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Freibad Kiebitzberge in Kleinmachnow: Wir bauen uns ein Schwimmbad

Es passte nicht in die Planwirtschaft, trotzdem bauten Freiwillige das Bad in Kleinmachnow. Auch nach 40 Jahren ist es dort noch immer wie früher.

Von Eva Schmid

Kleinmachnow - Die Drohung wirkte: Wenn ihre Kinder nachmittags sich selbst überlassen sind, werden sie nicht mehr im Schichtsystem arbeiten. Die Arbeiterinnen des Carl-von-Ossietzky- Werks (CvO) waren Anfang der 70er-Jahre wutentbrannt. Zog das Teltower Industriegebiet zwar viele Beschäftigte an, so wurde deren Nachwuchs aber vergessen. Um die Mütter zu beruhigen, wandten sich die Direktoren der Großbetriebe in und um Teltow an die Politik. Es war der Startschuss für den Bau des Freibads in den Kiebitzbergen vor 40 Jahren.

Freibadchef Markus Schmidt läuft über das Gelände, es ist kurz vor Mittag. Aus der Ausreiche am Schwimmbadrestaurant riecht es nach Frittierfett. Wenige Schritte weiter zieht ein Hauch von Sonnencremeduft in die Nase, gemischt mit dem Geruch von Wacholder. Entlang der Wege sind üppige Büsche des Zypressengewächses gepflanzt.

Im Freibad Kiebitzberge hat sich nicht viel verändert

Schmidt atmet tief ein. Das ist der Geruch von Sommer, den er aus seiner Kindheit kennt. „Eigentlich hat sich in den letzten vierzig Jahren hier gar nicht so viel geändert“, sagt der Geschäftsführer der Freibad Kiebitzberge GmbH, wie die Betreibergesellschaft heute heißt. Schwimmer-, Nichtschwimmer- und Planschbecken sind nicht größer geworden, die idyllisch gelegenen Liegewiesen haben ihre Form behalten, Schlange an der Kasse geht an heißen Tagen noch immer bis zum Ende der Straße. Schon früher kam das Freibad pro Saison auf 60 bis 100 000 Badegäste. Schmidt selbst hat in seiner dreijährigen Zeit als Geschäftsführer die 100 000 Marke noch nicht geknackt, vergangenes Jahr fehlten dazu 3000 Badegäste.

Vieles von dem, was man im Sommerbad sieht, ist mühsam und mit langem Atem zwei Jahre lang aufgebaut worden. Auf höchster Ebene stimmte die SED damals dem Vorhaben der Großbetriebe zu – jedoch durfte „der Bau nicht Bestandteil von bilanzierten Plänen sein“, schreibt der Förderverein des Bades in seiner Chronik. Es gab weder Geld noch Materialien – offiziell. Arbeiter aus dem Geräte- und Reglerwerk und dem CvO-Werk in Teltow sowie dem Gleichrichterwerk in Stahnsdorf wurden zum Bau abgestellt, hinzu kamen viele Freiwillige im Rahmen des in der DDR vielerorts praktizierten „Mach Mit“-Wettbewerbs. Das Ganze nannte sich Initiativprojekt und sollte unter anderem aus Überschüssen der Betriebe des Teltower Industriezentrums errichtet werden. Für die 4000 Quadratmeter große Anlage wollte man knapp vier Millionen Mark ausgeben. Der Subbotnik fand vor allem an Wochenenden und nach Feierabend statt.

Menschenmassen zur Eröffnung vor 40 Jahren

Schwimmen konnte der heute 42 Jahre alte Chef des Freibads noch lange nicht, als das Bad in den Kiebitzbergen 1976 eröffnete. Seit er sich erinnern kann, war er jeden Sommer dort mit seiner Familie. Schmidt blättert durch alte Fotos: Auf einem ein Seilkunstläufer, ein anderes zeigt eine junge Frau in Bademode. „Hier waren zur Eröffnung Menschenmassen“, sagt Schmidt. Neben Modeschauen und Seiltanzkünsten der aus Kleinmachnow stammenden Traber-Truppe gab es Marschmusik des NVA-Orchesters, Schwimmwettkämpfe und lange Reden. Wer damals als Erster in das zwei Millionen Liter umfassende Schwimmerbecken springen durfte, weiß Schmidt nicht mehr. Nur, dass um die Becken rote Rosen gepflanzt waren. „Eine der wenigen Sachen, die es heute nicht mehr gibt.“

Wenn man bedenkt, wie mühsam der Bau des Bades war, ist es umso erstaunlicher, dass auf Details, wie das Anlegen von Rosenbeeten, überhaupt geachtet wurde. Die Gruben, in die später die Becken kamen, wurden noch von Hand ausgehoben. An der Planwirtschaft vorbei musste der ehemalige Bauleiter Klaus Wandrei, der aus dem CvO zum Bau delegiert wurde, improvisieren.

Er besuchte andere Bäder, um überhaupt eine Idee von einer Bauplanung eines Schwimmbades zu bekommen. Er beschaffte Material, obwohl die Werke in und um Teltow laut Plan keine Überschüsse hatten. Es war Wandrei, der, als dem Bad Anfang der Jahrtausendwende die Schließung drohte, einen Förderverein zum Erhalt der Freizeitanlage ins Leben rief. Wandrei sollte einer der Ehrengäste zum Jubiläum am Wochenende sein, er verstarb aber vor Kurzem.

Die Ruhe nach dem Saisonende

Die ersten Badegäste in diesem Jahr sonnen sich auf der Wiese, die helle nackte Haut blendet noch in der Sonne. Schmidt hingegen ist im Gesicht schon gut gebräunt. Wenn er nicht hinterm Schreibtisch sitzen muss, dann läuft er über das Gelände. Sein schönster Platz ist das Schwimmwärterhäuschen. „Dort, kurz vor sieben Uhr morgens zu sitzen, Kaffee zu trinken und auf das leere Becken zu schauen, das genieße ich.“ Die Ruhe im Herbst nach dem Saisonende mag er am liebsten.

So leer wie heute als Chef des Freibads konnte Schmidt als kleiner Steppke das Bad nicht genießen. Er erinnert sich noch gut daran, als man Badekappe tragen musste, wie oft er ermahnt wurde, nicht vom Beckenrand zu springen. „Und die Bonbons mit Honigcreme vom Kiosk haben wir uns eins nach dem anderen reingezogen“, sagt der Kleinmachnower.

Ein Musterprojekt in der DDR

Auch wenn das Bad mittlerweile in die Jahre gekommen ist, die Technik ist zum Teil noch ausreichend. Früher war sie sehr modern: 1994 kam eine Solaranlage aufs Dach. Zehn Jahre zuvor wurde eine Wärmepumpe verbaut. Ein Musterprojekt in der DDR, heißt es in der Chronik des Freibads. Die Heizung, die zuvor das Wasser erwärmte, wurde mit Öl betrieben – nach der Ölkrise blieb das Wasser kalt, die Besucherzahlen reduzierten sich um mehr als die Hälfte.

Nach Jahren zähen Ringens geht es mit der Sanierung nun voran, das Bad gehört mittlerweile anteilig den Kommunen Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf. Die drei Hauptgebäude am Eingang wurden erneuert, der Saunabereich, den es von Anfang an gab, ist modernisiert. Im nächsten Winter sollen die alten Fliesen heraus, Schwimmer- und Nichtschwimmerbecken bekommen Edelstahlwände.

Ein bisschen Veränderung, die gebe es schon, aber bis auf die neue Außenanlage könne man davon als Badegast wenig sehen, sagt Schmidt. Ihn stört es nicht, dass es in seinem Sommerbad noch so zugeht wie seit vier Jahrzehnten. Heute wie früher sind die Eltern zufrieden, wenn sie ihre Kinder nachmittags im Freibad wissen. Und nicht nur der Nachwuchs der Region gehört zum Stammpublikum. Sehr zufrieden mit dem Bad in den Kiebitzbergen ist auch ein Entenpaar. Das kommt seit Jahren regelmäßig angeflattert und zwar kurz bevor die Saison eröffnet: Sie seien seine ersten Badegäste, sagt Schmidt und lacht.

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