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Eröffnungswochenende: Mit dem Polizeichef übers Baumblütenfest

Zum Start des Baumblütenfestes kamen besonders viele feierwütige Jugendliche nach Werder. Der Leiter der Polizeidirektion West war gelassen, seine Kolleginnen brauchten dagegen bereits starke Nerven.

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Der Werderaner Spielmannszug trommelt zu den Klängen von „Daddy Cool“, ein paar Wagen weiter steht ein Surfer auf dem Brett und bewegt sein Segel, das Publikum honoriert es mit Applaus: Es ist eine ausgelassene Stimmung beim Baumblütenumzug in der Werderaner Innenstadt am Samstagmittag, Tausende Gäste säumen die Strecke. „Die Werderaner lassen sich auch vom Wetter nicht die Stimmung vermiesen“, sagt Peter Meyritz, Leiter der Polizeidirektion West, angesichts des dicht bewölkten Himmels. Dann sucht er sich seinen Weg durch die Massen, um zur täglichen Lagebesprechung mit Stadt, Feuerwehr und Rettungsdiensten in die Feuerwache in der Kemnitzer Straße zu kommen. Die Besprechung ist nach zehn Minuten zu Ende, gegen 14 Uhr gibt es keine besonderen Vorkommnisse.

In der Zentrale der Polizei in der Potsdamer Straße laufen indes die ersten Meldungen ein. Sechs Beamte sitzen im dritten Stock der Polizeiwache vor ihren Computern und koordinieren die Einsätze zu kleineren Schlägereien oder Unfällen.  An den Wänden hängen Karten mit den Sperrungen für Autofahrer. Sicherungsposten rufen an, um zu klären, ob ein Organisator in die für Autos gesperrte Zone in der Innenstadt fahren darf. Polizeialltag. Peter Meyritz ist inzwischen in der Zentrale angekommen. Bevor er sich von dort wieder auf den Weg zur Festmeile macht, führt er noch durch den Gewahrsamstrakt: Zwei Einzelzellen und eine Gemeinschaftszelle für bis zu zehn Personen stehen bereit. „Die brauchen wir auch, wenn es doch mal größere Schlägereien gibt“, so Meyritz. Der gesamte Bereich ist gefliest. Im Sanitärraum gibt es ein hohes Spezialbecken für Menschen, die sich übergeben müssen. Viele Festbesucher werden Meyritz zufolge zum Selbstschutz in Gewahrsam genommen, da sie zu betrunken sind, um sicher nach Hause zu kommen.

Vereinzelt sieht man selbst um 14.30 Uhr am Rande der Festmeile schon Jugendliche, die sich kaum noch auf den Beinen halten können. Die Sicherungsposten, die die Wagen des Festumzuges wieder von der Insel herunterbegleiten, haben alle Hände voll zu tun, damit ihnen niemand vor die Räder läuft. Im Schritttempo fahren die Wagen von der Insel herunter. 

Auf der großen Bühne am Marktplatz eröffnet Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) gemeinsam mit Baumblütenkönigin Madeleine Reichelt das Fest am Nachmittag offiziell und erklärt, dass der Rhabarberwein in diesem Jahr ihr Lieblingswein ist. „Der ist einfach außerordentlich gut gelungen. Genießen Sie ihn, aber bitte in Maßen“, so Saß.

Tolle Stimmung wird gelobt

Wenige Hundert Meter hinter der Bühne ist der Obstgarten von Frank Wache direkt am Wasser gut gefüllt, fast alle Plätze sind besetzt. „Es ist einfach eine schöne Tradition, was Werder hier zum 140. Fest wieder mit dem Umzug macht. Sehr viele Leute engagieren sich ehrenamtlich dafür“, sagt Christina Suckea, die mit Mann, Kindern und Großeltern am Tisch sitzt. Ihr Sohn ist als Mitglied des Werderaner Schachvereins beim Umzug mitgelaufen. Auch Opa Wilfried Wandel lobt das gemütliche Fest, für das er jedes Jahr extra aus Prenzlau zur Familie nach Werder fahre. Trotz der Besuchermasse sei die Stimmung toll. „Wir machen bei uns in der Uckermark viel Werbung für das Fest hier.“

Ein Stückchen weiter sitzt Lydia Köppen mit zwei Freundinnen am Wasser. In Werder seien sie einst zur Schule gegangen. „Wir freuen uns das ganze Jahr über schon aufs nächste Baumblütenfest“, sagt die 19-Jährige, die inzwischen in Schenkenberg wohnt. Bis zum Festende gegen 22 Uhr würden sie bleiben. Wie sie das stundenlang durchhalten? „Ohne Sprit läuft der beste Motor nicht“, sagt Köppen und hält die angefangene Flasche Limettenwein in die Luft. Ein bis zwei Flaschen Wein würden sie schon jeweils trinken, „ganz gediegen“. Ihre 20-jährige Freundin Swantje Rose hat vor vier Jahren allerdings auch andere Erfahrungen gemacht, da habe sie ins Ausnüchterungszelt gebracht werden müssen und kaum noch etwas mitbekommen. Nur das Licht, das sich an den Reflektoren auf der Hose des Rettungssanitäters gebrochen hat, habe sie extrem gestört. „Der war aber total lieb, hat daraufhin die Hose ausgezogen und stand dann in seinen SpongeBob-Boxershorts neben mir, bis mich meine Eltern abgeholt haben“, erinnert sie sich.

Bereits am Nachmittag hinüber

Erstmals sind in diesem Jahr Jugendschutzteams von Stadt und Landkreis im Einsatz, um vor den Gefahren des Alkoholkonsums zu warnen und zu kontrollieren, dass niemand trinkt, der unter 16 Jahre alt ist. Auch die Polizei reagiere natürlich, wenn sie stark Betrunkene sehe. Allein gegen 16 Uhr gab es schon mehrere „hilflose Personen“, bei denen die Polizei Rettungskräfte alarmieren musste, sagt Polizistin Kerstin Schröder. Sie braucht starke Nerven auf dem Fest, immer wieder rufen junge Männer ihr Sprüche wie „Polizistenfrauen sind die Schönsten“ und andere Anzüglichkeiten hinterher, was sie nur mit hochgezogenen Augenbrauen kontert. „Das steckt man einfach weg“, sagt sie.

Das Publikum am Samstag ist ausgesprochen jung, findet auch Peter Meyritz. „Das könnte daran liegen, dass es das letzte Ferienwochenende ist und die Jugendlichen jetzt noch einmal ordentlich feiern wollen.“ Selbst rechts der Brücke, wo mit dem Riesenrad und dem Kettenkarussell eher der Familienbereich ist, sind schon am frühen Nachmittag kaum noch Familien oder ältere Festgäste zu sehen. „Die haben wahrscheinlich auf die Wettervorhersage geschaut und kommen dann Mittwoch oder am zweiten Wochenende, wenn es schöner werden soll“, so Meyritz.

Obstweinverkäuferin Anna Rzegotta ist am Nachmittag trotzdem zufrieden. Das Fest verlaufe friedlich. „Am ersten Festtag war es selten so voll wie in diesem Jahr“, so Rzegotta. Besonders gut gingen die Weine aus Quitte und schwarzer Johannisbeere, für die die Familie mit der Goldenen Kruke ausgezeichnet wurde. „Die Werderaner achten da schon drauf. Die wissen, was schmeckt“, sagt die Verkäuferin.

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