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Architekt und Hund. Eine Aufnahme aus dem Jahr 1924.

© privat

Potsdam-Mittelmark: Ein Glücksfall für die Ortsgeschichte

Der Nachlass des Architekten Kurt E. Lange gewährt Einblicke in das Leben im alten Wilhelmshorst

Michendorf - Es war eine Radtour, die Kurt E. Lange im Sommer 1919 in das Berliner Umland und nach Wilhelmshorst führte. Der junge Architekt war sofort angetan von dem kleinen Ort, der urwüchsig mitten im Wald lag und zudem über eine günstige Bahnanbindung nach Berlin verfügte. Die ersten Siedler hatten dort bereits ihr Traumhaus auf eigener Scholle errichtet und Lange tat es ihnen gleich. Er entschloss sich zum Kauf eines Grundstückes im Föhrenhang. Es war der Startpunkt für ein wichtiges Kapitel Wilhelmshorster Ortsgeschichte.

Bis heute hat der Architekt mit seinen Bauten das Gesicht des Dorfes geprägt, berichtete Wolfgang Link, der Enkel Langes, am Samstag zur Eröffnung einer Ausstellung, die dem Werk seines Großvaters zu dessen 125.Geburtstag (1888 – 1965) gewidmet ist. Aus Platzgründen zeigt sie nur einen Bruchteil der Häuser, die dessen Handschrift tragen.

Zwar gibt es noch eine Reihe anderer Architekten, nach deren Entwürfe im Ort gebaut wurde, aber Lange ist, gemessen an der Zahl der Bauten, der wichtigste im Ort, wie Rainer Paetau, Vorsitzender der Freunde der Ortsgeschichte, nach Durchsicht des Nachlasses feststellte. Diverse Bauzeichnungen, Fotos und Briefe hatte der Enkel am Samstag offiziell dem Verein für das Ortsarchiv geschenkt – es ist ein wahrer Kulturschatz, der noch längst nicht erforscht ist. Denn die Geschichte der Häuser ist auch Teil der Ortsgeschichte geworden.

Etwa 60 Einwohner zählte Wilhelmshorst, als der Großvater mit seiner jungen Frau 1923 in das Haus im Föhrenhang 5 einzog, in dem heute der Enkel wohnt. Nach seiner Ansiedlung arbeitete Lange noch einige Jahre in einem Berliner Architekturbüro, ehe er sich als selbständiger Architekt in Wilhelmshorst niederließ. Rotes Dach, Fensterläden sowie heller Putz und heller Naturstein in der Sockelzone waren das Markenzeichen seiner Bauten im Landhausstil mit Elementen von Heimatschutzarchitektur. Doch der Architekt ging auch auf besondere Wünsche seiner Bauherren ein.

So plante er 1937 für ein Haus statt des üblichen Steildaches, ein flaches Satteldach. Damit blitzte er jedoch beim Beirat für Bauangelegenheiten der Gemeinde Wilhelmshorst ab. „Abgelehnt“ steht auf der Bauzeichnung und darunter der handschriftliche Vermerk: „Architektur passt nicht in das Gesamtbild von Wilhelmshorst“. Das flachere Dach schien dem Beirat verdächtig in Richtung Bauhaus zu tendieren und das war bei den Nazis verpönt. Doch der Bauherr, der bei Generalbauinspektor Albert Speer tätig war, wusste sich zu wehren: Der Potsdamer Regierungspräsident genehmigte den Bau.

Der Enkel des Architekten schildert seinen Großvater als streng und geradlinig, aber „er konnte manchmal auch sehr stur sein“. Das bekam ein anderer Auftraggeber zu spüren, ein Herr Kayser, Reichsredner bei der NSDAP. Dessen Wünsche müssen dem Architekten kaum Raum für die eigene Handschrift gelassen haben, weshalb er nach einer Auseinandersetzung klarstellte: „Bauen Sie Ihr Haus mit wem sie wollen, aber nicht mit mir!“

Auffällig bei vielen Plänen sind die kleinen Bäder, die gerade Platz für eine Wanne, ein Waschbecken und WC bieten. Im Gegensatz dazu wurden großzügig „Herrenzimmer“ eingeplant, Damensalons sind die Ausnahme, aber es gibt bei vielen Entwürfen „Blumenräume“. Ab 1937 wurden neben den Vorratsräumen im Keller auch Räume für „Luftschutz“ eingeplant. Der Zweite Weltkrieg durchkreuzte einige Baupläne Langes, wie die für ein Baugebiet in der Steinstraße.

Zum Nachlass, der in der Ausstellung gezeigt wird, gehören auch eine Brille und ein Paar Lederstiefel sowie Mess-und Zeichenwerkzeug des Architekten. Zudem kann auch die kreative Ader Langes bewundert werden, der sich neben Naturstudien auch dem Aktzeichnen widmete. Kirsten Graulich

Geöffnet am 24. November von 14 bis 18 Uhr im Gemeindezentrum, A.-Schweitzer-Straße und nach Vereinbarung.

Kirsten Graulich

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