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Das Kontaktverbot macht gerade Älteren zu schaffen, viele leiden unter der Einsamkeit. Seniorenbegleitung ist kaum noch möglich. Und selbst Pflegedienste können teilweise wegen des Mangels an Mundschutz und Desinfektionsmitteln ihre Leistungen nicht mehr aufrechterhalten.

© Michael Reichel/dpa

Corona-Krise in Potsdam-Mittelmark: Pflegedienste schränken Leistungen ein

Ohne Schutz keine Körperpflege: Weil Material fehlt, schränken in Potsdam-Mittelmark derzeit Pflegedienste ihre Leistungen ein. 

Von Birte Förster

Teltow/Kloster Lehnin/Michendorf - Der Mangel an Schutzausrüstung führt auch bei Pflegediensten, die Senioren zu Hause versorgen, zu Schwierigkeiten. Zum Teil müssen diese ihre Leistungen deutlich reduzieren oder sogar Besuche ganz absagen. Brigitte Naumann, Geschäftsführerin der Pflegedienst Qualitas GmbH aus Teltow, betreut mit ihrem Dienst Wohngruppen und versorgt Senioren zu Hause. Bei Letzteren würden sie nun nur noch das Notwendigste machen, sagt Naumann. Darunter fallen vor allem Insulinspritzen und das Wechseln von Wundverbänden. Körperpflege sei dagegen nicht mehr möglich. Außerdem: Die Besuche und damit die Pflege der Senioren bei ihnen zu Hause werde „mehr und mehr eingestellt“, sagt die Geschäftsführerin.

Individuelle Lösungen sind gefragt

Der Grund dafür ist das allseits bekannte Problem: Mundschutzmasken gehen zur Neige. Auch an Desinfektionsmitteln fehlt es. Daher sucht Naumann für den Teltower Pflegedienst nun zertifizierte Firmen, mit denen dieser zusammenarbeiten kann, um die Mittel selbst herzustellen. Einige haben sie inzwischen kontaktiert. Naumann möchte öffentlich nicht bekanntgeben, um welche Firmen es sich handelt – aus Angst, dass andere auch auf die Idee kommen könnten. „Wir müssen uns individuell Lösungen überlegen“, sagt sie. So würden sie zum Beispiel aus Laminierfolie einen Spritzschutz für die Mitarbeiter basteln. Der Betrieb fühlt sich mit seinen Problemen in der Coronakrise allein gelassen. „Wir haben keine Unterstützung“, sagt Naumann.

Deutlich besser läuft es derzeit noch bei der Hauskrankenpflege Helga Lietzmann in Kloster Lehnin. „Wir machen ganz normal weiter“, sagt die stellvertretende Leiterin Eileen Lietzmann. Derzeit seien noch alle medizinischen Produkte vorhanden und kein Engpass zu verzeichnen. Alle Tätigkeiten würden sie weiterhin erledigen. Sie hätten nun außerdem mehr Aufträge, da viele Senioren aus dem Krankenhaus entlassen würden. Warum weiß sie nicht genau. Vielleicht um Platz zu schaffen für Corona-Patienten. Die Mitarbeiter seien geschult, die Hygienestandards einzuhalten.

Senioren, die sie bereits versorgen, würden sie nun zusätzliche Hilfe anbieten, indem sie Einkäufe oder kleine Botengänge übernehmen. Häufig sei das aber auch schon vorher Teil ihrer Arbeit gewesen, sagt die stellvertretende Leiterin. Dafür würden sie kein zusätzliches Geld verlangen. Ohnehin würden diese je nach Pflegegrad auch von der Pflegekasse abgedeckt. Aber auch andere könnten sich diesbezüglich an sie wenden. „Wir möchten unseren Patienten einfach nur helfen“, sagt Lietzmann.

Corona-Krise wird für Seniorenbegleiterin zum Problem

Auch Gudrun Walter wagte mit diesem Grundgedanken vor wenigen Jahren erst einen beruflichen Neustart – nun bedrohen die Einschränkungen durch das Coronavirus ihre Existenz. Nachdem sie über zwei Jahrzehnte als zahnmedizinische Verwaltungsassistentin tätig war, arbeitet die 60-Jährige nun als Seniorenbegleiterin. Sie geht mit diesen zu Arztbesuchen oder Friseurterminen, übernimmt Einkäufe sowie Boten- und Behördengänge. Vor allem aber verbringt sie Zeit mit ihren Kunden, geht mit ihnen spazieren oder fährt in ein Café. Mit dem Beginn der Coronakrise ist vieles nicht mehr machbar. Sie könne sich hauptsächlich noch mit Einkäufen für einige Senioren über Wasser halten, sagt Walter. Von vorher bis zu neun Kunden habe sie jetzt nur noch vier. 70 Prozent der Termine seien abgesagt worden. Mit einigen telefoniert sie viel. Geld nimmt sie dafür aber nicht. „Es ist gerade schwierig“, so die Seniorenbegleiterin aus Michendorf.

Gudrun Walter.
Gudrun Walter.

© Andreas Klaer

Für die meisten ihrer bisherigen Kunden stehen die Schutzmaßnahmen samt Kontaktsperre nun im Vordergrund. Oft sind es aber nicht die Senioren selbst, sondern ihre Kinder oder Verwandten, die sich gegen weitere Termine entscheiden. Die Älteren würden das Risiko oft nicht richtig einschätzen, meint Walter. Es hat aber noch andere Gründe, dass die Senioren weitere Termine von sich aus nicht absagen möchten. „Die Einsamkeit fällt vielen auf die Füße“, weiß sie aus Erfahrung. Genau aus diesem Grund besucht sie zwei ihrer bisherigen Kunden noch immer regelmäßig – und sogar noch häufiger als vor der Krise. Die Verwandten würden das Risiko in Kauf nehmen, sagt Walter.

Kampf gegen Einsamkeit und Langeweile

Einer von ihnen ist ein Mann Anfang 80, mit Demenz. Bisher konnte er jeden Tag in ein nahegelegenes Seniorenheim zum Mittagessen gehen. Das falle nun weg, sagt Walter. „Er ist einsam.“ Bisher haben ihn auch seine Schwester und seine Tochter regelmäßig besucht. Aber da beide auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen seien, sei das nun nicht mehr möglich. „Ich versuche, das etwas abzufangen“, sagt Walter. Die Seniorenbegleiterin besucht ihn daher nun zweimal statt nur einmal pro Woche.

Regelmäßig fährt sie auch noch zu einer 89-jährigen Frau, die in einer betreuten Wohngruppe lebt. Vor der Krise sei diese oft einkaufen gegangen, das habe ihr der Sohn nun aber verboten. „Sie hat dann Langeweile“, sagt Walter. Wenn sie die Senioren besucht, unterhält sie sich mit ihnen oder unternimmt mit ihnen einen Spaziergang. Cafébesuche, Shopping-Touren sowie Fahrten zum Physiotherapeuten oder Fußpfleger seien nun nicht mehr möglich. Immer achte sie dabei darauf, sich regelmäßig die Hände zu waschen und Abstand zu halten – auch, wenn die Senioren sie in den Arm nehmen wollen.

Insgesamt werden die Einnahmen aus diesen Terminen aber so kaum noch zum Leben reichen. „Ab April sehe ich vollkommen schwarz bei mir“, sagt Walter. Bei der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) will sie nun einen Antrag auf Soforthilfe stellen. Wenn die Krise überstanden ist, hofft sie, dass sich wieder viele ehemalige Kunden bei ihr melden werden. Bis dahin rät sie den Senioren, auf sich aufzupassen und das Risiko ernst zu nehmen.

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