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Würdige Kulisse. Die Musiken finden direkt an der Freitreppe des Schlosses statt, die in das Geschehen eingebunden wurde. Die Künstler kamen von der Leipziger Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn-Bartholdy. Sie brachten auch die Bühnentechnik mit.

© Andreas Klaer

Caputh: Traumhaft, aber nicht weltfern

Die Caputher Musiken lockten mit Schlosskulisse und hochkarätigem Programm.

Schwielowsee - Doppelt hält bekanntlich besser: Wie der siebten Caputher Schlossnacht nach zwei Jahren die achte letzten Samstag folgte, so auch der Vorbericht gleich stante pede dem Ereignis selbst. Es war so schön, so stimmig, so vollkommen, dass selbst ein verliebter Amselmann im Park mit seinem Zwitschern innehielt. Kaiserwetter, Wattewolken am blankgeputzten Himmel, Segelboote, Ausflugsdampfer auf dem Templiner See.

Dem Schloss und den Caputher Musiken als Veranstaltern war ein reichlich volles Haus beschert, minutenlanger Beifall und stehende Ovationen zuletzt. Diese „Mittsommernachts-Opern- Gala“ aus dem Hause der Leipziger Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn-Bartholdy war vielleicht die Schönste unter den acht Schwestern seit eh und je. Zuerst die heitere Begrüßung durch den Chef Andreas von Zadow, der diesen Kraftakt mit „Heerscharen von Helfern“ als „musikalische Bürgerinitiative“ vor Ort bezeichnete.

Die Churfürstin Dorothea war im 700. Jahr von Caputh leider nicht zu begrüßen, wohl aber Petra Reichelt, Kustorin des Anwesens und Partnerin der Caputher Musiken. Sie kam aus dem seewärts gelegenen Haupteingang, um Begrüßungsworte zu sprechen. Auch die Abendversorgung selbst war bis zum See-Ufer gestreut, wo es an gar nichts fehlte. Vom gebackenen Grünspargel über die Veggie-Bratwurst bis zum Feinsthäppchen war alles wohlfeil, in Sachen Wein musste sogar nachgeordert werden. Eis gab es auch.

Matthias Oldag, der die künstlerische Gesamtleitung innehatte, moderierte das dreiteilige Programm mit stetem Lächeln. Opernarien von Mozart bis Puccini, man nutzte die Freitreppe zur szenischen Darstellung. Irgendwann passierte eine Weißfußkatze das Opernereignis von rechts nach links. Das „Salonorchester Felix“ in zehnköpfiger Besetzung begleitete die Studenten und Meisterschüler, die ihrer Hochschule alle Ehre machten. Ein multikulturelles Ensemble aus starken und überzeugenden Einzelpersönlichkeiten, was die Moderation zur der Bemerkung veranlasste, da gebe es „nichts, was sie trennt“. Na ja, ein Hauch Zeitgeist muss wohl auch in Dorotheas Gefilden sein. Man hatte mit drei Sopranen, einem Mezzo, zwei Tenören, einem Bariton und einem Bass zwar nicht die Besetzung wie 2015 vor sich, aber auch ein Neuer wie der Bassist Jonas Atwood war vom Lustschloss-Ambiente sehr angetan. Schwer nur, bis zum Finale die Stimme fit zu halten, wie er sagte.

In den wohlgesetzten Pausen schwirrten buntbetuchte „Traumfänger“ wieder durchs Park-Air, kommunikativer als beim letzten Mal, auch deren kostümierte Kinder spielten mit. Im Schlosshof gab es neben vielen anderen Ständen auch einen Ford-Oldie, zur Theke ausgebaut.

Das Berliner Bedlam Theater zeigte beste Commedia del ’arte-Szenen von Orlando di Lasso. Aha, geschrieben hat dieser Komponist also auch. Überraschung bei Sonnenuntergang unten am Wasser: Da kam ein Floss angetuckert, auf dem die Studenten Volkslieder aus verschiedenen Ländern sehr stimmungsvoll vortrugen. Selbst ein vorüberfahrender Lustdampfer mit seinen Diskoklängen brachte sie nicht aus dem Konzept. Ein dumpfes Hupen grüßte, wie Schiffe es eben so tun. Auch open air will gelernt sein!

Der Operettenteil reichte schließlich näher an die Gegenwart heran, Millöker, Lehar, Kalman, weitere. Alles heiter beschwingt, ganz toll. Auch hier war das Publikum „hin“, was dann im dritten Teil durch Webber, Bernstein Porter und weitere aber doch noch getoppt wurde. Dies alles vor der bunt angestrahlten Schloss-Kulisse. Super, die Hochschul-Profis hatten sogar die ganze Bühnentechnik mitgebracht.

Als langjähriger Begleiter der Schlossnächte erkannte man, dass auch diesmal viel neues Publikum dabei war. Familie Peter und Christiane Straßburger zum Beispiel kamen auf Empfehlung und waren restlos begeistert, und dies nicht, weil sie selbst wie auch die Studenten aus Leipzig kamen. Das hier war einfach ganz hohe, durchgestaltete Kunst! Bezaubern liess sich auch ein ehemaliger Bootsflüchtling aus Eritrea, der in Potsdam Lehre und Arbeit bekommen hat. Er kannte solche Art europäischer Musikkultur überhaupt nicht. Ja, sagte er, auch in seiner Heimat werde gesungen, obwohl dort Krieg und ein hartes Regime herrschten. Als Teil von Äthiopien, sagt er, sei alles besser gewesen. Auch das gehört zu einem solchen Abend dazu - damit man vor lauter Begeisterung nicht gar die Welt vergisst, und all ihre Leiden.

Gerold Paul

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