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In die Kleinmachnower Praxis „123 Zahnspange“ kommen teilweise bis zu 130 Menschen pro Tag in die Praxis. 

© Andreas Klaer

Coronakrise in Potsdam-Mittelmark: Kieferorthopäde darf Praxis nicht schließen

Ein Kleinmachnower Kieferorthopäde will seine Praxis aufgrund der Corona-Pandemie schließen. Das mittelmärkische Gesundheitsamt sieht dafür bisher allerdings keinen Anlass.

Von Eva Schmid

Kleinmachnow - Die Praxis des Kleinmachnower Kieferorthopäden Cepand Djamchidi ist trotz Coronakrise gut gefüllt. Etliche Kinder lassen sich ihre Zahnspangen kontrollieren, viele Patienten wollen die seit Monaten vereinbarte Termine wahrnehmen. Doch je stärker sich das Coronavirus in Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf ausbreitet, umso unruhiger wird der Kleinmachnower Kieferorthopäde.

Djamchidi will seine Praxis als Schutz vor dem Virus zu machen 

„Ich bin in großer Sorge, dass meine Praxis trotz Einhaltung aller RKI-Richtlinien, aufgrund des immer noch hohen Patiententaufkommens als Überträger von Covid-19 in der Region fungieren kann“, sagt Djamchidi. Derzeit würde Djamchidi noch immer pro Tag bis zu 70 Patienten behandeln. Rechnet man deren Begleitpersonen dazu, seien es bis zu 130 Menschen, die über den Tag verteilt in der Kleinmachnower Praxis ein- und ausgehen. Knapp ein Viertel der Kinder aus Teltow, Stahnsdorf, Kleinmachnow und Umgebung seien bei ihm in Behandlung. „Damit besteht ein hohes Risiko, dass sich Kinder untereinander in meiner Praxis anstecken.“

Der Kieferorthopäde will seine Praxis schließen, um seine Patienten, sein Team und sich selbst vor einer Ansteckung zu schützen. Einen Sicherheitsabstand von 1,5 Metern kann er – wie auch alle anderen Zahnärzte – nicht einhalten. Djamchidi und seine Kollegen könnten mit Speichel im Kontakt kommen, Coronaviren werden über den Speichel weitergegeben. Er befürchtet, dass auf seinem Stuhl oder im Wartezimmer Infizierte sitzen könnten, die selbst gar nicht wissen, dass sie das Virus in sich tragen, weil sie bisher keine Symptome haben. Ein Potsdamer Zahnarzt hat sich wie berichtet bei einer Behandlung angesteckt - und wohl zahlreiche weitere infiziert.

Viele Zahnärzte fordern Schließung durch das Gesundheitsamt

Seit Wochen setzt Djamchidi alle Hebel in Bewegung, um seine Praxis schließen zu dürfen. Doch das ist nicht so einfach. Das Problem: Von der Bundeszahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung sind auch Kieferorthopäden dazu angehalten, ihre Praxen offen zu lassen, um die Versorgung der Patienten sicherzustellen. Würde Djamchidi einfach schließen – ohne eine Vertretung zu benennen – drohen ihm Strafzahlungen, weil er gegen die kassenärztlichen Pflichten verstößt. Einen Vertreter zu finden, sei derzeit aber nicht einfach, so Djamchidi. „Und das würde auch keine Lösung des Problems darstellen, sondern es nur verlagern.“

Ähnliche Probleme haben derzeit viele Zahnärzte. Sie fordern die Bundesregierung dazu auf, die Zahnarztpraxen zu schließen und sie aufgrund der Coronakrise nach Notdienstplan arbeiten zu lassen. Nur so hätten sie Anspruch auf Entschädigung. Eine Onlinepetition dazu haben am gestrigen Dienstag bereits knapp 75 000 Personen unterzeichnet.

Auch Djamchidi fordert eine Schließung von Amtswegen. Würde seine Praxis vom Gesundheitsamt geschlossen werden, würde der Kieferorthopäde neben einer Entschädigung auch seine 22 Mitarbeiter durch Kurzarbeitergeld weiter beschäftigen können. Schließt er auf eigene Faust, muss er neben einer Strafzahlung auch die laufenden Kosten selbst tragen.

Besorgt. Der Kieferorthopäde Cepand Djamchidi will seine Praxis schließen.
Besorgt. Der Kieferorthopäde Cepand Djamchidi will seine Praxis schließen.

© Andreas Klaer

Amtärztin und Landeszahnärztekammer zeigen wenig Verständnis

Verständnis für die Bitte des Kleinmachnower Kieferorthopäden hat die zuständige Amtsärztin bisher nicht. Sie sieht derzeit keine Veranlassung die Praxis zu schließen. Das wäre erst soweit, wenn es einen Infektionsfall in der Praxis geben würde und Djamchidi dadurch nicht mehr arbeiten könnte. Wenn er jedoch unbedingt schließen wolle, dann könne er es jederzeit tun – auch ohne amtliche Anordnung. Auch der Präsident der brandenburgischen Landeszahnärztekammer Jürgen Herbert hat für Djamchidis Anliegen kein Verständnis: „Dazu kann ich nur sagen, Augen auf bei der Berufswahl.“ Ärzte, auch Zahnärzte dürfen in einer derartigen Krise jetzt „nicht den Kopf einziehen“. 

Zudem bestehe aus seiner Sicht besonders für Kieferorthopäden keine Gefahr. Nur beim Bohren käme es zu feinsten Aerosolen in der Luft, durch die sich die Viren verteilen können. Auch, dass man keine Vertretung finde, lässt Herbert als Argument nicht zu. Zahnärzte, die besorgt sind, könnten ihre Öffnungszeiten einschränken und weiterhin Patienten mit Schmerzen behandeln. „Das Problem, das viele von uns derzeit haben ist, dass oftmals unsere Mitarbeiter ängstlich und verunsichert sind.“ Auch Herbert ist als Zahnarzt tätig.

Coronatests im Ärztehaus erhöhen das Risiko für die Patienten

Djamchidi kann über solche Argumente nur den Kopf schütteln, das Verhalten des Gesundheitsamtes nennt er „grob fahrlässig“. „Ich habe den Patienten gegenüber eine Verantwortung und kann es für mich als Mensch, einfach in der jetzigen Situation nicht mehr verantworten.“ Erschwerend komme hinzu, dass seit rund einer Woche eine Ärztin im Ärztehaus, in dem auch Djamchidi seine Praxis hat, wie berichtet Coronatests durchführt. „Ich schätze sowohl die Kollegin als auch ihr Engagement sehr. Die jetzige Situation führt aber auch wegen des großen Andrangs dazu, dass Eltern mit ihren Kindern, die den Parkplatz benutzen, um einen Termin in meiner Praxis wahrzunehmen, einem zusätzlichen unnötigen Risiko ausgesetzt sind.“ Auch würden einige potentiell infektiöse Patienten, trotz des errichteten Abstrichzeltes, das Ärztehaus betreten.

Ein Telefonat mit Landrat Wolfgang Blasig (SPD) dazu sowie E-Mails an das Gesundheitsministerium des Landes haben bisher wenig gebracht, erzählt Djamchidi. Die Unterstützung durch das mittelmärkische Gesundheitsamt sei für ihn mehr als unbefriedigend. Die einzigen, die ihm bisher Rückendeckung für die Schließung der Praxis geben würden, seien die Kleinmachnower Gemeindevertreter, so Djamchidi. Doch das hilft ihm wenig.

In der Praxis dürfen nicht mehr als drei Patienten gleichzeitig sein

Er versucht also weiterhin „den Spagat zwischen Versorgung und Schutz vor Ansteckung“ täglich hinzubekommen. Nicht notwendige Termine seien bereits verschoben worden, in seiner Praxis dürfen nicht mehr als drei Patienten gleichzeitig sein, Wartezeiten müssen vermieden werden. Mittlerweile lässt Djamchidi kontaktlos bei seinen Patienten vor Eintritt in die Praxis und auch täglich bei den Mitarbeitern die Temperatur kontrollieren. „Mein Problem ist, dass ich nicht weiß, wie lange ich das aufrecht erhalten kann, wenn sich immer mehr Menschen in der Region infizieren.“

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