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Nachdem die Flüchtlinge am Gutshof eingelassen wurden, erhalten sie vom Wachschutz Wartenummern. Ab 9 Uhr beginnen dann die Gespräche.

© A. Klaer

Flüchtlinge in Potsdam-Mittelmark: Lageso in Werder?

Die Ausländerbehörde in Werder ist offensichtlich überlastet. Asylbewerber müssen bereits in der Nacht anstehen, um einen Termin zu bekommen. Ein Flüchtling soll außerdem vom Behördenleiter beleidigt worden sein.

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Flüchtlinge, die ab 4 Uhr früh vor der Ausländerbehörde warten oder gleich vor ihr übernachten, um noch am selben Tag einen Termin in der Behörde zu ergattern: Was man bisher nur vom Berliner Lageso kennt, gibt es anscheinend auch bei der Ausländerbehörde des Landkreises Potsdam-Mittelmark am Werderaner Gutshof. In einem Fall ist sogar von einer schweren Beleidigung die Rede.

„Ich selbst war um 5.45 Uhr mit einem Syrer in Werder, da standen schon 30 Menschen vor uns, teilweise mit Kleinkindern“, schildert Beate Apelt den PNN. Sie leitet das Kleinmachnower Begegnungscafé und begleitet syrische Flüchtlinge im Alltag. Trotzdem es beim Termin nachts noch mehrere Grad unter dem Gefrierpunkt waren, wurden die Wartenden erst ab 7.30 Uhr eingelassen. Dann bekamen sie Wartemarken, ab 9 Uhr begannen die Gespräche. „Wer erst zur Öffnung um 9 Uhr da ist, hat keine Chance, noch einen Termin zu bekommen“, so Apelt. Sie selbst wurde nach stundenlanger Warterei von ihrem Mann abgelöst, der mit dem jungen Syrer schließlich um 13.30 Uhr an die Reihe kam. Meist müssen die Flüchtlinge zur Ausländerbehörde, um ihre Aufenthaltsdokumente erneuern zu lassen. Aus dem gesamten Kreisgebiet ist dazu die Fahrt nach Werder nötig.

Flüchtlinge verbringen die Nacht vor der Ausländerbehörde in Werder

Ein Mitglied des Bad Belziger Unterstützernetzwerks, das den PNN namentlich bekannt ist, jedoch nicht genannt werden möchte, beschreibt noch drastischere Zustände als Beate Apelt. Die Situation sei verheerend: „Es gibt Flüchtlinge aus den abgelegenen Unterkünften, die schon am Abend in Belzig in den Zug steigen, um nach Werder zu fahren und die Nacht vor der Ausländerbehörde zu verbringen.“ Andere stünden vor 4 Uhr auf, um mit dem ersten Zug nach Werder zu fahren.

Dass Flüchtlinge mehrere Stunden vor dem Einlass am Werderaner Gutshof warten, um einen Termin für den Tag zu bekommen, ist der Verwaltung laut Kreissprecher Kai-Uwe Schwinzert bekannt. Sieben Mitarbeiter kümmerten sich um die mehr als 2000 Flüchtlinge im Landkreis sowie um sämtliche anderen Anfragen von Ausländern. Zwei der Mitarbeiter seien erst im Januar eingestellt worden und befänden sich noch in der Einarbeitung. Zudem habe es im vergangenen halben Jahr einen Krankenstand von 30 Prozent gegeben, aktuell sei noch immer ein Mitarbeiter erkrankt. „Der Fachbereich wünscht sich weitere Verstärkung, über die derzeit intern diskutiert wird“, sagte Schwinzert. Ob und ab wann aber mehr Mitarbeiter in der Behörde arbeiten werden, sei derzeit nicht abzuschätzen.

Schwinzert zufolge wurden schon Maßnahmen veranlasst, um die Situation zu entspannen: So soll der Wachdienst bereits um 7 Uhr das Gebäude aufschließen, zudem wurde der Wartebereich vergrößert. Da im Gebäude Rettungswege freizuhalten wären, sei ein noch früherer Einlass nicht möglich. Seit Monatsanfang gibt es geänderte Öffnungszeiten, die die Lage sogar verschärft haben: Flüchtlinge können nur noch dienstags vorsprechen, „20 bis 25 Vorgänge“ könne ein Mitarbeiter am Tag erledigen. Durch die Änderung soll die Wartezeit etwa von ausländischen Studenten oder EU-Bürgern verkürzt werden, für Flüchtlinge steht hingegen ein Tag weniger zur Verfügung.

Behördenleiter soll Flüchtling als "Sozialschmarotzer" bezeichnet haben

Wie der Belziger Flüchtlingshelfer den PNN sagte, würden die Mitarbeiter die Asylbewerber teilweise sogar beleidigen: Behördenleiter Hans-Jörg Hallex etwa habe einen Flüchtling als „Sozialschmarotzer“ bezeichnet, der das Land „schnellstmöglich verlassen“ solle. „Es gibt Fälle, in denen Flüchtlinge den Kreis verlassen haben, da sie sich woanders mehr Chancen auf Anerkennung erhoffen“, so der Helfer.

Den Vorwurf der Beleidigung weist Kreissprecher Schwinzert zurück. Der Behördenleiter sei angesichts der Vorwürfe gegen ihn schwer erschrocken, sie seien absurd. „Auch dem Landrat ist nichts über ein Fehlverhalten von Herrn Hallex bekannt“, sagte Schwinzert. Hallex sei bereits seit 20 Jahren in der Ausländerbehörde tätig, ähnliche Vorwürfe habe Schwinzert bisher nicht gehört.

Außenstelle in Teltow gefordert

Beate Apelt erklärte den PNN zu den Vorwürfen, die Mitarbeiter der Behörde seien zwar überlastet, aber freundlich. Auch sie fordert deutlich mehr Personal – und eine Außenstelle der Behörde in Teltow. „Das wäre extrem sinnvoll, da allein in unserer Region mehr als 1000 Flüchtlinge untergebracht sind.“ Zudem wäre es Apelt zufolge bereits eine große Hilfe, wenn Flüchtlinge schon vor der Fahrt nach Werder einen genauen Termin bekommen würden und nicht stundenlang in der Kälte anstehen müssten.

Daraus allerdings wird nichts: „Eine Terminierung würde aus Sicht der Kreisverwaltung nicht zu einer schnelleren Erledigung führen“, so Schwinzert. Schließlich würde die Terminvergabe Arbeitszeit kosten. Außerdem könnten langfristige Termine bei der derzeitigen Personaldecke nicht abgesichert werden, falls ein Sachbearbeiter krank wird. Derzeit mache auch eine Außenstelle in Teltow keinen Sinn, da man die sieben Mitarbeiter der Ausländerbehörde nicht noch auf mehrere Standorte im Landkreis verteilen könne.

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