifeln durchpflügte Frau ihre Mutter und den Freund verlässt, um nach England zu gehen, wo sie nicht nur den Bruder wiedertrifft, sondern – neben einem Hund – auch den krebskranken Vater, dessen Liebe sie stets vermisste. In Kritikerkreisen ging dieses Buch unter „tragikomische Road-Novel“ durch, aber ein bisschen, etwas me(h)er ist es doch: Protagonistin Jule hasst ihre suizidgefährdete Mutter und vermisst zugleich die Liebe des Vaters, der die Familie verließ. Dies alles gepaart mit viel Selbsthass. Für Eingeweihte ein klassischer Ödipus-Komplex. Ob sich die arme Jule in Südengland, am Meer, mit ihrem Erzeuger aussöhnt, verriet man natürlich nicht, doch eines ist sicher: So etwas schreibt keiner ohne „Selbstbeteiligung“. Hatte die Autorin ein früheres Buch nicht „Wachstumsschmerz“ genannt? Im Mainstream schreiben, um von ihm wegzukommen, nicht schlecht! Auch die Art ihrer Selbstinszenierung im ausverkauften Haus sprach Bände. Sie suchte den Beifall, setzte Pointen, warb durch das Publikum für sich selbst, mit ihrer Stimmkrankheit und mit Hund Klaus, dessen Name so wenig stimmt, wie sie selbst „im Osten“, im Osten von Stralsund, geboren sein will, am Meer ihrer Oma. In summa eine perfekte und dabei entwaffnend ehrliche Show mit dem Markennamen „Sarah Kuttner“. Kleinmachnows Publikum liebt sie dafür. 

Gerold Paul

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