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Potsdam-Mittelmark: Das Schweigen der Lämmer

In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der mittelmärkischen Schafe mehr als halbiert. Nur noch 4050 Tiere gibt es hier. Für viele Halter sind sie ein Zuschuss-Geschäft, doch Züchter Langner gibt nicht auf

Potsdam- Mittelmark - Er hatte bereits alle Schafe verkauft. Doch Josef Langner hielt es nur ein paar Wochen ohne die Tiere aus. „Ich war nicht richtig krank, aber irgendetwas hat mir gefehlt“, sagt der Hobby-Schafzüchter aus Stücken. Also hat er sich wieder neue gekauft.

Skudden wollte er haben, eine seltene Rasse. Damals in den 90ern gab es in Brandenburg noch so wenige Skudden, dass er dafür mit seinem Golf zu einem Züchter nach Frankfurt am Main gefahren ist. Zurück kam er mit zwei tragenden Mutterschafen und einem Bock im Kofferraum.

20 Tiere hat er heute. Jeden Tag radelt der Rentner nun mit Basecap und Gummistiefeln bekleidet zu den Wiesen des Nuthe-Nieplitz-Parks, um nach seinen grasenden Zöglingen zu schauen. Das Lamm namens „Atze“, das jetzt als neue Besucherattraktion auf dem Erlebnishof Klaistow wohnt, stammt aus seiner Herde.

Schafhalter wie Langner sind selten geworden im Landkreis. Laut Landratsamt gibt es nur noch 19 Mittelmärker mit mehr als zehn Tieren. Die Zahl der Schafe in Potsdam-Mittelmark nimmt seit der Wende ab. Allein seit 2003 hat sich ihre Zahl mehr als halbiert – von rund 10 000 Tieren auf etwa 4050.

2003 hielten noch 41 Landwirtschaftsbetriebe mehr als 100 Schafe. Heute sind es nur noch 16. Viele Schäfer haben in Insolvenz gehen, Landwirte zumindest die Schafhaltung aufgeben müssen, erklärt Dieter Habermann von der mittelmärkischen Agraraufsicht.

Der Grund ist simpel: Schafe zu halten, lohnt sich nicht, lautet die Erklärung beim Schafzuchtverband Berlin-Brandenburg. Für die meisten gewerblichen Tierhalter ist es sogar ein Zuschussgeschäft. Selbst für Langner, obwohl der Staat sein Hobby mit 25 Euro pro Jahr und Schaf fördert, weil er jetzt die sehr alte bedrohte Rasse „Skudden“ züchtet. Und obwohl er hin und wieder einen seiner „lebenden Rasenmäher“ für rund 60 Euro verkauft oder Schaffleisch an einige Stammkunden. Aber Langner muss seine Tiere versichern, zumindest im Winter füttern und 80 Euro Jahrespacht für die anderthalb Hektar Weidefläche im Nuthe-Nieplitzpark entrichten.

Zu DDR-Zeiten war das noch anders: Da nahm der Staat den Schäfern das Fleisch für mehr Geld ab, als es schließlich in den HO-Kaufhallen kostete, erinnert sich Langner. Und er zahlte so viel für das Exportgut Wolle, dass sich der damalige Mathematik-Lehrer Langner entschloss, acht Merino-Schlafe zu kaufen – als kleinen Nebenverdienst. Ihre Wolle konnte er für rund 10 DDR-Mark pro Kilogramm wieder verkaufen. Heute ist der 67-Jährige froh, wenn er die Wolle seiner rauhhaarigen Skudden, die er nun züchtet, verschenken kann. Denn sonst muss er sie selbst entsorgen. Er stopft sie in Säcke und lagert im Winter seine Rüben darin ein. Aber geschert werden müssen die Schafe, erklärt Langner: „Sonst verfilzt ihr Fell und wird hart wie ein Brett.“ inzwischen schneidet er seinen Tieren sogar selbst die Wolle vom Leib, um die 5 Euro für den Profischerer zu sparen. 15 Minuten benötigt er pro Schaf. Das ist lang und „ziemlich anstrengend“.

Auch das Gut Schmerwitz zahle mehr für den Scherer als es später für die Wolle seiner Merino-Schafe erhält, sagt Rita Neumann, die Betriebsleiterin des Öko-Bauernhofes. Laut Schafzuchtverband gebe es kaum noch Abnehmer für den Rohstoff Wolle. Die Textilunternehmen setzten heute eher auf Synthetik.

Mehr als 1000 Schafe werden im Gut Schmerwitz gehalten, auf Weiden und im Stall. Zwei Schäfer sorgen dort für die Tiere. Rechnen sollten die sich über den Lammfleisch-Verkauf. Doch sie verdienten nur etwa 5 Euro pro Kilogramm. Rentieren würde sich das Geschäft erst bei 5.80 Euro, sagt Neumann. Das Problem: „In Brandenburg isst man relativ wenig Lammfleisch“, erklärt Neumann. Auch sie ist davon überzeugt, dass nur Betriebe eine Chance haben, die wie das Gut Schmerwitz nicht allein von der Schafhaltung abhängig sind.

Der Schäferberuf scheint in Potsdam-Mittelmark kaum Zukunft zu haben. Der Nachwuchsmangel unter dem ohnehin schon die gesamte Bauernbranche leidet, trifft die Schäfer noch härter, erklärt Ina Ritter, Sprecherin des Schafzuchtverbandes Berlin-Brandenburg:. Auf die Schäfer, die in Rente gehen, folgten kaum Berufsstarter nach. „Wer will schon bei 30 Grad oder Dauerregen rund um die Uhr im Stall oder auf der Weide stehen?“ Zumal „Aufwand und Nutzen nicht mehr im Einklang“ seien, glaubt Ina Ritter.

Nutzlos sind die Schafe aber dennoch nicht. Ihre Exkremente seien ein sehr guter Dung, erklärt Rita Neumann vom Gut Schmerwitz. Aus ökologischer Sicht würden sich die Schafe für ihren Betrieb darum schon lohnen. Und vielleicht ist auch bald die Wolle wieder etwas wert. Momentan unterstützt das Gut zwei Forschungsprojekte an der Technischen Universität: Die Wissenschaftler untersuchen die Wolle in ihren Eigenschaften als Dämmstoff für Gewächshäuser und Folien und als Dünger.

Für Schafzüchter Langner spielt das keine Rolle. Er würde auf seine Herde ohnehin nie mehr verzichten wollen.

Juliane Wedemeyer

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