zum Hauptinhalt

ERPRESSUNG IN POTSDAM-MITTELMARK: Erpresser mit Handyortung überführt

UPDATE. Ein Arbeitsloser drohte einer Unternehmerfamilie aus Rogäsen mit Mord. Er wollte 800000 Euro. Polizei und Staatsanwaltschaft kamen ihm nach vier Tagen per Handyortung auf die Spur.

Rogäsen - Vier Tage lang wurde der mittelständische Eiswaffelfabrikant Jörg S. aus Rogäsen erpresst – am Samstag gelang der Polizei die Festnahme des 54-jährigen mutmaßlichen Täters. Er hatte zuvor gedroht, die zwölfjährige Tochter des Unternehmers umzubringen und 800 000 Euro von dem Geschäftsmann gefordert. Der Tatverdächtige, ein Arbeitsloser, sitzt nun in Untersuchungshaft. Er soll die Familie gekannt haben – und Jäger sein. Im Tatfahrzeug, einem Mercedes, wurde eine Schreckschusspistole gefunden.

Die Polizei machte ihren Fahndungserfolg erst am Montag bei einer Pressekonferenz öffentlich: Den ersten Informationen zufolge wurde der 47-jährige Jörg S., Geschäftsführer einer Eiswaffelfabrik in Rogäsen (Amt Wusterwitz), von einem Unbekannten angerufen. Der Mann forderte 800 000 Euro, ansonsten sehe er sich gezwungen, ein Familienmitglied des Geschäftsmanns zu erschießen. Als Zeichen der Kooperation sollte das Opfer die Fahnen vor dem Unternehmenssitz auf Halbmast setzen lassen.

Die Unternehmerfamilie wurde sofort unter Polizeischutz gestellt, Mutter und Tochter an einen versteckten Ort gebracht. Die Ermittler leiteten alle Schritte ein, um dem Erpresser auf die Spur zu kommen. Nach knapp vier Tagen hatten die Fahnder Erfolg: Am Sonnabend ist ein 54-jähriger Tatverdächtiger aus Sachsen-Anhalt gegen 18.30 Uhr von Spezialeinsatzkräften auf einem Parkplatz der Autobahn A2 festgenommen worden. Der Mann sitzt nun in Untersuchungshaft. Die Ermittler hatten den mutmaßlichen Erpresser durch die Ortung seines Handys aufgespürt (siehe Kasten).

Er war laut Polizeiangaben früher Bezirksleiter einer Firma, seit vier Jahren arbeitslos und kannte sein Opfer nur „beiläufig aus dem privaten Bereich“. Der 54-Jährige lebte zusammen mit einer Lebensgefährtin und einer Tochter in der Nähe von Genthin im Jerichower Land und war bei der Polizei bislang nie auffällig geworden. Nach bisherigem Ermittlungsstand waren seine Geldvorräte - laut Oberstaatsanwalt Heinrich Junker eine „erkleckliche Summe“ - aufgrund der Arbeitslosigkeit aufgebraucht.

Sein Opfer, der Unternehmer Jörg S., war am Montag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. „Der Chef ist nicht im Hause. Wir haben erst von den Medien über den Vorfall gehört“, sagte eine Mitarbeiterin der Waffelfabrik. In dem mittelständischen Unternehmen mit rund 40 Beschäftigten werden nach Angaben der Mitarbeiter hauptsächlich Eiswaffeln produziert. Eine polnische Tochterfirma stellt zudem cremegefüllte und schokolierte Waffeln für das Unternehmen her, hieß es. Trotz des Vorfalls habe der Werksverkauf geöffnet. Der Bruder des Unternehmers Jörg S. betreibt ein Waffel-Vertriebsunternehmen in Mayen bei Koblenz. Ein weiteres Werk werde derzeit nahe Magdeburg in Sachsen-Anhalt gebaut.

Die Ermittler waren dem geständigen Erpresser per Handy-Ortung auf die Spur gekommen. Das bedeutet, dass offenbar die Ermittler – nachdem der Erpresser-Anruf beim Opfer eingegangen war – über den Telefonanbieter des Opfers die Telefon- bzw. Gerätenummer des Anrufers identifiziert haben. Mithilfe der identifizierten Gerätenummer kann die Polizei über eine Software verfolgen, wo sich das – angeschaltete – Handy aufhält und wohin es sich bewegt. So kam man auch dem Erpresser auf die Spur.

Nach dem ersten Anruf des Täters war der Verdacht noch auf einen Berliner gefallen, auf den die Prepaid-Karte angemeldet war. Er wurde nach seiner Vernehmung aber wieder von der Verdächtigenliste gestrichen.

Als der mutmaßliche Erpresser am Samstag sein Handy mit einer neuen Prepaid-Karte erstmals wieder anstellte, konnten Spezialkräfte von der Wohnung aus die Verfolgung aufnehmen. Sie beobachteten, wie er seine Wohnung verließ und auf die Autobahn fuhr. „Als klar war, dass wir es mit einem Einzeltäter zu tun haben, erfolgte der Zugriff“, sagte Hauptkommissar Frank Güldner.

Auf einem Autobahnparkplatz bei Brandenburg (Havel) ließ sich der 54-Jährige schließlich widerstandslos festnehmen. Er war gerade dabei, mit Gummihandschuhen eine SMS mit Instruktionen an sein Opfer zu verfassen. Im Auto wurden auch mehrere Schilder mit Hinweisen gefunden, die offenbar für eine Art Schnitzeljagd für die Geldübergabe genutzt werden sollten. Die Polizei nahm den Fall als Beleg, dass die in Brandenburg umstrittene Handyortung für die Ermittlungen dringend gebraucht wird. „Es ist ein Beispiel für die Effekte, die mit modernen Ermittlungsmethoden bei der Strafverfolgung erzielt werden können“, sagte Polizeidirektor Hans-Jürgen Mörke. „Nur die Handyortung hat in diesem Fall den schnellen Erfolg sichergestellt.“

Mit der Verhaftung hat die Brandenburger Polizei in kurzer Zeit zum zweiten Mal einen Erpresser geschnappt. Erst im Februar 2011 war die Entführung einer Vierjährigen aus Kleinmachnow unblutig beendet worden. Der 45-jährige Kidnapper wurde zu neun Jahren Gefängnis verurteilt.

Ungeklärt sind dagegen mehrere Anschläge auf die Berliner Unternehmerfamilie Pepper, die in Brandenburg Ziel eines Kriminellen geworden ist: Der Täter ist nach vier Monaten noch immer nicht gefasst. Er hatte im Oktober nahe der Villa in Bad Saarow auf Peppers Tochter geschossen und ihren Leibwächter lebensgefährlich verletzt. Möglicherweise derselbe Täter soll im August Peppers Ehefrau mit einem Knüppel angegriffen haben. Die Familie befindet sich unter Polizeischutz.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false