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Gemeinnützige Radwerkstatt. Bei den meisten Fahrrädern muss lediglich der Rost entfernt und die ein oder andere Schraube festgezogen werden. Bei hartnäckigen Fällen, wie einer verstellten Gangschaltung, steht den Flüchtlingen ein Fachmann zur Seite.

© Björn Stelley

Flüchtlinge aus Stahnsdorf und Teltow: Schrauben für die Mobilität

Flüchtlinge aus Stahnsdorf und Teltow machen alte Fahrräder wieder fit. Spielplatz in Stahnsdorf geplant

Kleinmachnow - Etwas verwundert schauen die Flüchtlinge aus Teltow und Stahnsdorf dem Medienrummel vor der Fahrradwerkstatt in Kleinmachnow zu. Am gestrigen Donnerstag besuchte Mittelmarks Landrat Wolfgang Blasig (SPD) das gemeinsam erarbeitete Projekt des Landkreises, des Kleinmachnower Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) und der Union Sozialer Einrichtungen (USE). Das Interesse war groß, und so wurde er nicht nur von engagierten Bürgern, sondern auch von sämtlichen Medien der Region in Empfang genommen.

Mitten in Kleinmachnow, in einem kleinen Waldstück, schrauben die Flüchtlinge an reparaturbedürftigen Drahteseln. Die Arbeit ist keine profane Beschäftigungsmaßnahme, sondern soll vor allem der Integration dienen, so der Landrat. „In dieser Region herrscht eine hervorragende Willkommensstruktur“, so Blasig. „Solche Projekte machen unsere Gesellschaft bunt und das ist ein gutes Zeichen.“

Immer mehr Flüchtlinge müssen in Zukunft von Potsdam-Mittelmark aufgenommen und in Übergangswohnheimen untergebracht werden. Pro Woche bekommt der Landkreis etwa 30 zusätzliche Flüchtlinge aus Eisenhüttenstadt zugewiesen. Eine aktuelle Prognose zeigt, dass in diesem Jahr 1300 Flüchtlinge aufgenommen werden müssen. Damit fehlen 400 Betten. Als Konsequenz werden nun einige Flüchtlinge in Bad Belzig in Zeltlagern untergbracht werden (PNN berichteten). Trotz der Mehrbelastung sind die Kommunen mit den Flüchtlingen nicht überfordert, so der Landrat. „Die Kommunen stehen vor großen Herausforderungen“, sagt Wolfgang Blasig im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen. Im selben Atemzug lobt er das Engagement der Menschen, die sich für die Flüchtlinge einsetzen und sie unterstützen. „Ich erkenne hier eine sehr starke Zivilgesellschaft und das beruhigt mich“, so Blasig.

Einer, der Engagement für Flüchtlinge in seiner Freizeit zeigt, ist Klaus Hofmann aus Kleinmachnow. Jeden Dienstag fährt das Mitglied der ADFC-Ortsgruppe mit rund zehn Asylbewerbern durch die Mark. „Um 15 Uhr geht’s immer los, aus Teltow in das nähere Umfeld“, sagt Hofmann. Berührungsängste hatte er keine. „Warum auch?“, fragt er. „Ich hatte mir überlegt, wie es mir wohl gehen würde, wäre ich in einem fremden Land Flüchtling“, sagt Hofmann. „Nach zwei Wochen fällt einem doch die Decke auf den Kopf und spätestens dann kommt man auf dumme Gedanken.“ Anfangs habe es noch kleinere Verständnisprobleme gegeben, denn nicht jeder Flüchtling kennt sich mit Verkehrsregeln aus, erzählt Hofmann. „Mittlerweile habe ich den Teilnehmern aber die wichtigsten Verkehrsschilder erklären können.“

Die Fahrradwerkstatt der USE in Kleinmachnow ist Teil des Sozialprojekts „Neue Arbeit“ für die Wiedereingliederung psychisch kranker Menschen und Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt. Verschiedene handwerkliche Bereiche werden angeboten, darunter eine Tischlerei, eine Übungsküche und eine Schlosserei. „Wir kennen den Stellenwert von Arbeit“, sagt USE-Geschäftsführfer Wolfgang Grasnik. Das Projekt für die Flüchtlinge lag also nahe, so Grasnik weiter. Die Asylbewerber bekommen für die gemeinnützige Arbeit 1,05 Euro. Maximal zehn Stunden dürfen die Flüchtlinge pro Woche in der Werkstatt Räder festschrauben und Gangschaltungen justieren. Wer in Kleinmachnow Schraubenschlüssel und Ölflasche in die Hand nehmen darf, wird gemeinsam mit den Sozialarbeitern in den Flüchtlingsunterkünften bestimmt.

Die Arbeit biete eine willkommene Abwechslung. Das bestätigt auch Thomas Kaminsky, der das Asylbewerberheim in Stahnsdorf leitet. „Es ist gut, dass es diese Art der Beschäftigung gibt“, sagt Kaminsky. Reparierte Räder helfen den Flüchtlingen nicht nur dabei mobil zu sein, um ihre Einkäufe zu erledigen oder zur Schule zu kommen, so Kaminsky. „Die Beschäftigung bringt Abwechslung und man kommt auf andere Gedanken“, sagt er. Andere Gedanken will Kaminsky auch den Kindern im Stahnsdorfer Asylbewerberheim verschaffen, denn noch immer fehlt es an einem Spielzimmer. Einen Spielplatz gebe es auch noch nicht. „Wir haben bei dem Besitzer des Grundstücks angefragt, ob wir einen Spielplatz bauen dürfen“, sagt Kaminsky. „Die Genehmigung wird wohl einige Wochen dauern“, beklagt er. „Immerhin kommt jetzt erstmal ein Sandkasten.“ Froh sei er über das Angebot des Sommercamps für Kinder der evangelischen Kirchengemeinde in Kleinmachnow. „Ohne dieses freiwillige Engagement ist die Verbesserung in den Unterkünften einfach nicht machbar“, lobt der Heimleiter die Willkommenskultur.

Die Fahrräder in Kleinmachnow werden unter fachkundiger Anleitung instandgesetzt und verkehrssicher gemacht. Anschließend werden sie codiert und an die Heime verteilt. Fahrradspenden können in der zentralen Annahmestelle am Fuchsbau 47 in Kleinmachnow abgegeben werden.

Björn Stelley

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