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Unterwegs für mehr Sicherheit. So genannte Sicherheitspartner patroullieren ehrenamtlich durch ihre Wohnorte und unterstützen damit die Polizei.

© Andreas Klaer

Datenpanne in Schwielowsee: Rathaus stellt Lebensläufe ins Internet

Die Gemeinde veröffentlichte Lebensläufe von Sicherheitspartnern auf ihrer Webseite - darunter auch eine Bewerbung eines ehemals leitenden NVA-Grenzsoldaten.

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Schwielowsee - Die Sicherheit und Ordnung in seinem Ort liege ihm am Herzen, schrieb Detlef F. an die Bürgermeisterin von Schwielowsee, Kerstin Hoppe (CDU). Er wollte Sicherheitspartner werden, einer, der Obacht hält, Auffälliges der Polizei meldet. Mit Sicherheit kennt er sich aus. Laut seinem Bewerbungsschreiben war er von 1973 bis 1990 bei der „Armee der DDR“, zuletzt Leiter der „Grenzübergangsstelle Zehlendorfer Damm/Kleinmachnow“.

Es steht noch anderes Privates in der auf den 10. Juli 2018 datierten Bewerbung, sein weiterer beruflicher Werdegang nach der Wende, seine ehrenamtlichen Tätigkeiten, aber auch Wohnanschrift, zwei Telefonnummern und seine Mail-Adresse. Am Ende seines Schreibens an Hoppe heißt es, „beim Umgang mit meinen Daten“ möge die Bürgermeister doch bitte „die neue Datenschutzgrundverordnung“ der EU beachten.

Doch das ist nicht geschehen: Die Bewerbung von Detlef F. aus Caputh mit seinem Lebenslauf stand über mehrere Wochen im Sitzungsportal der Gemeindevertretung im Internet – und war damit für jedermann einsehbar. Wer wollte, konnte sich die Bewerbungsunterlagen mit einem Mausklick herunterladen.

Wer Sicherheitspartner werden will, muss von der Polizei überprüft werden. Dabei wird auf Vorstrafen und Stasizugehörigkeit geachtet. 
Wer Sicherheitspartner werden will, muss von der Polizei überprüft werden. Dabei wird auf Vorstrafen und Stasizugehörigkeit geachtet. 

© Andreas Klaer

Detlef F. soll dem Vernehmen nach auch bei der Stasi gewesen sein

Am 12. September hat sich der Hauptausschuss mit der Bewerbung befasst, die Vorlage von Bürgermeisterin Hoppe wurde zur Kenntnis genommen – mit sieben Ja-Stimmen und einer Enthaltung. Auch die Polizei hatte keine Bedenken. Dabei war F. nicht nur bei den Grenztruppen der DDR, sondern soll dem Vernehmen nach auch bei der Staatssicherheit gewesen sein, was bei hohen Posten der Grenztruppen eher die Regel als die Ausnahme war. Angesprochen auf eine mögliche Stasi-Tätigkeit sagte Detlef F. gegenüber den PNN: „Ich will mich zu meinem Lebenslauf nicht äußern.“ Er hätte genug „Ohrfeigen“ dafür bekommen, seit Wochen schon würde bei ihm öfters das Telefon klingen, die Anrufer Fragen zu seiner Vergangenheit stellen. Er wolle zur Ruhe kommen, fügt er hinzu.

Die Personalie hat kurz vor der Wahl am kommenden Sonntag die Gemüter besonders in Caputh erhitzt. 

Schwielowsee hat bisher zwei Sicherheitspartner. Das sind Menschen, die sich ehrenamtlich für die Sicherheit in ihrem Ort engagieren. Sie laufen Streife in ihrem Wohnviertel, achten auf Auffälligkeiten, sprechen mit den Nachbarn und tauschen sich regelmäßig mit der Polizei aus.  1994 wurde der Modellversuch "Sicherheitspartner in Brandenburg" durch das Innenministerium des Landes gestartet. Der Versuch war erfolgreich: Mittlerweile unterstützen 455 Sicherheitspartner im Land die Polizei in Brandenburg. Sie werden von den Behörden bestellt - auf Vorschlag von Einzelpersonen, Institutionen oder auch der Gemeindevertretung.  

Am heutigen Mittwoch sollten die Gemeindevertreter in Schwielowsee über die Bewerbung von Detlef F. im öffentlichen Teil beraten. Doch Detlef F. zog seine Bewerbung zurück – aus gesundheitlichen Gründen, wie er und Bürgermeisterin Hoppe auf Nachfrage betonen. Die Bewerbung ist mittlerweile nicht mehr auf der Internetseite der Gemeinde zu finden.

Datenpanne besteht bereits seit Jahren

Die Datenpanne im Schwielowseer Rathaus ist kein Einzelfall. Die Bewerbungen der bereits als Sicherheitspartner tätigen Ehrenamtlichen standen bereits seit mehreren Jahren online. So etwa die Bewerbung vom Sicherheitspartner Carsten P. vom Mai 2017 und die Bewerbung von Frank K. vom November 2015. Beide Bewerbungen enthalten Angaben zur Anschrift, Telefonnummern und weitere private Details. Das Pikante daran: Die zwei Sicherheitspartner wussten bisher nicht, dass die Verwaltung so mit ihren Daten umgeht. Beide, so bestätigen sie gegenüber den PNN, hätten ihr Einverständnis gegeben, dass die Gemeinde ihre Bewerbung an die Polizei zur Überprüfung weiterleiten darf und den Gemeindevertretern zur Beschlussfassung vorgelegt werden dürfe. Nicht aber, dass ihre Daten online für jedermann einsehbar sind. Nachdem die Verwaltung von den PNN auf die Datenpanne angesprochen wurde, sind die Lebensläufe seit Kurzem nicht mehr online. 

Datenschutzbeauftragte und Innenministerium prüfen Vorfälle 

Kritik erntet Bürgermeisterin Hoppe für das Vorgehen von der brandenburgischen Datenschutzbeauftragten Dagmar Hartge. „Die Veröffentlichung vollständiger Lebensläufe der Bewerber für eine Sicherheitspartnerschaft im Ratsinformationssystem halten wir für datenschutzrechtlich unzulässig“, so Hartge. Es sei keine Rechtsgrundlage ersichtlich, die eine solche Veröffentlichung rechtfertigen würde. Hartge kündigte an, „an die Gemeinde Schwielowsee heranzutreten, um die Angelegenheit genauer zu prüfen“. Dabei werde es auch darum gehen, was in Gremien und Sitzungen im öffentlichen und nicht-öffentlichen Teil behandelt werden darf. Auch das Innenministerium will den Fall nun prüfen.

Warum die Verwaltung die Lebensläufe der Sicherheitspartner überhaupt öffentlich diskutiert und online stellt, darauf hatte Bürgermeisterin Hoppe am Dienstag keine Antwort. Auf eine Anfrage der PNN verwies sie lediglich darauf, dass das Thema mit der zurückgezogenen Bewerbung nun vom Tisch sei.

Wahl der Sicherheitspartner: Ungewöhnliches Vorgehen 

Dass Schwielowsee die Gemeindevertreter bei der Wahl der Sicherheitspartner überhaupt mitreden lässt, ist ungewöhnlich. In anderen Gemeinden wie Stahnsdorf, Kleinmachnow oder Beelitz werden die Sicherheitspartner direkt von der Polizei nach einer umfassenden Prüfung ernannt. Die Prüfung kann dabei mehrere Monate dauern, da die Polizeidirektion die Kandidaten auch auf eine mögliche Stasivergangenheit hin überprüfen, erklärt der Leiter der Sicherheitspartner aus Fichtenwalde, Reinhard Scheiper. Im Falle von Detlef F. hat zunächst nur die Werderaner Polizeidienststelle grünes Licht gegeben.

Nachtrag vom 28. September 2018: Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) hat darauf hingewiesen, dass die zwei Sicherheitspartner sowie der Bewerber für eine Sicherheitspartnerschaft ihr Einverständnis zur Veröffentlichung ihrer Bewerbungen auch im Internet - im Bürgerinformationssystem Allriss - gegeben haben. Die Einverständniserklärungen liegen den PNN in anonymisierter Form vor. Allerdings sind sie allesamt nach der Veröffentlichung der Lebensläufe im Internet erstellt worden, zwei sind wortgleich; die Datierung hat Bürgermeisterin Hoppe ebenfalls anonymisiert. Zur Begründung für die Veröffentlichung gibt Hoppe an, dass "sämtliche öffentlichen Beschlüsse der Gemeinde Schwielowsee (und die Beschlussvorlagen) zur Gewährleistung der größtmöglichen Transparenz der Arbeit der Gemeindevertretung" in das Allriss-Bürgerinformationssystem eingestellt würden. Dass die Unterlagen der Sicherheitspartner nunmehr entfernt wurden, sei auf Wunsch der zwei Männer geschehen. Diese seien "durch die aus ihrer Sicht zum Teil aggressiven Presseanfragen zu dem Thema" extrem verunsichert gewesen, daher sei sie der Bitte unverzüglich nachgekommen. Dass die Gemeindevertreter über die Sicherheitspartner entscheiden, habe die zuständige Polizeiinspektion empfohlen. Dies diene der demokratischen Legitimation der Bewerber. Der entsprechende  Umgang mit Sicherheitspartnerschaften sei zudem im Eckpunktepapier „Kommunale Kriminalprävention (KKP) im Land Brandenburg“ des Innenministeriums vom 01. Juni 2017 beschrieben. 

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