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Potsdam-Mittelmark: Den Friedhof als Lebensraum entdecken

Förderverein erweitert Führungsangebot auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof

Förderverein erweitert Führungsangebot auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof Stahnsdorf. Wohl kaum jemand würde einen Friedhof als Lebensraum betrachten, als Biotop, in dem Brutvögel nisten und seltene Pflanzen gedeihen. Dennoch: Der Südwestkirchhof in Stahnsdorf ist hinsichtlich seiner Flora und Fauna vielfältiger als ein Waldgebiet. Das über 200 Hektar umfassende Areal ist nicht nur der zweitgrößte, sondern auch der wohl artenreichste Friedhof Deutschlands. Das ergab eine Untersuchung des Berliner Gutachters Bernd Machatzi. Ab diesem Jahr können die Besucher des Kirchhofs mit ihm auf Entdeckungsreise gehen: Der Förderverein Südwestkirchhof Stahnsdorf eröffnete an diesem Wochenende eine neue Veranstaltungsreihe, mit der das Angebot kunst- und kulturhistorischer Führungen erweitert werden soll. Die bislang angebotenen Führungen zur Geschichte des Kirchhofs und der berühmten Menschen, die hier ihre letzte Ruhe fanden – darunter der Komponist Engelbert Humperdinck und der Maler Heinrich Zille – würden auf sehr viel Interesse bei Besuchern stoßen. Zwischen 40 und 120 Leute kämen an den Sonnabenden hier her, sagte der Vorsitzende des Fördervereins Olaf Ihlefeld. „Die Menschen zeigen auch Interesse an Spezialthemen wie Begräbniskultur oder Botanik.“ Dem will der Verein nun Rechnung tragen. Mitglieder des Fördervereins und ehrenamtliche Helfer planen Führungen zu den verschiedensten Themen. Die Agraringenieurin Dina Tradowsky vom benachbarten „Jahreszeitengarten“ will zu Grabgestaltung und -pflege sowie der Ökologie des Waldfriedhofes referieren, die Botanikerin Gerda Döderlein stellt sich Führungen zum Thema Heilkräuter vor. Eines der Ziele solcher Veranstaltungen soll sein, die Hemmschwelle zu überwinden, die viele Leute von einem Friedhofsbesuch abhält. Öffentlichkeitsarbeit ist eine der Aufgaben, die sich der vor vier Jahren gegründete Förderverein auf die Fahnen geschrieben hat. „Wir wollen professionell aufklären und informieren“, so der Vorsitzende. Bereits jetzt würden Schulklassen ihre Projekttage hier verbringen, Konzerte in der Stabholzkirche veranstaltet werden. Dabei werde die Bedeutung des Südwestkirchhofes als „Ort der Würde und Ruhe“ nicht vernachlässigt. „Viele Leute wissen nicht, dass hier noch Begräbnisse statt finden, sie glauben es wäre nur ein Denkmal. Andere wiederum meinen, es sei nur ein Friedhof für Prominente.“ Auch solche Vorurteile sollen bei den Führungen abgebaut werden. Die Veranstaltungsreihe soll den Südwestkirchhof deshalb aus allen Perspektiven zeigen: Als Ruhestätte, als Denkmal – und eben als Lebensraum. Über 40 Vogelarten wie Habicht, Bussard und Schwarzspecht nisten hier, über 500 Farn- und Blütenpflanzen verzeichnet Machatzi in seinem Gutachten. 1909 wurde der Friedhof eingeweiht, „schon vorher gab es hier Pflanzen, die überdauert haben“. Neue sind hinzugekommen und wachsen seitdem auf den verschiedenen Bodenarten. Viele der hier beheimateten Lebewesen seien äußerst selten – von den 20 verschiedenen Wirbeltieren wie Fledermäuse und Amphibien stünden allein die Hälfte auf der Liste der gefährdeten Arten. Je nach Jahreszeit sollen die Führungen gestaltet werden: Ökologiethemen im Sommer, Führungen zur Begräbniskultur im Winter. Als Termin ist jeweils der zweite Sonnabend im Monat geplant. Thomas Lähns

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