zum Hauptinhalt
Die gerupften und ausgenommenen Tiere werden im Schnellabkühlraum auf unter vier Grad Celsius gekühlt.

© A . Klaer

Dithmarscher Geflügel in Neuseddin: „Völlig stressfrei kann man nicht schlachten“

Etwa 300 000 Tiere werden bei der Dithmarscher Geflügel GmbH in Neuseddin jährlich geschlachtet. Jetzt beginnt die Hochsaison.

Von Enrico Bellin

Neuseddin - Lautlos warten die 1300 Enten in ihren Käfigen. Am Freitagmorgen waren sie von einem Bauern aus der Nähe von Storkow (Oder-Spree) ins Neuseddiner Gewerbegebiet gefahren worden, vor das Tor der Dithmarscher Geflügel GmbH. In wenigen Stunden werden die Tiere eingeschweißt sein und abholbereit für den Großhandel. 200 000 Gänse und 100 000 Enten werden in Neuseddin jährlich geschlachtet. Jetzt ist Hochsaison, sagt Geschäftsführer Mirko Pabel. Bis zu 2500 Tiere täglich werden bis Weihnachten verarbeitet. Alle Tiere stammen laut Pabel aus Freilandhaltung. Ein Kilogramm frisches Entenfleisch kostet später im Supermarkt acht bis neun Euro, für Gänsefleisch werden bis zu 15 Euro fällig. Die Preise sind stabil geblieben.

Die Enten werden in eng bestückten Boxen angeliefert, damit sie sich während der Fahrt nicht verletzen. 
Die Enten werden in eng bestückten Boxen angeliefert, damit sie sich während der Fahrt nicht verletzen. 

© Andreas Klaer

Die Enten kommen in engen Transportboxen an. „Die Tiere haben noch etwas Platz, sich zu bewegen, fliegen so beim Transport aber nicht umher“, so Pabel. Das sei wichtig, damit sie sich nicht schon auf dem Weg mehrmals die Flügel brechen und unnötig Schmerzen erleiden.

"Wir versuchen, den Stress zu minimieren"

Auch der Schlachtprozess soll für die Tiere so schmerzfrei wie möglich sein. „Wir versuchen, den Stress zu minimieren. Völlig stressfrei kann man jedoch nicht schlachten“, sagt der Geschäftsführer, als es in Schutzkleidung in die Halle geht. Blaues Licht soll die Enten beruhigen, während sie kopfüber an der Maschine aufgehangen werden. Einige Tiere zappeln, großes Gezeter bleibt aber aus. Von jetzt an läuft ein Großteil automatisch: Die Maschine transportiert die Enten in ein Wasserbad, in dem Strom fließt. Dadurch werden sie betäubt.

Nachdem sie in einem elektrisch aufgeladenen Wasserbad betäubt wurden, wird der Hals durchtrennt.
Nachdem sie in einem elektrisch aufgeladenen Wasserbad betäubt wurden, wird der Hals durchtrennt.

© A. Klaer

Ein Vorhang trennt diesen Teil vom Vorraum ab, sodass die Enten in den Käfigen den Tot ihrer Artgenossen nicht zu Gesicht bekommen. Direkt hinter dem Wasserbad steht ein Mitarbeiter, der mit einem schnellen Schnitt den Hals der Tiere öffnet. Die zwei bis drei Kilo schweren Enten bluten nun in eine Metallwanne aus, während sie weiter transportiert werden. Viel Blut ist es nicht, das aus den kleinen Körpern kommt. Einige zucken noch wenige Sekunden – Muskelkontraktionen, die bei Geflügel nach dem Ableben auftreten können.

Vier Mitarbeiter entfernen die restlichen Federn

Weiter geht es zum Rupfen. In der Halle riecht es streng nach nassen Federn, der Lärm der Maschinen übertönt die Stimme des Geschäftsführers. Alle Mitarbeiter tragen Gehörschutz. In einer geschlossenen Metallbox werden die Enten mit Dampf besprüht, damit sich die Federn lockern. Anschließend geht es in den Vorrupfer, wo ein Großteil der Federn entfernt wird. Danach entfernen vier Mitarbeiter die restlichen Federn. Sie werden teilweise selbst vermarktet, teilweise gehen sie in den Großhandel. Für Gänsedaunen gebe es gute Preise, so Mirko Pabel. „Entendaunen, die sie nur unter dem Mikroskop von denen von Gänsen unterscheiden können, will dagegen kaum jemand haben.“ Um alle Federkiele zu entfernen, werden die Körper anschließend mit Wachs überzogen und das Wachs wieder abgebrochen. „Es kann aber passieren, dass der Verbraucher noch ein oder zwei Federkiele im Tier findet“, sagt der 43-Jährige. Beim Dithmarscher Geflügel werden die Tiere vor dem Rupfen nicht wie sonst üblich in heißes Wasser getaucht. „Das würde die Poren in der Haut öffnen, Wasser würde eindringen und Gänsefett verloren gehen.“ Daher sei der Geschmack seiner trocken gerupften Gänse intensiver als der anderer Hersteller. Die gibt es vor allem in Osteuropa: Gänse aus Polen kosten etwa ein Drittel der in Neuseddin geschlachteten Gänse. „Ich weiß nicht, wie die das machen“, so Pabel. Sein Unternehmen habe eine Gewinnmarge im einstelligen Prozentbereich, der Rest gehe an Aufzüchter und den Handel. Er zahle etwas über Mindestlohn, mehr sei nicht drin.

Nach 120 Tagen werden die Tiere geschlachtet

Die Tiere kommen aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Dort, im Landkreis Dithmarschen, ist seit knapp 60 Jahren der Hauptsitz der Firma. Die Firma züchtet Gänse, die geschlüpften Küken werden dann von Landwirten aufgezogen. Nach 120 Tagen werden die Tiere geschlachtet. Der Standort in Neuseddin wurde in den 90er-Jahren gebaut, seit 2013 wurden 1,6 Millionen Euro in die Modernisierung von Produktionshalle und Personalräumen investiert. 60 Mitarbeiter sind in der Hauptsaison von Juli bis Dezember am Standort beschäftigt, 20 bis 25 von ihnen bleiben das ganze Jahr über in der Firma. Die Saisonarbeiter kommen Pabel zufolge jeweils zu einem Drittel aus der näheren Umgebung, aus Polen und aus anderen Ländern. Gänse legen nur zwischen Ende März und Anfang September Eier, dementsprechend kann nicht das ganze Jahr über geschlachtet werden.

Wenn die Vögel gerupft sind, kommen sie in den sogenannten Weißbereich der Halle – ab hier wird das Tier zum Produkt. Vor dem Betreten muss die Schutzkleidung gewechselt werden, Hände und Schuhsohlen werden noch einmal desinfiziert. Der Kopf wird von Mitarbeitern – die alle ein ernstes Gesicht machen, niemand redet bei der Arbeit – abgetrennt, die Innereien werden entnommen. Sie werden später verpackt und wieder in den gewaschenen Körper gelegt. Eine Tierärztin kontrolliert jeden Körper auf eventuelle Geschwüre. Anschließend werden auch die Beine abgetrennt. Die der Enten landen in der Mülltonne. „Bei den Gänsepaddeln haben wir aber einen Abnehmer, der sie nach Thailand bringt. Dort gelten sie als Delikatessen“, sagt Mirko Pavel.

Gänsekeulen werden immer beliebter

Die ausgenommenen Tiere kommen in den Schnellkühlraum, wo Temperaturen zwischen 0 und 4 Grad Celsius herrschen. So soll verhindert werden, dass sich Keime breit machen. Dort werden die Enten von Mitarbeitern entweder als Ganzes vakuumverpackt oder zerteilt. „Gänsekeulen sind in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden“, so Pabel. Jetzt im Dezember wird fast die gesamte Ware so als Frischware verkauft und per Kühllaster zu den Supermärkten gebracht. Die am gestrigen Freitag geschlachteten Tiere sind heute im Supermarkt. „Wichtig ist, dass der Verbraucher, wenn er frisches Geflügel haben will, es entweder sofort nach dem Kauf verarbeitet oder den Kühlschrank auf unter 4 Grad einstellt“, erklärt Pabel. So sei man hygienisch auf der sicheren Seite.

Den Rest des Jahres wird für den Tiefkühler produziert. Dabei werden die verpackten Enten oder Gänse im Kühllaster ins sachsen-anhaltinische Zerbst gefahren und dort von einem Auftragnehmer bei minus 25 Grad schockgefroren und gelagert. „Wir haben hier keinen Platz mehr, um noch eine Tiefkühlung zu bauen.“ Rund um den Betrieb ist ein großer Umschlagplatz für Autos. Die ersten Sommerwochen über würde fürs Lager produziert, ab Ende August kämen die Tiere deutschlandweit in die Supermärkte. „Zum Martinstag haben wir einen ersten Höhepunkt“, sagt Mirko Pabel. „Aber gegen die Weihnachtszeit ist das nichts.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false