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Biomalz-Fabrik: Von Teltow in die Backstuben der Welt

Auf dem Gelände der Biomalz-Fabrik entsteht eine neue, moderne Produktionsstätte. Das Stärkungsmittel aus Teltow wird seit 100 Jahren produziert.

Von Sarah Stoffers

Teltow - Ein neues Entwicklungslabor, modernste Produktionsanlagen und Maschinen: Auf dem Gelände der historischen Biomalz-Fabrik in der Iserstraße in Teltow entsteht derzeit eine neue Produktionsstätte der Teltowmalz GmbH. Die Firma stellt seit mehr als 100 Jahren Biomalz her.

Das aus Gerste gewonnene Malzprodukt, mit dem etwas sonderbaren Namen, hat seinen Siegeszug zu Zeiten der Industrialisierung gestartet. Das Leben in den großen, vollen Städten, die Arbeitsweise in den Fabriken brachte den Bedarf an einem Stärkungsmittel für die Bevölkerung hervor. Die Menschen sollten damit fit für die Anforderungen des Industriezeitalters gemacht werden. So kam das „Sonnenlicht in Büchsen“ auf den Markt und wurde zum Verkaufsschlager. Zu kaufen war es in Apotheken, in Drogerien und Reformhäusern. Das Biomalz sollte gegen Blutarmut, Bleichsucht und nervöse Beschwerden helfen. In Saft- und Bonbonform wurde es weltweit vertrieben. Heute landet es vor allem bei Bäckern, in Backmischungen, Backmittel und weiteren Malzprodukten.

Erfunden hatte das auf natürlichen Rohstoffen basierende Stärkungsmittel der Apotheker Eduard Patermann im Jahre 1906 in seiner Apotheke in Berlin-Schöneberg. Patermann meldete zusammen mit seinen zwei Brüdern Myro und Georg 1907 das Patent für das Biomalz an. Schnell wurde ihr Biomalz beliebt und die Produktionsstätte wanderte von Berlin in das damalige Ackerbürgerstädtchen Teltow. 1911 startete dort die Produktion. Dank des Teltowkanals und eines Eisenbahnanschlusses konnte das Biomalz in die ganze Welt verschickt werden, erzählt Juliane Karsten. Sie ist heute Geschäftsführerin der Biomalz Gewerbehof GmbH, die für die Verwaltung des Geländes zuständig ist. Für die Anlieferung der zur Herstellung nötigen Rohstoffe und für den Versand des Biomalz wurde eigens eine Gleisanbindung zur Bahn geschaffen, die über eine Eisenbahndrehscheibe durch das Werkstor führte. Die Drehscheibe war eine der ersten Deutschlands, so Karsten. Die alte Lichtsignalanlage steht immer noch.

„Die Produktion erfolgte in der Fabrik von oben nach unten“, erklärt Karsten. Mit einem Hydrauliksystem wurden die Rohstoffe in die oberste Etage verfrachtet. Ganz unten, am Ende der Produktion, kam das fertige Biomalz heraus. Vor allem während und nach dem Ersten sowie Zweiten Weltkrieg kam die Produktion weitestgehend zum Erliegen. Teile des Ensembles wurden zerstört. In der DDR wurde die Fabrik 1946 zum Volkseigentum, mehr als 100 Beschäftigte arbeiteten damals in der Fabrik.

Nach der Wende kämpften die Patermann-Erben um Rückgabe. Die rote Backsteinfabrik geriet ein wenig in Vergessenheit. Bis vor etwas mehr als zehn Jahren wieder allmählich Leben einkehrte: 2008 hatte die Salem-Grundstücksgesellschaft das historische Gelände gekauft und begonnen, alles von Grund auf zu sanieren. Neben der Teltomalz GmbH – die sich und ihr Produkt wegen geltender Auflagen nicht mehr „Bio“ nennen darf und daher ihren Namen geändert hat – finden sich heute auf dem Gelände Büros, kleinere Unternehmen, Handwerksbetriebe und Kultureinrichtungen, wie etwa die Kreismusikschule oder die Tanzschule Kurrat, sowie zwei Restaurants.

Die Union Sozialer Einrichtungen (USE gGmbH) ist heute der größte Mieter auf dem Biomalz-Fabrik-Gelände. Das Sozialunternehmen hat seit 2009 Werkstätten für Menschen untergebracht, die aufgrund von psychischen Erkrankungen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben. So gibt es etwa eine Digitaldruckerei, eine Tischlerei, eine Konfektionierung oder die kreative Textilwerkstatt. „Jeder wird nach seinem Talent und seinen Interessen eingeteilt“, erklärt Leiterin Cornelia Fiedler. So zum Beispiel Josefine Degraa. Die gelernte Herren-Maßschneiderin ist für die kreative Textilwerkstatt verantwortlich. Dort entstehen Produkte für Kinder, wie etwa bunt verzierte Lampenschirme, individuelle Kuscheltiere oder Zuckertüten. „Der Mensch muss sich nicht an der Arbeit orientieren, sondern die Arbeit am Menschen“, erklärt Degraa das Konzept der Werkstätten. „Wir versuchen Erfolgserlebnisse zu vermitteln.“ Die Beschäftigten können ein Handwerk erlernen und haben die Chance danach in den ersten Arbeitsmarkt zu wechseln oder weiterhin in der Werkstatt zu arbeiten.

Das Areal ist beliebt: die Räume in der alten Fabrik sind derzeit komplett vermietet, erklärt Gewerbehof-Geschäftsführerin Karsten stolz. Nach wie vor bekäme sie mehrere Anfragen pro Monat. Glück hatte jüngst die private Teltower Musikschule „The! Music School“ von Schulleiter Helge Niederle, die Ende Juli ihren bisherigen Standort auf dem Techno Terrain Teltow räumen musste (PNN berichteten). Sie konnte Anfang August in der Alten Quellmühle unterkommen, in der einst das Getreide zum Quellen gebracht wurde, das für die Malzherstellung verwendet wurde.

Gleich dahinter ziehen in den nächsten Wochen die ersten Büros in den bereits fertigen rund 2500 Quadratmeter großen Neubau von Teltomalz, wie Geschäftsführer Florian Lewens erklärt. Dann sollen auch die neuen Anlagen und Maschinen geliefert werden. Im Oktober soll voraussichtlich die Produktion beginnen. Der Neubau ist seit Jahren geplant und hatte sich wegen Schwierigkeiten mit den Generalunternehmern verzögert. Die alte Produktionsstätte entspräche nicht mehr den Anforderungen eines modernen Unternehmens, so Lewens. Teltomalz, das heute zwölf Mitarbeiter beschäftigt, will in der Zukunft in seinem modernen Labor zurück zu den Ursprüngen des Biomalz und an chemiefreien Backmitteln auf Malzbasis forschen. „Wir möchten daraus eine Produktfamilie entwickeln“, so Lewens. In den kommenden Jahren sollen vier bis fünf weitere Mitarbeiter eingestellt werden.

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