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Reif für die Ernte. Im Land Brandenburg wachsen auf 107 Hektar Heidelbeeren. Am Freitag wurde in Klaistow die Saison eröffnet.

© Maurizio Gambarini/dpa

Potsdam-Mittelmark: Das blaue Wunder

Heidelbeer-Boom in Beelitz: In Klaistow soll in den kommenden Jahren die Anbaufläche verdoppelt werden. Nicht jeder sieht dafür den Markt gegeben

Beelitz - Auf dem Weg zum Klaistower Spargelhof säumen grüne Heidelbeer-Anlagen die Straße. Darin bunte Farbtupfer, die ersten Selbstpflücker haben sich in die Felder inmitten der Kiefernwälder geschlagen und sind, ausgestattet mit großen Plastikeimern, eifrig beim Ernten der blauen Beeren. Auch Paula und Emilia sind in diesem Jahr wieder dabei. Früh am Morgen sind sie mit ihren Müttern von Leipzig aus aufgebrochen. Heidelbeerenselbstpflücke und dazu noch so viele Attraktionen wie auf dem Klaistower Hof – das gebe es in ihrer Nähe nicht, sagt die Mutter von Paula, die 29-jährige Carolin Wetterling.

So zieht die Heidelbeere nicht nur Großstädter aus Berlin nach Beelitz, auf dem Parkplatz des Spargelhofes in Klaistow sieht man auch viele Kennzeichen aus Sachsen und Sachsen-Anhalt. Auf die kleine, gesunde Frucht setzen auch immer mehr Spargelbauern in Beelitz: Die Anbauflächen für Heidelbeeren sind nach Angaben des Landesumweltministeriums von 2014 bis 2015 um gute 40 Prozent gestiegen. Mit 166 Hektar ist die Heidelbeere nach dem Sanddorn die zweitwichtigste Strauchbeerart in Brandenburg. Und der Landkreis Potsdam-Mittelmark führt die Statistik an: 80 Prozent der Gesamtanbaufläche liegen hier – ein Großteil der acht Heidelbeeren anbauenden Betriebe befindet sich in der Beelitzer Region.

Der Ausbau soll zudem weiter massiv vorangetrieben werden. So plant der größte Betrieb vor Ort, Buschmann & Winkelmann, seine Heidelbeer-Anbaufläche, die in den vergangenen 13 Jahren um gut das Zwölffache auf 125 Hektar angewachsen ist, in den kommenden Jahren um „mindestens das Doppelte zu vergrößern“, so der Chef des Spargelhofes, Ernst-August Winkelmann. Auf seinem Hof wurde am Freitag der Start in die Heidelbeersaison begangen.

Winkelmann hat eine Vision: Er will künftig so viele Heidelbeeren in den Einzelhandel, besonders in Berlin, bringen, dass dort Kunden nicht mehr auf die Beeren aus Peru, Frankreich oder Polen zurückgreifen müssen. Er vergleicht das mit der Entwicklung des deutschen Spargels. „Vor vielen Jahren gab es im Einzelhandel auch nur Spargel aus Spanien, Griechenland und Frankreich – von deutschem war nichts zu sehen.“ Das Angebot an deutschen Heidelbeeren reiche für den Großverkauf im Einzelhandel noch nicht aus, da die Erträge nicht so hoch seien. Die meisten Vermarkter, besonders in Beelitz, würden daher auf Selbstpflücke und Hofverkauf setzen.

Bis ein Heidelbeerstrauch den vollen Ertrag bringt, dauert es acht Jahre, erklärt Winkelmann. Erst nach drei bis vier Jahren würden die Pflanzen überhaupt Früchte tragen. „Die Anlagen werden dafür aber sehr alt“, so Winkelmann. Er spricht von bis zu 80 Jahren. Die in Kiefernwäldern liegenden Anlagen werden immer mehr Erträge bringen. „Rund 300 Tonnen haben wir im letzten Jahr geerntet, in zwei Jahren werden wir schon 1200 bis 1500 Tonnen haben“, so Winkelmann. Er ist sich sicher, dass der Markt da ist – dennoch äußert er sich vorsichtig: „Wenn alle erst mal erfahren, wie gesund die sind, wird bestimmt noch mehr konsumiert.“ In den USA läge der Pro-Kopf-Verbrauch bei bis zu 600 Gramm pro Person pro Jahr, in Deutschland bisher noch bei mageren 100 Gramm – es würden also noch deutliche Wachstumschancen bestehen.

Etwas weniger optimistisch ist der zweitgrößte Spargelbauer in Beelitz, Jürgen Jakobs. Er befürchtet einen Trend, auf den alle setzen und an dessen Ende ein Überangebot stehen könnte. „Vor allem in Polen setzt man jetzt auch auf die Heidelbeere und will damit auf den deutschen Markt.“ Seine Anbaufläche von rund 45 Hektaren will er maximal um weitere 15 erweitern. Jakobs will lieber die Marktentwicklung beobachten und dann über den weiteren Ausbau nachdenken. „Der Mindestlohn in Polen beträgt um die drei Euro, bei uns liegt er im kommenden Jahr bei 8,60 Euro“, so Jakobs. Der Preisunterschied werde sich im Kaufverhalten sicher bemerkbar machen.

Günstig sind Paula und Emilia an diesem Freitag weggekommen. Die Kinder sind pappsatt vom vielen Beerennaschen, die Mütter zufrieden mit den Preisen für Selbstpflücker, die nicht nur in Klaistow, sondern auch auf den Höfen von Jakobs, Simianer und Syring um die 5,50 Euro pro Kilo liegen. Für die Leipziger steht jetzt nur noch die lange Heimreise an – eine Strecke von 150 Kilometern für zwei Körbe voller Heidelbeeren und glückliche Kinder. „Das ist doch keine Strecke“, sagt Carolin Wetterling und lacht.

nbsp;Eva Schmid

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