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Alle ausgeflogen. Obstbauer Frank Wache baut eigene Bienenwohnungen, in denen die Rote Mauerbiene (unten) leben kann. Im Gegensatz zur Honigbiene wird jene schon bei unter zehn Grad Celsius aktiv. Außerdem ist die Mauerbiene resistenter gegen Schädlinge als die verwandten Honigproduzenten.

© Andreas Klaer

Bienen in Werder (Havel): Schichtarbeit

Obstbauer Frank Wache lässt seine Bäume zusätzlich von eigens gezüchteten Mauerbienen bestäuben.

Werder (Havel) - An den Aprikosenbäumen hängen schon die ersten rosa Blütenansätze, die Kirschbäume knospen immerhin – lange kann es nicht mehr dauern, bis die Rote Mauerbiene auf den Feldern des Obstbauern Frank Wache ein wahres Festmahl vorfindet. „Die haben anfangs einen großen Energiespeicher, da sind sie wie kleine Sumoringer“, sagt Wache, der seit fünf Jahren neben seinen Obstbäumen auch eigene Bienen züchtet.

Bienen sind für Obstbauern unersetzliche Helfer, denn ohne die Bestäubung gäbe es am Ende der Saison nichts zu ernten. Die meisten Bauern warten allerdings, bis es warm genug für die Honigbiene ist. Ab etwa 15 Grad Lufttemperatur beginnen die gelb-schwarz gestreiften Honigproduzenten mit ihren ersten Pollenflügen. Dafür kommt jedes Jahr ein Imker aus der Region mit seinen Bienenstöcken zu Wache. Die Rote Mauerbiene hingegen verlässt ihren Stock schon bei Temperaturen von fünf bis acht Grad. Somit kann sie schon einige Wochen Vorarbeit leisten, bis die Honigbiene bereit ist einzusteigen und die Erntemenge so insgesamt zu erhöhen. „Die beiden Arten kommen sich später auch nicht ins Gehege, sie ergänzen sich wunderbar“, sagt Wache.

Mitte Mai endet der Lebenszyklus der Bienen

Über das Feld verteilt hat der Obstbauer mehr als 20 Bienenkästen, die er während der Wintermonate selbst gebaut hat. In den Kästen befinden sich Bambusstangen, die Wache auf eine Länge von etwa 20 Zentimetern zugesägt hat. Die Rote Mauerbiene baut innerhalb weniger Wochen in den Bambusstangen aus Lehm, Nektar und Pollen ein Zuhause für ihren Nachwuchs. Honig produziert die Rote Mauerbiene nicht. „Ihr einziges Ziel im Leben ist die Fortpflanzung“, sagt Wache. Im September schlüpft der Nachwuchs, geht dann aber sogleich in den Winterschlaf. Ab April sind die Mauerbienen beinahe ständig in Bewegung, sammeln, bauen und vermehren sich. Die Hektik ist durchaus angebracht, denn Mitte Mai endet der Lebenszyklus der fleißigen Tiere schon wieder.

Die Idee, eigene Bienen zu züchten, hat Wache von einem befreundeten Obstbauern aus Thüringen übernommen, den er regelmäßig auf Fachtagungen trifft. Der Obstbauerkollege lieferte sowohl die ersten Bienen als auch Ratschläge, wie ein optimales Zuhause für die Mauerbiene aussehen sollte. Einige Anpassungen nahm Wache dann selbst vor. Da der märkische Boden hauptsächlich aus Sand besteht, vergräbt der Obstbauer Plastikeimer voller Lehm zwischen den Obstbaumreihen. Wenn die Eimer in der Erde kühl bleiben, hält das den Lehm länger feucht. So können ihn die Mauerbienen leichter in ihren Bambusbehausungen verarbeiten. Der Lehm hat später eine wichtige Schutzfunktion für den Nachwuchs, da er Vögel und Insekten abhält.

Die Rote Mauerbiene sticht nicht

Während Ameisen, Heuschrecken oder Spechte den Mauerbienen schon mal gefährlich werden können, sind sie gegen kleinere Parasiten unempfindlicher als die Honigbiene. Letztere leidet vielerorts stark unter der Varroose – eine Seuche, die durch die Varroamilbe hervorgerufen wird. Bei Mauerbienen hingegen seien bisher keine Krankheitsfälle bekannt, sagt Wache. Und noch einen weiteren entscheidenden Vorteil hat die Rote Mauerbiene gegenüber der Honigbiene: Sie sticht nicht. Ein weißer Schutzanzug, wie ihn Imker normalerweise tragen, ist auf Waches Feldern also unnötig.

Während der Wintermonate ist das Bauen der Bienenhäuser außerdem eine schöne Nebenbeschäftigung für den Obstbauern. Zwar gibt es auch in der kalten Jahreszeit einiges auf den Feldern zu erledigen – Bäumeschneiden zum Beispiel. „Aber dafür braucht es auch wenigstens ein paar Grad über Null“, sagt Wache. Bienenkästen dagegen kann er jederzeit in seinem Schuppen bauen. Ungefähr vier Stunden sitzt er an einer Bienenwohnung – Rahmen zimmern, Bambus zurechtsägen und ausbohren, Rohre befestigen. Beim Ausbohren der Zellulose, die sich natürlicherweise in den Bambusrohren befindet, muss der Obstbauer darauf achten, die Trennwände im Inneren nicht zu beschädigen. Diese dienen nämlich als Windschutz für den Bienennachwuchs. Gibt es keine natürliche Trennwand, muss Wache das Bambusrohr von einer Seite mit Gips verschließen, um die Tiere vor zu kaltem Luftzug zu schützen.

Auch der Werderaner Obstbauer Heiko Wels sei seinem Beispiel inzwischen gefolgt, sagt Wache. „Seit zwei Jahren hält er sich auch jedes Jahr eigene Mauerbienen.“ Sowohl Wels als auch Wache sehen dabei durchaus nicht nur ihren eigenen Vorteil durch die frühere Bestäubung ihrer Bäume. „Es geht natürlich auch um Arterhaltung“, sagt Wache. „Wenn man liest, dass viele Insekten vom Aussterben bedroht sind, gibt einem das schon zu denken.“ Unter den Wetterkapriolen, die der fortschreitende Klimawandel hervorruft, leiden die Obstbauern seit Jahren. Erst im vergangenen April war ein Großteil der Ernte in nur einer Frostnacht vernichtet worden. Es sei somit Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, welchen Beitrag die Obstbauern selbst leisten können, um Artenvielfalt zu erhalten, so Wache.

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HINTERGRUND: Das weltweite Sterben der Honigbiene

Im Frühjahr 2007 begann ein weltweites Bienensterben, dessen Ursachen bisher noch nicht vollständig erforscht sind. Damals berichteten nordamerikanische Imker, dass sie 30 bis 90 Prozent ihrer Honigbienenkolonien verloren hätten. Es ist für Imker zwar normal, dass ein Teil ihrer Bienenvölker den Winter nicht überlebt. Jedoch sind dies normalerweise 15 bis 25 Prozent des Volkes. Nun aber waren plötzlich mehr als die Hälfte der Bienen eines Volkes betroffen. Als eine der Hauptursachen für das Massensterben der Honigbienen gilt inzwischen die Milbe Varroa destructor. Auch bestimmte Pflanzenschutzmittel stehen im Verdacht, das Sterben der Bienen zu verursachen. Daneben soll auch die intensiv betriebene Landwirtschaft mit großen Monokulturen eine entscheidende Rolle spielen. In den USA werden Bienen von den Imkern häufig innerhalb weniger Wochen mit Lastwagen von einer Monokultur zur nächsten gefahren, um diese zu bestäuben. Der Transport bedeutet dabei viel Stress für die Tiere. 

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