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Werderaner Äpfel, Beelitzer Spargel, Töplitzer Käse, Stückener Fleisch. Vebraucher greifen immer häufiger zu regionalen Produkten, sagen Landwirte aus dem Umland.

© dpa

Potsdam-Mittelmark: Der Landwirt des Vertrauens

Im Potsdamer Umland gibt es nur wenige Bio-Bauern. Regionalität ist den Kunden wichtiger

Von Eva Schmid

Potsdam-Mittelmark - Schnaubend stapfen sie durch den Schnee: Die cremefarbenen Kühe von Landwirt Jens Schreinicke aus Stücken stehen auch im Winter auf der Weide, Kälte macht ihnen nichts aus. In ihrem Futter, dem Gras auf der Weide, gibt es weder Stickstoffe noch Reste von Pflanzenschutzmitteln. Antibiotika sind tabu.

„Eigentlich könnte ich meinen Betrieb auf Bio umstellen“, sagt der 42-jährige Landwirt, der seine Kälber an Fleischer verkauft. Doch das Bio-Siegel sei für die Kunden nicht so wichtig: „Sie wollen vielmehr regionale Produkte.“ Selbst wenn Schreinicke auf Bio umstellen würde, brächte das keine Vorteile. Für Biokälber gebe es kaum mehr Geld.

Verpassen die Bauern der Region einen Trend? Bio wird derzeit in ganz Deutschland gefeiert: Laut der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg betrug der Umsatz des regionalen Bio-Fachhandels im vergangenen Jahr mehr als 320 Millionen Euro. Neue Bioläden schießen wie Pilze aus dem Boden. Allein die Berliner Supermarktkette „Bio Company“ habe im vergangenen Jahr die Anzahl um sechs auf 32 Filialen erweitert. Deren Chef, Georg Kaiser, bezeichnet das Potenzial am Berliner Markt  als riesig und fordert von Landwirten mehr Einsatz.

Damit beißt Kaiser im Potsdamer Umland aber auf Granit. „Es mag sein, dass es einen Nachfrageboom gibt, aber Aufwand und Erlöse stehen meist nicht im Verhältnis“, sagt die Chefin des Kreisbauernverbandes, Silvia Wernitz. Die Preise, die der Landwirt bekomme und die im Handel erzielt werden, lägen weit auseinander. „Wenn es sich nicht lohnt, dann nimmt kein Landwirt das Risiko in Kauf.“

Tatsächlich sind in Potsdam-Mittelmark Öko-Landwirte rar: Von 552 Betrieben baut nur jeder zehnte nach Öko-Kriterien an. Die Öko-Anbaufläche liegt mit acht Prozent sogar unter dem Landesdurchschnitt. Dort gedeihen Bio-Produkte auf zehn Prozent der Gesamtfläche.

Einer der wenigen Ökobauern der Region ist der Beelitzer Thomas Syring. Er hat etwas riskiert – und gewonnen. Der 34-jährige Landwirt aus Beelitz produziert alles rund um den Kürbis, vom Kürbisprosecco bis zum Kürbiskernöl. „Das läuft deshalb so gut, weil wir eine Nische besetzen“, so Syring. Er sei in Brandenburg der einzige, der Kürbisprodukte in Bioqualität herstelle. Den Großteil seines Öls verkauft er an den Berliner Biogroßhandel.

„Auf meinem Bio-Getreide bleibe ich derzeit allerdings sitzen“, klagt der Beelitzer. Früher habe er dafür doppelt so hohe Preise erzielt wie für konventionelles Getreide. „Heute gibt es nur noch ein Drittel mehr“, da rechne es sich der aufwendigere Anbau nicht. Syring bestätigt, dass „das Regionale dem Ökologischen mittlerweile den Rang abläuft“.

Bei den Obstbauern in Werder sind Bio-Äpfel oder Bio-Knupperkirschen kein Thema. „Wir haben aufgrund unserer nährstoffarmen Böden schon im konventionellen Anbau bis zu 40 Prozent weniger Ertrag“, sagt Obstbauer Stefan Lindicke. Würde Lindicke seine 20 Hektar Anbaufläche mit Biobäumchen bepflanzen, hätte er auch ein Transportproblem: „Wo bekomme ich denn den Bio-Dünger her?“ Im näheren Umfeld gebe es keinen Landwirt, der ihm Bio-Mist bieten könnte. „Ich müsste also 40 Tonnen 300 Kilometer weit anfahren lassen. Was dann wohl das Obst kosten würde?“, fragt er sich.

Hinzu komme, die Obstbäume und Früchte gesund zu halten. Das sei schon mit den konventionellen Möglichkeiten schwer. „Gerade Tafeläpfel, die ja von Mai bis Oktober am Baum reifen, sind empfindlich“, so Lindicke. Als Biobauer hätte er mit einem höheren Ausfall und höheren Personalaufwänden zu rechnen.

„Ich kenne kaum einen Obstbauern hier in der Region, der den Bio-Anbau professionell betreibt.“ Immerhin setzen viele der Werderaner Obstbauern auf den naturnahen, integrierten Anbau – und setzen nur minimale Mengen an Pflanzenschutzmitteln ein. Vom Kaufverhalten seiner Kunden weiß Lindicke auch, dass „regional das neue Bio ist.“ Der Vorteil gegenüber Bio-Produkten: Das Obst und Gemüse aus Werder sei nicht durch ganz Deutschland gereist.

Landwirtschaft hautnah erleben, darauf setzt auch die Hofkäserei Hennig. Am Wochenende würden zu dem Familienbetrieb nach Töplitz regelmäßig Besucher aus Berlin oder Potsdam kommen, sagt Landwirtin Ramona Hennig. Ihre 200 Rinder fühlen sich in dem geräumigen Boxenlaufstall wohl. Ab und an kriegen sie eine Massage. Die elektrische Massagebürste hat die Familie ihren Tieren mal zu Weihnachten geschenkt. Der Käse, Joghurt und Quark aus der Hofkäserei sei ohne Konservierungsstoffe, bestätigt Hennig. Verkauft werden die Milchprodukte direkt auf dem Hof und in zwei Regioläden in Potsdam.

Auch der Stückener Landwirt Schreinicke ist für viele seiner Kunden „der Landwirt des Vertrauens“. Wenn er eines seiner Kälber schlachtet, schreibt er seinen Kunden eine Mail. Die kommen dann auf den Hof und holen sich das Fleisch ab. „Wer will, kann sich dabei gleich noch die Eltern vom Kalb anschauen.“

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