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Potsdam-Mittelmark: Der Schock hält sich in Grenzen

In Langerwisch ist André S. nie auffällig geworden, sein Haus liegt abgelegen am Waldrand

In Langerwisch ist André S. nie auffällig geworden, sein Haus liegt abgelegen am Waldrand Michendorf·Langerwisch - Ganz Langerwisch trieft vom Regen. Die Straßen sind von Menschen leer geschwemmt, im Blumengeschäft an der Straße des Friedens gibt es drei Verkäuferinnen und eine nasse Kundin. Sie steht bei den weißen Orchideen, hat es den Verkäuferinnen gerade erzählt. „Schlimm“, kommentieren sie noch, „schlimm“. Der „Möchtegern-Pate von Potsdam“ (BZ) – er kommt aus Langerwisch. Am Dienstag, als die Nachricht erstmals durchsickerte, konnte sich im Dorf keiner vorstellen, dass „einer von hier so was macht“. Auch gestern fehlte dafür noch die Vorstellungskraft: Niemand hier will den Mann kennen, dessen Hochzeitsfoto gestern in Boulevardblättern veröffentlicht wurde – das Gesicht der Frau schraffiert, ein schwarzer Balken über den Augen des André S.. Ein unbekanntes Antlitz, auch für die Verkäuferinnen des Rewe-Marktes nebenan. Die Leute vom RBB waren heute Mittag mit der Kamera da. Wieso sie das so gelassen sehen können, dass ein Schwerverbrecher mitten unter ihnen gelebt hat, haben sie gefragt? Da haben die Verkäuferinnen mit den Schultern gezuckt. „Langerwisch ist lang gezogen, sagt ja schon der Ortsname.“ Die Einwohnerzahl von 1700 sei zwar überschaubar.„Trotzdem kennt hier nicht jeder jeden“, sagen sie. Mancher geht in Potsdam oder Michendorf einkaufen und hat sich nie im kleinen Einkaufszentrum blicken lassen. Und seitdem die Dorfkneipe geschlossen ist, fehlt auch die zentrale Tratsch-Tauschbörse. Jetzt, wird bei Rewe durchgeatmet, sei der 40-jährige, mutmaßliche Täter, der junge Männer mit Drogen, Elektroschocks und sexueller Gewalt zu Straftaten gezwungen haben soll, ja hinter Gittern. Hinter einem Gartenzaun findet sich dann doch noch jemand, der den „Paten“ kennt – aber schon seit Jahren nicht mehr mit ihm geredet hat. Ja, draußen am Dorfrand wären schon einige Waldschrate unterwegs. „Aber dass es Typen mit Ecken und Kanten gebe, macht Langerwisch doch auch sympathisch.“ André S. sei durchaus nicht als asozial oder abartig bekannt. Das Haus hat das Ehepaar mit zwei Kindern nach der Wende selbst gebaut, „das muss man doch anerkennen“. Kopfschütteln darüber, was sich hinter der bürgerlichen Fassade abgespielt haben soll. Auf den ersten Blick macht das in einer abgelegenen Splittersiedlung stehende Haus mit den geschwungenen Gardinen im Erdgeschoss einen gepflegten, fast biederen Eindruck. Auf den zweiten wirkt es verkramt: Die Fassade ist nur zur Straße hin frisch gestrichen, unter dem Garagendach liegen alte Möbelteile, Plastiktüten und Autoreifen, vor dem Haus ein paar Dachziegel. Bei der Durchsuchung fand die Polizei hier Munition, Elektroschocker, Masken und Fesseln – außerdem diverses Diebesgut wie Elektrogeräte und Computer. Andre S. war Donnerstagnacht um 3 in der Nähe seines Hauses verhaftet worden. War das Waldstück, in dem er seine Opfer quälte, in Langerwisch? Polizei und Staatanwaltschaft gaben gestern keine Antwort. Und im Ort beschäftigte man sich mit einer ganz anderen Frage: Wann wohl der Dauerregen endlich aufhört. Henry Klix/Andreas Klaer

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