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Potsdam-Mittelmark: Der elektronische Wachmann

Die Teltower Firma Hosch stellt Technik her, die am Berliner Hauptbahnhof und am höchsten Haus Nürnbergs kontrolliert, ob Fahrstühle fahren oder Flammen lodern

Von Enrico Bellin

Teltow - Wenn in Harald Glööcklers Wohnung in der Berliner Upper Eastside die Heizung ausfällt, muss der exzentrische Modeschöpfer nicht erst den Hausmeister anrufen. In der Leitstelle des Wohn- und Geschäftshauses an der Friedrichstraße wurde der Defekt schon lange entdeckt. „Wahrscheinlich würde ein Mitarbeiter eher einen Heizlüfter zu Herrn Glööckler bringen, als er den Ausfall der Heizung überhaupt bemerkt“, sagt Torsten Lamm, Prokurist der Teltower Hosch Gebäudeautomation GmbH.

Das Unternehmen sorgt dafür, das alle Bereiche der Gebäudetechnik wie Heizung, Lüftung, Licht oder Fahrstühle zentral von einer Leitstelle aus gesteuert werden können. Auch in der neuen Einkaufswelt „Mall of Berlin“, dem Berliner Hauptbahnhof, dem Olympiastadion oder dem mit 135 Metern höchsten Gebäude Nürnbergs entwickelten die Teltower die Steuerung der Technik. „Wenn ein Haus geplant ist, nehmen wir Kontakt zu allen Technik-Herstellern auf und entwickeln ein System, mit dem man das komplette Gebäude steuern kann“, so Lamm. Seine Ingenieure bauen dann Schaltschränke ein und verbinden sie mit der Leitstelle und den zu steuernden Bauteilen.

Seit 2002 sitzt die Firma in der Teltower Rheinstraße. Erst in gemieteten Büros, die jedoch schnell zu klein wurden. 2012 wurde deshalb ein Neubau eingeweiht, in dem derzeit 65 Mitarbeiter beschäftigt sind. Dazu gibt es noch einmal zehn Beschäftigte in einer Nürnberger Außenstelle. Die Firma wächst, Automation wird immer wichtiger. „Mit unserer Technik kann der gesamte Berliner Hauptbahnhof von nur fünf Menschen überwacht werden.“ Sie merken am Bildschirm, ob eine Rolltreppe kaputt ist oder in einem Imbiss das Frittierfett brennt.

Auch im Nürnberg Business Tower wären Hausmeister ohne die Teltower Technik wohl überfordert, alle 34 Etagen ständig zu überwachen. Sollte es in einer Etage zu einem Feuer kommen, wird der Qualm über Klappen aus dem Haus geblasen. Parallel können die Fahrstühle so gesteuert werden, dass niemand im betroffenen Stockwerk aussteigen kann.

Doch nicht nur bei großen Gebäuden lohnt sich Lamm zufolge die Automation. Da Rechnertechnik immer günstiger wird, können auch normale Häuser damit ausgestattet werden, wie die Firmenzentrale zeigt. Heizung, Kühlung und Lüftung werden automatisch so abgestimmt, das besonders wenig Energie verbraucht wird und der Raum immer die gewünschte Temperatur hat. Gleichzeitig warnt eine Wetterstation auf dem Dach vor aufkommendem Sturm und lässt die Rollos einfahren, damit sie nicht abgerissen werden. Das System kann auch bei älteren Häusern nachgerüstet werden.

Ein weiteres Betätigungsfeld von Hosch ist durch den Flughafen in Schönefeld – an dem die Firma nicht mitgeplant hat – in die Öffentlichkeit gerückt: Entrauchungsanlagen. Bisher ließ die Firma nur Schaltschränke in Eigenregie produzieren und verbaute sonst Teile anderer Hersteller. Jetzt kommt die eigene Entrauchungssteuerung der Firma namens „Rigento“ auf den Markt. Das System verbindet Rauchmelder mit bis zu 1600 Lüftungsklappen und Ventilatoren, sodass im Brandfall blitzschnell reagiert und der Rauch aus dem Haus geblasen werden kann.

„Wir haben zweieinhalb Jahre getüftelt, jetzt ist das System vom TÜV abgenommen“, so der Prokurist. Der Anstoß zur Entwicklung von „Rigento“ kam unter anderem durch die Pannen am BER. Bisher sei es sehr aufwändig gewesen, Entrauchungsanlagen für Gebäude zu planen. „Es war immer ein unabhängiger Sachverständiger gefordert, der für jedes Gebäude unterschiedliche Vorgaben macht, wodurch unsere Ingenieure die entsprechenden Anlagen erst sehr spät planen konnten“, so Lamm. Jetzt hat die Firma ein Programm entwickelt, welches Gebäude automatisch in Sicherheitsklassen einteilt. Danach können die Ingenieure die Anlage planen, nur bei der Abnahme der Sicherheitstechnik muss ein Sachverständiger dabei sein. Das System kann in alle Gebäudetypen eingebaut werden.

Die Entrauchungssteuerung wird derzeit bei beauftragten Firmen in Berlin produziert, perspektivisch soll die Fertigung nach Teltow verlegt werden. Auch die Schaltschränke, die oft die Größe eines Kleiderschrankes haben, sollen künftig in Teltow hergestellt werden. Ab Januar hat Hosch dafür eine Halle auf dem früheren Biomalz-Gelände angemietet. „Da die Personalkosten zum Zusammenbau der Geräte nur etwa 20 Prozent der Herstellungskosten ausmachen, lohnt sich für uns die Produktion in Deutschland“, so Torsten Lamm.

Für die Expansion sucht die Firma derzeit auch händeringend nach neuen Angestellten. Ausgeschrieben sind Stellen als Softwareingenieur und Softwaretechniker. Auch Servicetechniker, Projekt- und Bauleiter werden gesucht. Auch unbesetzte Ausbildungsplätze gibt es in der Firma noch. Lernen kann man hier Elektroniker für Gebäude- oder Automatisierungstechnik, auch Kaufmänner werden ausgebildet.

Da die Automatisierungsbranche weiter wachse, sei die Chance gut, in der Firma später aufzusteigen. „Auch ohne Studium kann man es bis zum Projektleiter schaffen“, so Torsten Lamm. Und Projekte wird es in Teltow wohl auch künftig viele zu betreuen geben. Nach eigenen Angaben ist die Entrauchungssteuerung „Rigento“ bisher ohne Konkurrenz auf dem Markt, und neue Flughäfen werden weltweit auch in den kommenden Jahren gebaut.

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