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Die Forscher am Deutschen Institut für Ernährungsforschung untersuchen die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Gesundheit von den molekularen Grundlagen bis zur klinischen Anwendung.

© Patrick Pleul/dpa (Archiv)

Forschen gegen Volkskrankheiten: Warum erkranken manche Menschen an Krebs?

Rehbrücker Wissenschaftler haben die Lebensgewohnheiten von 10.000 Menschen erfasst. Durch eine Langzeitstudie wollen sie verstehen, warum Menschen an Krebs oder Demenz erkranken.

Von Enrico Bellin

Rehbrücke/Berlin - Wodurch entsteht Demenz und weshalb bekommen Menschen Krebs? Auf dem Weg zur Erforschung von Volkskrankheiten ist das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Rehbrücke einen Schritt vorangekommen: 10.000 Probanden haben die Forscher inzwischen im Rahmen der NAKO-Gesundheitsstudie untersucht, bei der an 18 Instituten deutschlandweit insgesamt 200.000 Menschen über Jahrzehnte hinweg auf ihre Lebensgewohnheiten und deren Auswirkung auf die Entstehung von Krankheiten hin untersucht werden sollen.

„Wir haben jetzt fünf Jahre lang Rohdiamanten gesammelt und werden das noch weitere fünf Jahre lang tun. Die Analyse beginnt Ende dieses Jahres“, sagt Sylvia Gastell, die Leiterin des Studienzentrums NAKO, kurz für Nationale Kohorte, am Dienstag im Konferenzraum des DIfE in Rehbrücke. Ihr Zentrum ist in Steglitz untergebracht, ist aber eine Tochter des DIfE. Die Rehbrücker Forscher haben unter anderem Untersuchungsmethoden für die Erfassung von Ernährungsverhalten und körperlicher Aktivität erarbeitet.

Bauchfett gemessen, Blut und Urin abgegeben

Alle 10.000 Teilnehmer haben dabei mindestens einen Tag lang standardisierte Tests und Untersuchungen über sich ergehen lassen. Unter anderem wurde ihr Bauchfett per Ultraschall gemessen, sie mussten Blut- und Urinproben abgeben. Jeder fünfte Proband musste zudem noch einmal wiederkommen und seinen Körper im Magnetresonanztomographen (MRT) durchleuchten lassen. „Dazu wissen wir nicht nur die aktuelle Adresse der Menschen, sondern auch ihre Wohnhistorie, den aktuellen Arbeitgeber und den vorherigen“, so Gastell. Die Angaben haben die Probanden freiwillig gemacht, der Datenschutz würde natürlich beachtet.

Was hat sich am Lebensstil verändert?

Erfasst wurden auch das Schlafverhalten, die Ernährung sowie Bewegungsgewohnheiten. Alle zwei bis drei Jahre müssen die Teilnehmer zudem in Fragebögen angeben, ob sich an ihrem Lebensstil etwas geändert hat oder ob neue Erkrankungen dazugekommen sind. Dann können die Forscher bei Ärzten oder Krankenhäusern Befunde anfragen. Diese Folgebefragungen stoßen Gastell zufolge auf hohe Resonanz: „Bisher haben 80 Prozent der Teilnehmer die Fragebögen zurückgeschickt.“

Das mache Mut für die nächste Runde: Ab Ende des Monats sollen die Probanden für eine Folgeuntersuchung fünf Jahre nach den ersten Tests ins Studienzentrum. Gastell rechnet damit, dass etwa 6750 Probanden wiederkommen. Alle Teilnehmer wurden per Zufall ausgewählt und sind zwischen 20 und 69 Jahre alt. Sie erhalten für ihren Aufwand lediglich eine kleine Entschädigung von 10 Euro pro Untersuchungstag.

Rehbrücker Ernährungsforscher sind führend

Für die Ernährungsforscher ist die Teilnahme an der Studie eine weitere Aufwertung des Institutes, sagt DifE-Vorstandmitglied Birgit Schröder-Smeibidl. Man habe neue Verbindungen zu der Berliner Charité geknüpft. Allerdings zahle das Institut dafür auch einiges: So wurden 700.000 Euro in das neue Studienzentrum investiert, von denen 600.000 Euro gefördert wurden. Im laufenden Studienbetrieb habe sich bisher ein Defizit von 137.000 Euro ergeben. Man hoffe daher künftig auf eine auskömmliche Finanzierung vom Bund.

Durch die hohen Kosten der Tests etwa im MRT ist Sylvia Gastell zufolge auch noch unklar, ob die Probanden zehn Jahre nach ihrer ersten Untersuchung in Steglitz zu einer dritten eingeladen werden. Vielleicht werde auch nur eine kleinere Gruppe ein weiteres Mal untersucht. Mindestens durch die Erfassung von Fragebögen soll die Studie aber insgesamt 20 bis 30 Jahre lang andauern. Die bisher eingegangenen Bögen werden derzeit auf ihre Plausibilität geprüft.

Die bei allen Tests erfassten Daten sollen später durch Wissenschaftler des DifE, aber auch durch andere Forscher ausgewertet werden können. „Jedes forschende Institut kann die Daten bei uns erfragen“, so Sylvia Gastell. Die Anträge der Institute würden geprüft, die Daten anonymisiert weitergegeben. So will man verstehen, warum ein Mensch etwa Krebs bekommt, ein anderer mit vergleichbarer Lebenslage aber nicht.

Wie viele Testergebnisse werden an die Probanden weitergegeben?

Heikel ist jedoch die Frage, wie viele Testergebnisse an die 10.000 Probanden weitergegeben werden. So will man Gastell zufolge ja eigentlich vermeiden, dass die Testpersonen bereits nach ersten Erkenntnissen ihren Lebensstil ändern, weil so dessen langfristige Folgen nicht untersucht werden könnten. 

Einige Ergebnisse wie das Blutbild oder die Körperfettanalyse würden aber an jeden Teilnehmer übermittelt. Und bei bestimmten Diagnosen würde ohnehin zum sofortigen Arztbesuch geraten. „Ich kann mich an einen Familienvater erinnern, bei dem beim MRT ein kleiner Tumor in der Lunge gefunden wurde“, so Sylvia Gastell. Dieser habe später problemlos entfernt werden können – der Mann habe sich danach persönlich bei den Forschern bedankt.

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