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Bis zum 31. August: Feiern für die Toleranz

Die zweite Aktionswoche „Weltoffenes Werder“ will den Austausch fördern. Die AfD soll aber nicht mitdiskutieren.

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Sie wollen einer Spaltung der Werderaner Stadtgesellschaft entgegenwirken: Mit der zweiten Aktionswoche „Weltoffenes Werder“ will das gleichnamige Bündnis aus rund 20 Vereinen, Einrichtungen und Netzwerken ab dem 24. August dafür sorgen, dass Bewohner mit unterschiedlichen Ansichten ins Gespräch kommen, um so das Gegenüber besser zu verstehen. Bis zum 31. August werden dafür Nachbarschaftsfeste, Diskussionen und Konzerte veranstaltet. „Die Gesellschaft spaltet sich, hier soll sie wieder zusammenkommen“, sagt der evangelische Pfarrer Georg Thimme bei einer Pressekonferenz am Dienstag zur Vorstellung des Programms.

Seit Ende 2018 wohnen etwa 180 Geflüchtete in der Werderaner Gemeinschaftsunterkunft auf der Jugendhöhe. Sie sind insbesondere beim Nachbarschaftsfest an der nahen Karl-Hagemeister-Grundschule, mit dem die Aktionswoche eröffnet wird, eingebunden. „Die Frauen sind auf uns zugekommen und werden Gerichte aus verschiedenen Nationen anbieten. Zudem wollen sie Henna-Tattoos malen und gemeinsam mit Kindern deren Namen in verschiedenen Sprachen schreiben“, erklärt Organisatorin Simone Holzwarth. Zugleich will die benachbarte Kita Kinderschminken anbieten, Schüler des Oberstufenzentrums wollen mit den Besuchern basteln.

Schirmherrin der Aktion, die in diesem Jahr mit 18.000 Euro vom Land Brandenburg gefördert wird, ist Werders Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU). „Werder ist weltoffen, tolerant und bunt“, das solle man auch in dieser Woche erleben. Die rechtsextreme Splitterpartei „Der Dritte Weg“ hatte 2015 eine Demonstration in der Stadt veranstaltet und auch in den Folgejahren durch Aufkleber auf Wahlplakate oder Flyer auf sich aufmerksam gemacht. Seit Anfang 2018 fand jedoch keine Aktion der Gruppe mehr in Werder statt. „Wir müssen auch nicht warten, bis sie wieder herkommen“, so Saß. Lieber wolle man dafür sorgen, dass in der Stadt ein Klima herrsche, in dem die Rechten keine Chance mehr sehen und gar nicht mehr kommen.

Keine Einladung für die AfD

Für Diskussionen sorgt indes die Entscheidung der Organisatoren der Aktionswoche, zu einer Podiumsdiskussion am 27. August keinen Vertreter der AfD einzuladen. Hier soll – kurz vor der Landtagswahl – darüber gesprochen werden, wie man Brandenburg nachhaltig und weltoffen gestalten kann. „Das sind Themen, zu denen die AfD keine explizite Meinung hat“, so Georg Thimme. Simone Holzwarth erklärt, dass eine Teilnahme der Partei die Diskussion blockieren würde. Schließlich müsse man sich mit der AfD erst einmal einigen, dass überhaupt ein menschengemachter Klimawandel stattfindet. Außerdem sei die Debatte nicht als Gesprächsrunde zwischen Landtagskandidaten gedacht, so sind unter anderem auch Vertreter von Fridays for Future eingeladen. Allerdings haben die Spitzenkandidaten von SPD, Grünen, Linken und FDP für den Werderaner Wahlkreis bereits zugesagt. CDU-Kandidatin Saskia Ludwig habe die Teilnahme abgesagt, da sie eine Diskussion ohne die AfD für undemokratisch hält. Sollte doch ein Vertreter der Partei geladen werden, werde aber auch sie erscheinen, teilte sie den Organisatoren mit. Die AfD hat in Werder zur Kommunalwahl im Mai 9,7 Prozent der Stimmen erhalten.

Neue Mitschüler sind ein Gewinn

Von fremdenfeindlicher Stimmung sei in der Stadt allerdings nichts zu merken. „Ich bin positiv überrascht von Werder“, antwortet Georg Thimme auf die Frage, wie sich das Zusammenleben mit den Bewohnern des vom Internationalen Bund betriebenen Flüchtlingsheimes gestaltet. „An Schulen werden die neuen Mitschüler eher als Gewinn wahrgenommen, auch im Stadtbild sieht man jetzt mehr Geflüchtete“, so der Pfarrer.

Dieter Dörflinger, der die Aktionswoche ebenfalls mitorganisiert und in mehreren Netzwerken auch in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, erklärt die gute Stimmung auch mit verbesserten Bedingungen. „Inzwischen ist die Ausstattung sowohl personell als auch materiell besser als in den Anfangsjahren der Flüchtlingskrise.“ Werder war eine der letzten großen Kommunen der Mittelmark, in denen eine Gemeinschaftsunterkunft eröffnet wurde. Allerdings hat die Ausländerbehörde des Kreises ihren Sitz in der Stadt, einige Geflüchtete waren also schon im Stadtbild zu sehen. Zudem gab es vereinzelt Privatwohnungen, die bereits als Flüchtlingsunterkunft genutzt wurden.

Fest habe sich etabliert, sagen die Organisatoren

So gab es auch beim ersten Festival 2018 Geflüchtete, die im Rahmen des Netzwerkes Neue Nachbarn bei der Abschlussveranstaltung vor der HeiligGeist-Kirche Kuchen verkauft und mit den Werderanern ins Gespräch gekommen waren. Dazu gab es Stände etwa der Potsdamer Vereine Seebrücke und Women in Exile, die auch in diesem Jahr wieder dabei sein werden. Auch ein Wahl-OMat wird beim Fest einen Tag lang vor der Landtagswahl zur Verfügung stehen. Die Festwoche habe sich etabliert, inzwischen fragen auch andere Kommunen aus Brandenburg an, sagt Simone Holzwarth. Ob sie allerdings auch 2020 in dieser Dimension stattfinden kann, ist offen: Die finanzielle Förderung hängt von den Mehrheiten im Landtag ab, die sich nach der Wahl verändern könnten.

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Das Programm

Die Aktionswoche beginnt am Samstag, dem 24. August, mit einem Nachbarschaftsfest auf dem Schulhof der Karl-Hagemeister-Grundschule. Von 15 bis 19 Uhr werden Aktionen wie Kinderschminken und Grillen angeboten. Am Sonntag findet dann ein Kunstworkshop von 11 bis 17 Uhr statt, in der Vulkanfiberfabrik kann man gemeinsam brunchen und dazu mit kreativem Schreiben sowie Zeichnen an einem Gemeinschaftswerk arbeiten. Am gleichen Tag werden ab 18 Uhr in der Heilig-Geist-Kirche Lieder zum Frieden und gemeinschaftlichen Zusammenleben gesungen. Am Dienstag diskutieren ab 19 Uhr Landtagskandidaten und Vertreter anderer Gruppen wie Fridays for Future im Scala über Weltoffenheit und Nachhaltigkeit in Brandenburg. Klimawandel auf der Bühne gibt es am Donnerstag im Theater Comédie Soleil. Das Bolivianische Jugendtheater Teatro Trono gibt um 18 Uhr unter dem Motto „El mañana es hoy“ („Die Zukunft ist heute“) eine Vorstellung inklusive Musik und Pantomimespiel. Das Stück soll sich mit Klimagerechtigkeit befassen, im Anschluss kommen die Darsteller mit dem Publikum ins Gespräch. Die Karten dafür kosten zehn, ermäßigt fünf Euro. Alle anderen Veranstaltungen der Aktionswoche sind kostenlos. Den Abschluss bildet am 31. August dann das Fest vor der Heilig-Geist-Kirche: Ab 15 Uhr informieren mehrere Akteure wie die Seebrücke Potsdam über ihre Arbeit, dazu finden weitere Aktionen statt, Besucher können einen mobilen Wahl-O-Maten nutzen, und auch die Open Stage für neue Talente. Den Abschluss bildet ein Konzert der Werderaner Band Blacksmith. Während der gesamten Festwoche bietet die Stadtbibliothek zudem thematische Bilderbuchkinos für Kinder bis zur vierten Klasse an.

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