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Potsdam-Mittelmark: „Das ist ein ganz wichtiges Gebäude“

Fast wäre die Salomon-Villa still und heimlich in Teltow-Seehof abgerissen worden – jetzt soll sie Denkmal werden

Teltow - „Um Gotteswillen!“ Man kann förmlich sehen, wie Ralph Paschke am anderen Ende der Telefonleitung die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Der Dezernatsleiter im Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege wollte wissen, warum die Salomon-Villa in Teltow von so plötzlichem Interesse ist. Die Information, dass das erste Haus der Villenkolonie Seehof abgerissen werden sollte, ruft bei dem Denkmalpfleger blankes Entsetzen hervor. „Das ist ja ein ganz wichtiges Gebäude“, liest er aus dem taufrischen Gutachten seiner Mitarbeiter heraus, die sich in den vergangenen Wochen intensiv mit der Villa beschäftigten.

An Abriss dürfte in der Max-Sabersky-Allee 2 künftig nicht mehr so leicht zu denken sein. Denn die Landesdenkmalpfleger attestieren dem Haus eine hohe „städtebauliche, personen- und ortsgeschichtliche Bedeutung“. Die Abteilung „Inventarisation“, die die Denkmaleigenschaft eines Objektes feststellt und den Denkmalwert begründet, wird dem Landeskonservator die Aufnahme der Salomon-Villa in die Landesdenkmalliste empfehlen.

Im Teltower Rathaus war man sich der Bedeutung der Villa offenbar nicht bewusst. Von einem eher „schlichten Gebäude“ spricht man dort. Oder die Stadtoberen waren einfach nicht sensibel genug für den geschichtsträchtigen Ort. Dabei hätte allein schon der Respekt gegenüber den Verdiensten Emil Salomons für die Stadt den Abrissgedanke verbieten müssen. Der bedeutende Berliner Bankier ließ 1873 die Villa bauen, was ihn zum Begründer der Seehofer Villenkolonie macht. Mit einem hohen Geldbetrag unterstützte er die städtische Verkehrserschließung durch die Dampfeisenbahn, die Teltow und später Stahnsdorf mit dem Berliner Verkehrsnetz am heutigen Bahnhof Lichterfelde Ost verband. Sohn Erich Salomon war einer der weltweit bekanntesten Fotoreporter. Er war der erste Journalist, der die Presse mit Schnappschüssen bediente und gestellte Aufnahmen verdrängte. Wegen seiner jüdischen Herkunft floh Erich Salomon 1933 mit seiner Familie ins holländische Exil. 1944 kamen er, seine Frau und sein jüngerer Sohn in Auschwitz ums Leben.

Wegen finanzieller Schwierigkeiten nach dem ersten Weltkrieg hatte Erich Salomon die Teltower Villa 1920 verkauft. Unklar ist, seit wann sie in städtischem Besitz ist. Zu DDR-Zeiten diente die Immobilie als Kindergarten „Jenny Matern“, nach Wende hieß die Kita „Däumelinchen“. Der bauliche Zustand ließ ab dem Jahr 2000 eine Nutzung als Kindertagesstätte nicht mehr zu, seitdem steht das Haus leer und verfällt zunehmend. Zwar lässt es die Stadt regelmäßig beheizen, genutzt wird es nicht mehr. So reduzierte sich die geschichtsträchtige Villa mit dem parkähnlichen Anwesen von 5000 Quadratmetern nur noch zum Kostenfaktor. Etwa 3000 Euro im Jahr, so schätzt Stadtkämmerer Rico Kasten, gibt die Stadt für den Grunderhalt des Hauses aus.

Mehrere Versuche, die Immobilie zu verkaufen, blieben erfolglos. In diesem Frühjahr schließlich wurde man sich mit einem Interessenten einig, der auf der der einen Hälfte des Grundstücks eine Wohnanlage für Senioren errichten wollte. Die Stadt wollte ihm das Areal per Erbbaurechtsvertrag überlassen. In der entsprechenden Beschlussvorlage für die Stadtverordneten hieß es nüchtern: „Das bestehende Gebäude wird dann abgerissen werden.“ Haupt- und Finanzausschuss hatten schon zugestimmt. Da schlug der Heimatverein Alarm.

Vereinschef Peter Jaeckel adressierte Ende Juni einen Brief an die Stadtverordneten, in dem er die offenbar kaum bekannten „Hintergrundinformationen“ zur Salomon-Villa beschrieb. Die Wirkung: Einige Stadtverordneten kamen ins Grübeln, ob der Abriss der richtige Umgang mit dem historisch bedeutsamen Bauwerk sei. „Der Erhalt wäre mir lieber“, so CDU-Fraktionschef Erhart Wigand. Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) zog die Beschlussvorlage zurück, was Heimatverein und auch die Bürgerinitiative „Wir in Seehof“ (BiWiS) zunächst aufatmen ließ. Dass im Stadtparlament über den Verkauf und somit auch den Abriss hinter verschlossenen Türen befunden werden sollte, findet BiWiS-Sprecher Richard Martin bedenklich. „Transparenz ist etwas anderes.“

Der Widerhall der Alarmglocken war schließlich auch in Wünsdorf zu hören, von wo aus sich die Landesdenkmalpfleger auf den Weg nach Teltow machten, um im Juli die Villa zu begutachten. „Für die Geschichte der Stadt ist das Gebäude ganz bedeutend“, so das Resümee.

Inzwischen gibt es einen neuen Interessenten, der die Salomon-Villa privat als Wohn- und Geschäftshaus nutzen will. Im Teltower Rathaus ist man etwas unsicher, ob sich das Haus auch verkaufen lässt, wenn es unter Denkmalschutz steht. Die Auflagen der Denkmalpfleger bei der Sanierung alter Häuser würden so manchen Bauherren abschrecken. Peter Jaeckel vom Heimatverein indes ist überzeugt, dass Hinweise auf Geschichte und Bedeutung des Hauses das beste Verkaufsmarketing sind.

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