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Grund zum Anstoßen. Ab Ende 2019 wollen Jörg Kirchhoff und Thomas Köhler (zweiter u. dritter v.l.) von der Potsdamer Braumanufaktur ihr Bier ausschließlich in Werder (Havel) abfüllen. Am Donnerstag wurde dort für die neue Abfüllhalle der Grundstein gelegt.

© A. Klaer

Brauerei in Werder: Bier braucht Heimat

In Werder (Havel) wurde der Grundstein für die neue Abfüllanlage der Potsdamer Braumanufaktur gelegt. Sie wird in den Havelauen entstehen.

Von Eva Schmid

Werder (Havel) - An den Geschmack erinnert sich heute niemand mehr. Nur noch Werbeanzeigen von früher lassen erahnen, was es mit dem Werderschen, dem historischen Bier aus Werder, einst auf sich hatte. Bernsteinfarben, süffig, mit starker Malznote wurde es als Gesundheitsbier auch Blutarmen, Wöchnerinnen und schwächelnden Patienten empfohlen. Die letzten Flaschen wurden Anfang des vergangenen Jahrhunderts in der Havelstadt gebraut. Jetzt, nach mehr als 100 Jahren kehrt das Bier wieder dorthin zurück, wo es einst gebraut wurde.

Am gestrigen Donnerstag ist dafür in den Werderaner Havelauen der Grundstein für eine rund 1200 Quadratmeter große Halle gelegt worden, in der künftig das Bier der Potsdamer Braumanufaktur abgefüllt und gelagert werden soll. Gebraut wird das Werdersche nach wie vor in den Kesseln im Forsthaus Templin. Ein kleiner Bereich in der neuen Halle jedoch soll freibleiben, wächst das Unternehmen weiter, könnte auch in der Otto-Lilienthal-Straße gebraut werden. Ende kommenden Jahres, so planen es die Potsdamer Bierbrauer und Geschäftsführer der Braumanufaktur, Jörg Kirchhoff und Thomas Köhler, laufen von Werder aus die Bügelflaschen von der Stange und werden von dort ausgeliefert.

8000 Flaschen pro Stunde

Für den Standort in Werder haben sich die Brauer wegen der günstigen Verkehrsanbindung entschieden: Bis zur Autobahnabfahrt Phöben sind es nur eineinhalb Kilometer. Zudem seien die Grundstückspreise in Werder im Gegensatz zur Landeshauptstadt noch bezahlbar.

Wenn die Anlage in Werder fertig ist, soll die alte am Forsthaus abgebaut werden. Die bisherige Abfüllanlage komme nur auf 4000 Flaschen pro Stunde, die neue in den Havelauen soll einst 8000 schaffen. Das gebraut Bier soll in einem 25 000 Liter fassenden Tanklaster nach Werder zur Abfüllung gebracht werden. Zwei Mal die Woche wollen die Brauer die neue Anlage anschmeißen. Bis zu drei neue Mitarbeiter werden in den Havelauen darauf achten, dass die Etiketten richtig sitzen und die Bügel halten. Rund 1,5 Millionen kostet die neue Halle mit der modernen Abfüllanlage. Geplant sei vor Ort bisher nur ein Fabrikverkauf. „Auch wenn sich so manche Bewohner der Havelauen schon auf ein Brauhaus gefreut haben“, sagt Thorsten Köhler und lächelt.

Fontane hat über Werders Bierliebe geschrieben

Den Wunsch, direkt vor Ort frisch gebrautes Bier zu bekommen, kann er gut verstehen. Immerhin ging es Fontane ja auch einst so – mit dem kleinen Unterschied, dass sein Wunsch erfüllt wurde. Die erste Brauerei mit Braurecht für Schankzwecke ist bereits 1617 entstanden, zu Hochzeiten gab es 21 Braumeister und zwei Brauknechte. Wie sehr die Werderaner ihr Bier liebten hat Fontane in seiner „Wanderung durch die Mark“ festgehalten: „Märkisch national, ein Ding für sich, so erschien die Werdersche. Sie war dem Landesgeschmack geschickt adaptiert, sie stellte sich einerseits in Gegensatz gegen die Weiße und hatte doch wiederum so viel von ihr an sich, daß sie wie zwei Schwestern waren, dasselbe Temperament, dasselbe prickelnde Wesen, im übrigen reine Geschmackssache: blond oder braun.“ Das Gebräu sei bereits den Kindern in die Wiege gelegt worden: „Sie wurde Nährbier in des Wortes verwegenster Bedeutung und das gegenwärtige Geschlecht, wenn auch aus zweiter Hand erst, hat Kraft und Leben gesogen aus der Werderschen.“

Historische Biersorten haben es den zwei Potsdamer Braumeistern, Jörg Kirchhoff und Thomas Köhler angetan. „Bier braucht Heimat“, sagt Köhler. Vor rund vier Jahren haben sich die zwei Brauer auf Anregung des ehemaligen Stadtoberhaupts Werner Große darangemacht, nach dem alten Rezept für das Werdersche zu suchen. Fündig wurden sie im Archiv der Bibliothek der Berliner Lehr- und Versuchsanstalt, die Braumeister ausbildet. Mit Hilfe der historischen Beschreibung über den Geschmack entwickelten sie eine neue Version. Und haben damit beachtlichen Erfolg. Das Bier verkauft sich gut, ebenso wie die Potsdamer Stange und die Weiße – auch sie historische Biere. Insgesamt kommt die Braumanufaktur auf über zehn verschieden Sorten Bio-Bier. Gebraut werden jährlich mehr als 5000 Hektoliter.

Handwerkliche Brautradition wird wieder aufgenommen

Für Werder ist der Zuzug der Brauer ein Gewinn: „Wir freuen uns, dass die handwerkliche Brautradition mit dem Brauhaus Templin wieder in großem Stil in Werder aufgenommen wird“, heißt es aus der Stadtverwaltung am Donnerstag im Rahmen der Grundsteinlegung.

Und auch wenn in Werder vorerst nicht gebraut wird, haben Kirchhoff und Köhler bereits Ideen wie das Werdersche noch besser in der Region vermarktet werden kann. So soll das Bier auf Spargel- und Fischerhöfen ausgeschenkt werden, im Gegenzug wollen die Brauer im Forsthaus häufiger Spargel und Fisch aus der Region auf die Karte setzen. Ein Deal von dem alle etwas haben, allen voran die Werderaner.

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SERVICE: Unterwegs auf Brandenburgs Bierstraße

Der Verein der Brandenburger Kleinbrauereien hatte vor zwei Jahren die Idee, eine Brandenburger Bierstraße zu etablieren. „Bier als Grundnahrungsmittel ist ein gutes Zugpferd, um die Leute in neue Ecken des schönen Landes Brandenburg zu locken“, so Vereinschef Jörg Kirchhoff. Die Bierstraße biete sich für verschiedene kurze oder lange Touren an. Wer nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, muss sich im Vorhinein für die Tour einen Fahrer aussuchen, der nüchtern bleibt. Hatte die Straße zunächst 13 Stationen, so ist sie mittlerweile auf zwei Dutzend Kleinbrauereien im Land Brandenburg gewachsen. Da das Abfahren der Bierstraße an nur einem einzigen Tag schier unmöglich ist, gibt es Teilrouten. Mit dabei sind neben den bekannten Brauereien wie dem Forsthaus Templin, der Meierei oder dem Rittmeister etwa auch die Belziger Brauerei sowie ein kleiner Ein-Mann-Betriebeaus dem Fläming. Weitere Infos unter: www.brandenburger-kleinbrauereien.de. 

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