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Demo gegen Insektizid-Einsatz: Anwohner fürchten Gift-Einsatz bei Fichtenwalde

Der Landesbetrieb Forst will bei Fichtenwalde mit "Karate Forst" gegen einen Waldschädling vorgehen. Die Anwohner haben Angst, aber die Forstbehörde hält an den Einsätzen fest.

Von Eva Schmid

Fichtenwalde - Weiße Schutzanzüge, Gasmasken und lauter Protest: Rund 200 Anwohner demonstrierten am Freitagnachmittag gegen den Einsatz des Insektizids „Karate Forst“, mit dem die vom Nonnenfalter befallenen Kiefern per Hubschrauber besprüht werden sollen. Anlass für die Demo ist der von der Forstbehörde geplante Einsatz in den Wäldern rund um Fichtenwalde ab dem 6. Mai. Auf der Demo waren auch Mitarbeiter der Forst sowie der Chef des Landeskompetenzentrums in Eberswalde, das zum Landesbetrieb Forst gehört. Das Landeskompetenzzentrum begleitet die Arbeit der Förster auf wissenschaftlicher Basis. Doch trotz des Bemühens, um Verständnis für den Einsatz zu werben, war nach der einstündigen Demonstration klar: Einen Kompromiss zwischen der Forstverwaltung und den Anwohnern und Umweltschützern wird es nicht geben. Vor Ort war auch das Robur-Team des rbb.

Starker Schädlingsbefall im Landkreis

Potsdam-Mittelmark ist laut der Forstbehörde mit rund 7000 Hektar derzeit am stärksten vom Befall des Kiefernschädlings Nonne betroffen. Der Befall im ganzen Land wird auf rund 9000 Hektar beobachtet. Besonders viele Nonneneier sind in den Wäldern nahe Beelitz, also in Fichtenwalde, Borkheide und Borkwalde gefunden worden.

Die ersten kleinen Raupen seien bereits geschlüpft, erklärte Katrin Möller den Demonstrationsteilnehmern am Freitag. Möller ist im Landeskompetenzzentrum Forst für die Themen Waldschutz und Wildökologie zuständig. „Wir sind auch nicht glücklich, wenn wir das Mittel einsetzen müssen, aber es gibt keine Alternativen“, so Möller. Selektivere Präparate, die auf Bakterien basieren oder auch Biozide, würden das Ausmaß des Schadens nicht in dem Maße eindämmen können wie das Insektizid „Karate Forst“.

Behörde wirbt für Einsätze

Dies wirkt ähnlich wie ein Breitbandantibiotikum: nicht nur die Schädlinge, auch die nützlichen Insekten werden getötet. Der Schaden, wenn man jetzt nichts unternehme sei groß, betonen die Mitarbeiter der Forst. So könnten bereits innerhalb von nur sechs Wochen etliche Hektar Kiefernwald kahlgefressen sein. Würde man auf „Karate Forst“ verzichten, so wäre nicht nur die bereits jetzt bedrohte Fläche betroffen, sondern noch weitere mindestens 300 Hektar gesunder Wald. Bis der Wald sich wieder hole, würde es Jahrzehnte dauern.

Sorge um die Gesundheit

Doch das überzeugte offenabr keinen der Demonstrationsteilnehmer, unter denen viele Familien mit Kindern sind. Sie hielten Demoschilder mit der Aufschrift „Karate killt alles“ und „Kein Nervengift für unsere Kinder“ hoch. Viele Anwohner sorgen sich nicht nur um ihre Gesundheit, sondern auch um den Eingriff in das Ökosystem Wald, das ihnen als Naherholungsgebiet dient. „Warum hat die Forstbehörde nicht schon früher reagiert, wenn schon im vergangenen Jahr durch das Monitoring ein Befall abzusehen war“, fragt sich Julie Freisleben aus dem Beelitzer Ortsteil Kanin.

Ebenfalls aus Kanin sind zur Demo auch die Geschwister Ansgar und Charlotte Schiweck mit ihren Kindern gekommen. Je nach Witterung und Wind könne das versprühte Gift viel weiter als geplant getragen werden, sorgt sich Charlotte Schiweck. Dass das Gift für Menschen ungefährlich sei, nur weil das Insektizid auch in der konventionellen Landwirtschaft benutzt werde, ist für sie kein Argument: „Ich führe doch auch keinen Kreig, nur weil es anderswo Krieg gibt.“ Ihr Bruder Ansgar ärgert sich, dass der Mensch immer mehr in das System Wald eingreife, „obwohl der Wald über Jahrmillionen ohne Gifteinsätze überlebt hat.“

Etliche Demoteilnehmer nahmen es auch in Kauf, dass durch den Schädlingsbefall es zu Kahlfraß kommen könnte. „Das wäre dann endlich mal ein Anfang, um den Waldumbau anzugehen“, sagt Julie Freisleben. Auch ein Altvorderer aus Fichtenwalde, Wilhelm Marquardt, ist gegen den Einsatz: „Das ist unüberlegt von der Forstverwaltung.“ Der Wald um sein Haus herum habe sich noch immer erholt, sei es von Waldbränden oder von Bomben durch den Krieg. Seine Familie lebt seit 1928 in Fichtenwalde.

Organisiert hat die Demonstration die jüngst gegründete Bürgerinitiative „AG Natur“, die den Sprüheinsatz verhindern will. Auch der Fichtenwalder Ortsvorsteher Tilo Köhn engagiert sich in der Bürgerinitiative. Auf der Demo am Freitag erinnerte er an einen ähnlichen Einsatz im Jahr 2005. Damals sollte der Schädling Forleule bekämpft werden: Die Hubschrauber seien über Teile von Fichtenwalde geflogen. Daraufhin hätten sich verwunderte Anwohner bei der Polizei gemeldet, der Einsatz wurde gestoppt. „Es muss ausgeschlossen werden, dass Siedlungen überflogen werden“, fordert Köhn.

Warten auf die Genehmigung

Unpräzise blieb auch die Antwort der Forstmitarbeiter auf die Frage, wie der besprühte Wald gesichert wird. Er darf nach dem Einsatz für 48 Stunden nicht betreten werden, Pilze und Waldfrüchte für zwei Monate nicht verzehrt werden. Bisher ist das Aufstellen von Schildern geplant. Ein so großes Waldgebiet abzusperren sei nicht möglich, so der Chef des Landeskompetenzzentrums Forst, Hubertus Kraut. Er rechnet zudem nicht mit einem Einsatz direkt ab dem 6. Mai, denn derzeit warte man noch auf die Genehmigung durch den Pflanzenschutzdienst des Landes. Eine Demoteilnehmerin recherchierte, dass das umstrittene Insektizid nur bis Ende 2018 zugelassen war, der Abkauf in diesem Jahr erfolgen noch erfolgen darf. „Karate Forst ist ein Ladenräumer“, ärgert sie sich. Die Forst hingegen betont, dass es demnächst eine bundesweite Neuzulassung geben wird.

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